Vorgezogene OB-Wahl in Würzburg :Steht Claudia Stamm vor einem politischen Comeback?

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Wellen geschlagen hat Claudia Stamm - hier bei einer Veranstaltung im Münchner Rathaus im März 2023 - schon mehrfach in ihrer politischen Vita. (Foto: B. Lindenthaler/IMAGO)

Eines ist der ehemaligen Landtagspräsidentin Barbara Stamm verwehrt geblieben: Oberbürgermeisterin von Würzburg wurde sie nicht. Jetzt könnte ihr ehemaliger Konkurrent einen politischen Schachzug versuchen – mit Stamms Tochter.

Von Olaf Przybilla

Was für einen Ruf hätte andernorts ein Mann, der in seinem Leben für insgesamt sechs verschiedene Parteien und Wählergruppen aktiv geworden ist? Egal, in Würzburg jedenfalls gilt der Stadtrat Willi Dürrnagel als eine Art Maskottchen der politischen Szene: als einer, der zwar Positionen seiner jeweiligen Organisation (SPD, Freie Wähler, Unabhängige Bürger, CSU, Würzburger Liste, aktuell ÖDP) stets wohlwollend zur Kenntnis nimmt. Aber immer exakt das tut und sagt, was er für richtig hält – nicht seine Partei. Und dessen persönliche Popularität darunter alles andere als gelitten hat.

Dürrnagel ist freilich nur der schillerndste Farbenwechsler von Würzburg. Politische Wanderbewegungen gehören zu dieser Stadt wie schmackhafte Bocksbeutel. Seit wann das so ist? Das lässt sich recht präzise fixieren: 1990 wollten sowohl Barbara Stamm als auch Jürgen Weber als OB-Kandidaten von der CSU aufgestellt werden. Stamm setzte sich parteiintern durch, als Reaktion gründete Weber ein Konkurrenzunternehmen, die „Würzburger Liste“, triumphierte bei der OB-Wahl und fügte ihr die schmerzlichste Niederlage ihres politischen Lebens zu. Barbara Stamm blieb in der Landespolitik, notgedrungen. Und machte dort bis zu ihrem Tod 2022 eine fast sagenhafte Karriere – als „Mutter Courage“ der CSU.

In Würzburg wiederum wissen seither alle: politische Farbwechsel bedeuten in dieser Stadt keinen Karriereknick. Gewünscht wird Persönlichkeit, nicht das richtige Parteibuch. Das muntere Wechseln von Würzburg – samt politischer Zersplitterung – nahm seinen Lauf.

Demnächst stehen vorgezogene OB-Wahlen an, die Parteien sortieren sich gerade. Würden sich Politstrategen einen Würzburger Ideal-Bewerber kreieren dürfen, so hätte der oder die womöglich konservative Wurzeln (Domstadt), stünde aber auch für grünes Gedankengut (Universität) und würde einen ganz eigenen Kopf mitbringen, politische Farbwechsel gerne inbegriffen.

Und so war es wohl nur eine Frage der Zeit, bis der Name Claudia Stamm die Runde macht am Main. Die Tochter jener einst unglückseligen OB-Kandidatin war mal grüne Landtagsabgeordnete, hat politisch schon für einen CSU-Mandatsträger gearbeitet und eine Partei namens „mut“ mitgegründet. Einen eigenen politischen Kopf darf man da voraussetzen.

Die Grünen und die CSU in Würzburg haben sich bereits auf ihre OB-Kandidaten festgelegt. Die freien Wählergruppen dagegen – vor allem Webers „Würzburger Liste“ (WL) – halten sich bedeckt. Gespräche aber werden geführt, klar. Und ein Name soll dabei immer wieder fallen: Stamm.

Kurzes Gedankenspiel: Jürgen Weber, 79, CSU-Abtrünniger, Altoberbürgermeister, maximal gut vernetzter WL-Stadtrat und jener Mann, der Barbara Stamm 1990 ihren damaligen Lebenstraum – OB von Würzburg – verhagelt, die bürgerliche Politszene Würzburgs gespalten, sich am Ende aber mit seiner Ex-Konkurrentin ausgesprochen und versöhnt hat, jener Jürgen Weber hebt 35 Jahre später deren Tochter auf den Schild und versucht, diese (gewissermaßen als weiteren Schritt zur Aussöhnung mit dem Hause Stamm) zur Rathauschefin zu machen.

Diese Geschichte hätte Potenzial, keine Frage. Allerdings bräuchte Weber dafür Mitstreiter. Als Favoritin würde eine etwaige Kandidatin Claudia Stamm zwar auch dann nicht ins Rennen gehen. Das aber waren Jürgen Weber, Pia Beckmann und Georg Rosenthal einst ebenfalls nicht. OB in Würzburg sind sie trotzdem geworden.

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