World Butchers Challenge:Trainieren für die Metzger-WM: "Das wird kein netter Ausflug"

World Butchers Challenge: Matthias Endrass bereitet sich mit seinen Metzgerkollegen akribisch auf den bevorstehenden Wettkampf vor.

Matthias Endrass bereitet sich mit seinen Metzgerkollegen akribisch auf den bevorstehenden Wettkampf vor.

(Foto: Julia Haas)

Es geht um Handwerk, Hackfleischtörtchen und um Gold: In Augsburg bereitet sich die deutsche Metzgernationalmannschaft auf die Weltmeisterschaft in Irland vor.

Reportage von Julia Haas, Augsburg

Sie tragen Kettenhemd und Kettenhandschuh, an ihren Gürteln hängen Köcher voller Messer. Rinderhälften baumeln von der Decke. Die deutsche Metzgernationalmannschaft trainiert in der Fleischerschule Augsburg für die Weltmeisterschaft. Mit dem Team um Kapitän Dirk Freyberger werden zum ersten Mal deutsche Metzger bei der World Butchers Challenge in Belfast am 21. März mitmischen. "Das wird kein netter Ausflug. Ich will mit Gold nach Hause fahren", sagt Freyberger. Elf andere Nationen müssen sie dafür schlagen, darunter Australien, Italien, Griechenland und die Favoriten und amtierenden Weltmeister aus Frankreich. Das deutsche Team trainiert aber nicht nur für den ersten Platz. Während sie zerlegen, sortieren, veredeln, rufen sie im Chor: "Für unser ehrenwertes Handwerk der Metzger." Das "Butcher Wolf Pack" oder auch die "Fleischwölfe", wie sie sich nennen, kämpft für einen besseren Ruf ihres Handwerks, für mehr Anerkennung.

Matthias Endrass beugt sich über ein Stück Rinderkeule. Er löst sie aus, entfernt also die Knochen, schneidet das Fleisch zu. In der Familienmetzgerei zu Hause in Bad Hindelang kann sich der 29-Jährige dafür mehr Zeit lassen. Nach der Schule begann Endrass mit der Metzgerausbildung, seinen Meister hat er vor sieben Jahren gemacht. Mit seiner Schwester bildet er die vierte Generation des Familienbetriebs. "Ich hab mich aus Verantwortung für den Beruf entschieden, daraus hat sich aber eine wahnsinnige Leidenschaft entwickelt", sagt er. Das Schöne sei die Abwechslung: "Ich bin Entertainer, Griller und Caterer." Die Mitglieder des Teams sind fast alle mehr als klassische Metzger.

Philipp Sontag beispielsweise führt die Familienmetzgerei in Kißleg in sechster Generation. Der Allgäuer bietet Fleischerlebniskurse an: Er führt durch die Metzgerei, spricht über artgerechte Schlachtung, zerlegt ein Hinterviertel und grillt es zusammen mit den Teilnehmern. Auch die Fleischseminare von Endrass seien eingeschlagen wie eine Bombe: "Die besten Steaks grillen eben Metzger und keine Köche. Ich will den Leuten zeigen, dass es mehr gutes Fleisch gibt als nur Filet", sagt Sontag. "Ich persönlich liebe zum Beispiel dry aged Rinderherzen", erzählt Freyberger, während er einen Rouladenbraten schnürt. Bei der WM in Nordirland wird das Team ein halbes Rind, ein halbes Schwein, ein Lamm und fünf Hühnchen verarbeiten. Neben Sauberkeit und Arbeitsweise zählt auch, dass so wenig Fleisch wie möglich im Müll landet. Insgesamt verarbeitet jedes Team an die 200 Kilo.

Die einzige Frau im Team ist Karmen Walcher. Mit einer runden Plätzchenform sticht sie Taler aus Hackfleisch, um den Rand wickelt sie einen schmalen Speckstreifen, verziert sie mit Ananas und Kräutern. "Hackfleischtörtchen", nennt sie das. Hinter ihr stehen schon gefüllte Eiswaffeln und Hack-Blätterteig-Blüten. Endrass versucht sich derweil an der Hackfleischbefüllung eines Gugelhupfs, der Fleischkuchen kommt mit kleinen Dellen heraus, es besteht noch Übungsbedarf. Neun Trainings haben sie für die WM insgesamt absolviert. Ihren Fleischbedarf finanzieren sie über Sponsoren, die fertigen Produkte werden gespendet. Eine Facebook-Kampagne samt Musikvideo haben sie aufgefahren, um Aufmerksamkeit zu erregen. Auf ihre Kittel hat sich jeder einen Hashtag einsticken lassen: #HerrderRinder, #Gamechanger oder #Butcherpassion steht dort.

Laut aktuellem Geschäftsbericht des Deutschen Fleischer-Verbands (DFV) absolvierten 746 Lehrlinge in Bayern 2016 eine Ausbildung zum Fleischer. 2010 waren es noch 1536. Bei den Fleischereifachverkäuferinnen ist es ähnlich. Die Zahl der betrieblichen Ausbildungsplätze, die nicht besetzt werden können, erhöht sich ständig. Einen Abschluss machen nur noch wenige. Während 1970 bundesweit um die 2000 Fleischer ihre Meisterprüfung ablegten, waren es 2016 nur noch etwa 400. Endrass erzählt, dass er vor Kurzem an einer Berufsmesse am Grillstand für den Nachwuchs werben sollte. Ein Junge kam mit seinem Vater, wollte sich informieren. Der Vater habe nur gemeint: "Willst du das wirklich lernen?" Dabei schmeckt den Deutschen nach wie vor, was die Metzger für sie zubereiten. 60 Kilo Fleisch isst ein Deutscher im Schnitt pro Jahr. Die Tendenz ist leicht fallend, jedoch nur sehr minimal.

Die Leute sähen das Lebewesen hinter dem Fleisch nicht mehr, sagt Freyberger: "Für die Bevölkerung ist das ein Reagenzglasprodukt." In Plastik versiegelt, ab in den Kühlschrank, bereit zum Verzehr. Laut DFV-Bericht kauften private Haushalte ihre Fleischwaren 2016 zu fast 70 Prozent vorverpackt. Vor 20 Jahren waren es nur 30 Prozent. "Aber zwischen Verpackung und Weide da gibt es was", sagt Endrass. Er schlachtet zu Hause noch selbst. Abgestumpft habe ihn das nicht. "Mit der Zeit bin ich eher sensibler geworden." Die Tiere kommen bei ihnen aus der Region um Bad Hindelang. Der Bauer muss immer dabei sein, darauf besteht Endrass. "Die Tiere sind entspannter, wenn sie eine vertraute Stimme hören." Als Metzger sei er auch Tierschützer. Endrass war früher Hirtenjunge in den Oberallgäuer Alpen, die Arbeit mit Tieren kennt er von klein auf.

Drei Stunden sind vorbei. Das Butcher Wolf Pack hat noch eine Viertelstunde. Aber die Zeit reicht nicht. Kapitän Freyberger inspiziert den Präsentiertisch mit den fertigen Produkten: "Das ist ein Gewinnertisch, aber wir sind noch ein bisschen zu langsam." In Nordirland soll es schneller gehen.

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