Im Wolfratshauser Mehrgenerationenhaus der Maro-Genossenschaft scheint sich Olaf Radziejewski gut angekommen zu fühlen. Der Familienvater spricht von bezahlbaren Konditionen, einem intensiven Miteinander unter den Bewohnern und einer besonderen Wohnqualität, die er bislang am Mietmarkt so noch nie gefunden hatte. Das klingt in der Hochpreisregion des Münchner Umlands gut. Doch binnen weniger Tage im vergangenen März könnte der Wunschtraum zu einem Albtraum geworden sein. Die Hausgemeinschaft war damals gerade erst eingezogen, als sich die Maro-Genossenschaft insolvent meldete. "Wir haben mit großem Entsetzen gelesen, was da los ist", beschreibt Radziejewski die damals erste Reaktion der Hausgemeinschaft, für die er einer von vier Sprechern ist.

Für die um die 60 Menschen - darunter nach seinen Angaben mehr als ein Dutzend Kinder - in der Immobilie an der Ecke von Sauerlacher Straße und Floßkanal steht damit viel auf dem Spiel, insbesondere finanziell. Inzwischen gibt das Genossenschaftsunternehmen mit Sitz in Ohlstadt (Landkreis Garmisch-Partenkirchen) zwar an, bis dato um die 1,25 Millionen Euro private Unterstützungszusagen eingeworben zu haben. Um weitermachen zu können, braucht die Maro allerdings möglichst bald fünf Millionen Euro, wie es heißt.
Was wird aus den Pflichtanteilen?
Was aus den 40 000 bis 80 000 Euro Pflichtanteilen wird, welche die Bewohner laut Radziejewski je nach Größe der 24 Wohnungen im Haus zahlen mussten, ist damit derzeit völlig offen. Das Gleiche gilt für die mindestens drei zu übernehmenden Genossenschaftsanteile in Höhe von insgesamt 1500 Euro. Eine Menge Geld für jeden der Bewohner, wie Radziejewski sagt.

Wer von der Seite des Hammerschmiedwegs in den Gemeinschaftsraum des Wolfratshauser Wohnensembles hinein will, muss derzeit noch über Gummimatten laufen. Die vorgesehene Pflasterung fehlt noch, ebenso wie die künftige Bepflanzung mit Bäumen und Sträuchern im durch eine Mauer von der Straße abgegrenzten Garten auf der Südseite. Der besteht gegen Ende Mai erst aus einer von wenig Rasen durchzogenen Schotterfläche. Dass dies noch nicht angegangen worden sei, habe mit der Insolvenz der Maro zu tun, sagt Radziejewski. Er berichtet allerdings von aktuellen Gesprächen darüber.
Einiges ist also noch ein bisschen provisorisch im Wolfratshauser Haus der Maro - genauso wie das eigentlich für den Garten gedachte Sofa, auf dem Radziejewski sitzt, während er die aktuelle Situation darstellt. "Den Gemeinschaftsraum haben wir aber schon mit viel Leben gefüllt", sagt er. Einmal pro Woche finde ein Tanzkurs statt, eine Bewohnerin unterrichte nach der Feldenkrais-Methode. Die Hausgemeinschaft habe erste Geburtstage gefeiert und zusammen gegrillt.

Wie die Bewohner unterschiedlicher Altersstrukturen und sozialer Hintergründe ihr Miteinander nachbarschaftlich organisieren, hat Radziejewski und seine Frau direkt angesprochen. Gemeinsam mit Frau und Tochter wohnte er bislang in Haar, kannte das Oberland von vielen Ausflügen in die Region aber bestens. Auf das Wolfratshauser Mehrgenerationenhaus-Projekt wurden er und seine Frau aufmerksam, als sie vor Jahren mit dem Auto an der roten Ampel bei der Kreuzung von Sauerlacher Straße und Floßkanal standen und ein Maro-Werbeplakat sahen. "Das haben wir dann abfotografiert", so Radziejewski. Um den Jahreswechsel von 2020 auf 2021 spricht er von einem ersten Beschnuppern der heutigen Hausgemeinschaft. Eineinhalb Jahre vor dem Einzug habe dann ein intensiver Prozess begonnen, in dem sich die Bewohner kennenlernten und etwa Regeln aufstellten, wie sie ihr künftiges Zusammenleben gestalten wollten.
Zur Leihe stehen der Hausgemeinschaft ein Lastenfahrrad und Carsharing-Autos bereit
Das zeichnet laut Radziejewski die Projekte der Maro aus. Infolgedessen bildeten sich in Wolfratshausen Arbeitsgruppen für die Werkstatt, den Garten oder Mobilität. "Weil nicht jeder alles kann und wir uns so am besten ergänzen können", wie der Haussprecher sagt. So verständigten sich die Bewohner mit der Stadt Wolfratshausen beispielsweise darauf, die individuelle Automobilität möglichst gering zu halten. So entstanden etwa weniger Stellplätze als satzungsgemäß in der Kommune vorgesehen. In der Tiefgarage stehen deshalb zwei Fahrzeuge des Anbieters Carsharing Pfaffenwinkel, auf die alle Bewohner sowie Mitglieder des Mobilitätsdienstleiters zugreifen können. Insgesamt existieren laut Radziejewski 24 Stellplätze für die 24 Wohnungen plus die beiden Gewerbeeinheiten im sanierten, ebenfalls zum Wolfratshauser Maro-Ensemble zählenden, einstigen Districtkrankenhaus. Hausintern haben die Bewohner zusätzlich ein online reservierbares Lastenfahrrad, ein zweites soll noch hinzukommen. Im Haus soll es zudem künftig noch ein Zimmer mit Bett für Gäste geben.

Mit seiner Frau und der Tochter wohnt Radziejewski seit zweieinhalb Monaten schon dauerhaft in einer der beiden Wohnungen im sanierten Districtskrankenhaus. Von Wolfratshausen schwärmt er als der Kommune der kurzen Wege. Ob es darum gegangen sei, einen Kinderausweis für seine Tochter im Rathaus zu beantragen oder das Auto umzumelden oder zu mittags gerne etwas zu besorgen, während er im Home-Office arbeite. Das könne er schnell zu Fuß erledigen, so Radziejewski.
Die Phase der ersten sechs Monate des Schuljahrs 2023/2024, als Radziejewski viel mit dem Auto zwischen dem bisherigen Wohnort Haar und der Loisachstadt pendelte, wo seine Tochter bereits an der Grundschule die erste Klasse besuchte, soll damit Vergangenheit sein. Das Mehrgenerationenprojekt der Maro in Wolfratshausen eröffnet ihm die Chance, in einer Region leben zu können, in die ihn früher Ausflugsfahrten führten.