Wolframs-Eschenbach:"Eröffnen wir künftig auch eine städtische Tankstelle und eine städtische Metzgerei?"

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Wolframs-Eschenbach ist ein schmuckes fränkisches Fachwerkstädtchen. Dort scheint es an fast nichts zu fehlen, was es lebens- und liebenswert macht. Aber eben nur fast.

Kolumne von Olaf Przybilla

Nein, des Sozialismus ist der Stadtrat von Wolframs-Eschenbach nicht verdächtig. Die Sozialdemokraten entsenden keinen einzigen Vertreter in das Gremium, die Grünen ebenfalls nicht, und dass es so etwas wie die Linke gibt oder gar - horribile dictu - noch weiter links verortete Parteien, das wissen die 16 Stadträte vom Hörensagen, nicht aber aus alltäglicher Stadtratsarbeit. Und ja, dass sie mit der städtischen Bäckerei gewissermaßen eine Art volkseigenen Betrieb aus der Taufe zu holen beschlossen haben, das hat dem Rat schon deswegen allerlei Bauchschmerzen bereitet, räumt Johann Schlackl unumwunden ein.

Der CSU-Mann ist zweiter Bürgermeister und hat auch mit sich gerungen. Mehr als einem Dutzend Betrieben hatten die Wolframs-Eschenbacher schmackhaft zu machen versucht, in dem fränkischen Fachwerkstädtchen doch eine Stadtbäckerei samt hübschem Kaffeehaus zu betreiben - keiner wollte. Was aber, fragt Schlackl, sei das für eine Stadt, in der man morgens nicht mal einen Kaffee in die Hand bekommt? Zumal Wolframs-Eschenbach wahrlich nicht als hässliches Entlein zu gelten hat. Allein die literaturaffinen Mediävisten, die einmal im Leben auf den Spuren des Parzivaldichters und Namenspatrons der Kleinstadt wandeln wollen, sind Legion. Nur müssen die fürs Semmelnkaufen zum Discounter.

Bislang. Nun aber hat sich die Kommune zur Pächterin einer zentralen Immobilie aufgeschwungen und die Stadtspitze fahndet höchstpersönlich im Internet nach klassischem Kaffeehausmobilar, es darf gerne ein bisschen nach Wien ausschauen. Und von Mitte September an werden also drei städtische Mitarbeiter Rohteiglinge verarbeiten und kaffeedurstige Gäste akkurat versorgen - Wolframs-Eschenbach backt jetzt einfach selbst!

Wie das weitergehen soll? Haben sie im Stadtrat auch schon erörtert, sagt Schlackl. "Eröffnen wir künftig auch eine städtische Tankstelle und eine städtische Metzgerei?", das seien so die Fragen gewesen. Überhaupt habe man erst mal die Rechtsaufsicht mit der Sache beschäftigen müssen. Die erklärte ihnen, so lange man niemandem Konkurrenz mache, sei das schon in Ordnung, dass die Stadt nun ihre eigenen Brötchen backt. 2022, so hoffen die Stadträte, soll das stadteigene Kaffeehaus in den schwarzen Zahlen sein.

© SZ vom 02.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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