Wolfgang Rzehak:Geht nicht gibt's nicht

Wolfgang Rzehak

Der Grüne Wolfgang Rzehak, 47, ist seit gut eineinhalb Jahren Landrat im stockkonservativen Landkreis Miesbach.

(Foto: Nicolas Armer/dpa)

Der Miesbacher Grünen-Landrat gibt sich in der Flüchtlingskrise kämpferisch - und nimmt den Freistaat in die Pflicht

Von Christian Sebald

Wenn es um den vieltausendfachen Zuzug von Flüchtlingen nach Bayern geht, sagen Landräte und Bürgermeister landauf, landab standardmäßig, ihre Verwaltungen, die ehrenamtlichen Helfer und sie selbst seien überfordert, komplett überfordert. Anders der Miesbacher Landrat und Grünen-Politiker Wolfgang Rzehak. Er hat für solche Klagen kein Verständnis. "Natürlich gibt es irrsinnig viele Probleme", räumt Rzehak ein. "Aber: ,Wir können's nicht' - was ist das für eine Botschaft? Wenn ich's nicht kann, muss ich zurücktreten." Rzehaks Credo in punkto Flüchtlingszuzug lautet: "Wir schaffen es, weil wir es schaffen müssen und weil wir es schaffen wollen." Auch an diesem Mittwoch, als er mit der Grünen-Landeschefin Sigi Hagl den neuen Forderungskatalog seiner Partei zur Integration der Flüchtlinge in Bayern präsentiert.

Bei den Forderungen geht es natürlich vor allem ums Geld, mehr Geld für die Kommunen. Es geht aber auch um den Abbau von Bürokratie, mehr Personal in den Verwaltungen, zusätzliche Unterkünfte und um ein Wohnungsbauprogramm für Einheimische und Flüchtlinge. Denn das ist die große Furcht der Grünen, dass Einheimische und Flüchtlinge um die immer weniger werdenden preisgünstigen Mietwohnungen im Freistaat konkurrieren und damit Fremdenfeindlichkeit Vorschub geleistet werden könnte. Wenn es nach den Grünen geht, müssen bis 2020 wenigstens 50 000 neue Wohnungen in Bayern errichtet werden, und nicht nur 28 000, wie die Staatsregierung versprochen hat. Außerdem verlangen die Grünen Integrationsmanager für alle Kommunen. Sie sollen nicht nur Eingliederungskonzepte erarbeiten, sondern auch Koordinationsstelle sein zwischen Verwaltungen, ehrenamtlichen Helfern und der Politik.

Ganz lässig sitzt Rzehak neben seiner Parteichefin Hagl, als die beiden ihren Forderungskatalog präsentieren. In seinem feinen Schilfleinen-Janker, dem weißen Hemd und der überaus korrekt gebundenen Krawatte könnte der 47-jährige Kommunalpolitiker rein äußerlich als politische Hoffnung der CSU durchgehen, zumal er sehr volksnah und leutselig ist. Aber Rzehak lässt keine Zweifel an seinen grünen Grundpositionen zu. Gerade in der Flüchtlingspolitik. Obergrenzen für die Aufnahme von Asylbewerbern etwa, wie sie außer allen möglichen CSU-Größen inzwischen auch Boris Palmer, der Grünen-OB von Tübingen, und andere Politiker der Umweltpartei verlangen, sind für Rzehak undenkbar. "Das Asylrecht zählt zum Kernbestand unserer freiheitlichen Grundordnung, Deutschland hat die Genfer Flüchtlingskonvention unterschrieben", sagt er. "Deshalb sind und bleiben Obergrenzen, Kontingente - oder wie immer man das nennen mag - tabu." Rhezak hat sich bereits fest darauf eingerichtet, dass er und seine Verwaltung auch 2016 viele neue Flüchtlinge in seinem stockkonservativen Landkreis aufnehmen werden.

Der Miesbacher Landrat hat denn auch keine Scheu davor, mit der Staatsregierung ins Gericht zu gehen, wenn es sein muss hart und unnachgiebig. Am Mittwoch prangert er an, dass der Freistaat allen anders lautenden Bekenntnissen von Ministerpräsident Horst Seehofer und Finanzminister Markus Söder zum trotz den Kommunen keineswegs alle Kosten für die Unterbringung der Asylbewerber erstattet. "So wie es aussieht, werden allein wir im Landkreis Miesbach 2016 auf wenigstens 4,5 Millionen Euro sitzen bleiben", sagt er. "Das kann's nicht sein."

In der Summe sind nicht nur die Ausgaben für die 15 Planstellen enthalten, die sie dieses Jahr am Miesbacher Landratsamt geschaffen haben, nur um den Zuzug abarbeiten zu können. Sondern auch die Kosten für die Sicherheitsdienste rund um die großen Unterkünfte in Turnhallen, die ihnen nicht erstattet werden. Aber auch kleinere Posten, wie das Fahrgeld für Schüler, die ihren Turnunterricht nun in einer Nachbargemeinde erhalten, weil die Halle an ihrem Gymnasium mit Flüchtlingen belegt ist. "Der Freistaat darf sich da nicht weiter einfach aus der Verantwortung stehlen", schimpft Rzehak. "Er muss endlich nicht nur wirklich alle Kosten übernehmen, sondern auch dafür sorgen, dass die Milliardenhilfe des Bundes für den Flüchtlingszuzug ohne Abstriche an uns Landkreise und die Kommunen geht."

In seiner Partei zollen sie Rzehak großen Respekt für seine klare Haltung und die deutlichen Worte. In den eineinhalb Jahren, in denen er nun an der Spitze des Landkreises Miesbach steht, ist er das kommunalpolitische Aushängeschild seiner Partei geworden. Auch in der Landtagsfraktion, die für gewöhnlich eher selbständig agiert, haben seine Worte Gewicht, gerade was die Flüchtlingspolitik angeht. Und sogar etliche CSU-Landräte äußern sich inzwischen anerkennend über Rzehak, auch wenn sie öffentlich niemals dazu stehen würden.

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