Wolfgang Hoppenthaller:Der heimliche Sieger

Wolfgang Hoppenthaller galt nach der gescheiterten Hausarzt-Revolte als erledigt, nun führen zwei Vertraute die Kassenärztliche Vereinigung.

Dietrich Mittler

Fünf Minuten, bevor sich am Samstagmorgen die große Tür zum Kongress-Saal der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) öffnet, werden die Handbewegungen einiger Delegierter plötzlich heftiger, manchmal wird das Zischeln der Stimmen lauter, flacht dann aber sofort wieder ab. Als sich die Tür schließlich öffnet, sind sich die Koalitionspartner einig. Damit ist die Wahl der KVB-Führungsmannschaft im Grunde entschieden, bevor sie überhaupt begonnen hat.

Korbveranstaltung Bayerischer Hausaerzte Verband

Wolfgang Hoppenthaller: Den Vorsitz der Bayerischen Hausärzte hat er zwar nicht mehr inne. Mächtig ist er jedoch noch immer.

(Foto: ddp)

Gut vier Stunden später steht fest: Die Geschicke der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns - eine Institution, die immerhin die ambulante Versorgung der Bevölkerung im Freistaat sicherstellt - werden künftig von Ärzten bestimmt, die kurz zuvor noch ihre Kollegen zu Tausenden aus dem Kassensystem herausführen wollten.

Mit 33 von 50 Stimmen wird der Isener Hausarzt Wolfgang Krombholz an die Spitze der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns gewählt. Krombholz gilt als enger Vertrauter des langjährigen Vorsitzenden des Bayerischen Hausärzteverbandes, Wolfgang Hoppenthaller, der kürzlich nach der gescheiterten Hausarztrevolte zurücktrat. Dessen Pläne zum Systemausstieg hat Krombholz loyal unterstützt - sowohl 2010 als auch 2008.

Krombholz künftige Stellvertreter, der Bad Kissinger Hausarzt Pedro Schmelz und die Internistin Ilka Enger aus Neutraubling, haben sich ebenfalls durch Fundamentalkritik an der KVB profiliert. Der Bayerische Facharztverband, als dessen Vorsitzende Enger bei der Wahl kandidierte, hatte vor zwei Jahren zumindest regional auf einen Systemausstieg hingearbeitet.

Der heimliche Sieger der Wahl beansprucht indes kein Amt für sich: Wolfgang Hoppenthaller gab sich am Samstag betont zurückhaltend: "Ich bin hier nur ein einfacher Delegierter", sagte er. Doch das ist mehr als tiefgestapelt. Zwar hatten ihn seine Gegner nach dem Desaster von Nürnberg als "erledigt" angesehen. Und diese Meinung schien sich am Freitag einmal mehr zu bestätigen, da das Sozialgericht München die fristlose Kündigung des Hausarztvertrages durch die AOK als rechtmäßig absegnete.

Doch zu diesem Moment war Hoppenthaller längst dabei, die Übernahme der KVB in die Wege zu leiten. Bis zur letzten Minute knüpfte er Allianzen mit anderen Arztgruppen - und diesmal ging die Rechnung auf: Zwei seiner engsten Vertrauten, Wolfgang Krombholz und Petra Reis-Berkowicz, sitzen jetzt auf den strategisch entscheidenden Posten - Krombholz als KVB-Vorsitzender und Reis-Berkowicz als Vorsitzende der KVB-Vertreterversammlung, zu deren Pflichten es gehört, den Vorstand zu kontrollieren.

Der Facharzt Axel Munte, der die zurückliegenden zehn Jahre die KVB angeführt hatte, war angesichts geringer Erfolgschancen gar nicht erst zur Wahl angetreten. Dem Erzrivalen Hoppenthaller zollt Munte Lob: "Seine Strategie war erstklassig", sagt er. Doch ansonsten hat Munte für den Wahlausgang im Grunde nur ein Wort übrig - "katastrophal".

Schmelz: Kurswechsel der Ärzte

Pedro Schmelz kann hingegen jubeln: "Die bayerischen Ärzte haben einen Kurswechsel gewählt", sagt er. Hatte Munte die KVB-Bezirksvertretungen verkleinert und stattdessen die Zentrale in München zu einer hocheffizienten Schaltstelle ausgebaut, so will Schmelz nun wieder stärker in den Regionen Ansprechpartner für die Ärzte anbieten - und nicht zuletzt auch strenger haushalten. Vor allem aber werde er alles tun, um die Spaltung der Ärzteschaft zu beenden.

Krombholz kündigte an, die KVB werde der Politik unter seiner Führung insgesamt mehr Widerstand entgegensetzen. "Gut ist, was für die Praxen und die Versorgung der Patienten gut ist", sagte er. Ilka Enger wiederum gilt als Kritikerin der Qualitätsprogramme, die unter Munte eingeführt wurden. Zudem will sie "intelligentere Modelle der Kostenerstattung" durch die Kassen durchsetzen.

Einhellig plädieren alle Neugewählten für "mehr Vertrauen unter den Ärzten". Man solle alte Gräben zuschütten, eine neue Kultur des Miteinanders aufbauen.

Doch daran hapert es bereits am ersten Tag. Immer wieder unterbrechen Buhrufe die Veranstaltung, da die Delegierten des Hausärzteverbandes mit den Befürwortern von Enger und Schmelz alle Anträge auf eine Befragung der Kandidaten niederschmettern. Der Augsburger Lungenfacharzt Andreas Hellmann nutzt dann allerdings seine Bewerbungsrede als Gegenkandidat von Schmelz dazu, um doch noch die Frage zu stellen, die der Hausärzteverband als stärkste Fraktion zu unterbinden versucht hatte: Ihr Spitzenkandidat Wolfgang Krombholz war vor etlichen Jahren wegen fehlerhafter Abrechnungen von der KVB mit einer Geldbuße belegt worden. In diese alte Wunde sticht Hellmann hinein.

Krombholz bestätigt in der nachfolgenden Pressekonferenz, dass er und seine Praxis-Kollegen eine Geldbuße in Höhe von 10.000 Euro zahlen mussten, gegen die die Kollegen erfolglos klagten. Doch die fehlerhaften Abrechnungen seien nicht aus betrügerischer Absicht zustande gekommen. "Abrechnungsbestimmungen sind ein kompliziertes Geflecht, über das man schnell stolpern kann", sagt Krombholz. Aber das liege hinter ihm.

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