Wolf in Bayern:Zäunen, zäunen, zäunen

Wolf in Bayern: Der Wolf ist unter Schafhaltern gefürchtet - mit Elektrozäunen lassen sich die Herden allerdings wirksam vor dem Raubtier schützen.

Der Wolf ist unter Schafhaltern gefürchtet - mit Elektrozäunen lassen sich die Herden allerdings wirksam vor dem Raubtier schützen.

(Foto: imago/Panthermedia)

Zu Beginn der Weidesaison steigt bei den Haltern von Schafen und anderen Nutztieren die Furcht vor dem Wolf. Welche Schutzmaßnahmen Experten vorschlagen und warum auch Stromschläge dazu gehören.

Von Christian Sebald, Poing

Wenn demnächst die Weidesaison beginnt, wächst bei den Haltern von Schafen und Ziegen überall in Bayern die Furcht. Denn in den vergangenen Jahren hat die Zahl der Wölfe, die im Freistaat leben oder auch nur durch ihn hindurchziehen, deutlich zugenommen. Und mit der Zahl der Wölfe steigt das Risiko der blutigen Übergriffe auf Nutztiere auf den Weiden.

Christian Mendel kennt die Angst vor dem Wolf nur zu gut. Der 64-Jährige züchtet seltene Stein- und alpine Bergschafe, er hält im oberbayerischen Neubeuern eine kleine Herde von 30 Mutterschafen. Dieses Jahr geht Mendel deutlich ruhiger ins Frühjahr. "Ich hab' meine Weiden jetzt mit einem festen Zaun, Untergrabschutz und Übersprungschutz wolfssicher gemacht", sagt er. "Jetzt bin ich sehr viel entspannter."

Mendel ist nicht nur von Jugend an passionierter Schafhalter. Sondern außerdem Zuchtleiter und Herdenschutz-Spezialist der Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) in Freising bei München. Er und seine Kollegen haben sich in den vergangenen Jahren intensiv damit befasst, wie die Halter von Schafen und Ziegen, aber auch von Rindern, Gehegewild oder Pferden ihre Tiere am besten vor Wolfsangriffen schützen können.

Ihr Fazit: Zäunen, zäunen, zäunen - oder wie der Wolfsspezialist Christian Tausch vom Landesamt für Umwelt (LfU) sagt: "Die bisherigen Wolfsübergriffe hier bei uns in Bayern sind so gut wie alle auf ungeschützte und unzureichend geschützte Nutztiere passiert. Wenn die Halter dann einen entsprechend sicheren Zaun aufgestellt haben, war die Gefahr in aller Regel gebannt."

Wolf in Bayern: Der Schafzüchter und Spezialist für Herdenschutz, Christian Mendel.

Der Schafzüchter und Spezialist für Herdenschutz, Christian Mendel.

(Foto: LfL)

Es gibt inzwischen zig Varianten von wolfssicheren Zäunen. Eine Auswahl davon präsentiert die LfL jetzt auf einer Demonstrationsanlage in Poing bei München. Als Grundregel gilt: "Der Zaun muss mindestens 90 Zentimeter hoch sein", sagt Mendel, "besser noch 105." Und er muss Strom führen. Denn ein Stromschlag ist für einen Wolf so schmerzhaft, dass er das Gelände meidet, wo er einmal einen verpasst bekommen hat. "Deshalb hat ein wolfssicherer Zaun vier Litzen", sagt Mendel. "Die unterste darf höchstens 20 Zentimeter Abstand zum Boden aufweisen." Ein weiterer Punkt ist der sogenannte Untergrabschutz - im 90-Grad-Winkel geknickte Baustahlmatten beispielsweise, die an dem unteren Rand des Zauns befestigt werden und binnen kurzer Zeit in den Boden "einwachsen". "Sie habe sich sehr bewährt", sagt Mendel. "Denn in aller Regel springen Wölfe ja nicht über einen Zaun, sondern wühlen sich unter ihm hindurch."

Am gebräuchlichsten sind Elektronetze

Die gebräuchlichsten Schutzsysteme sind sogenannte Elektronetze, die schnell auf- und wieder abgebaut werden können. Aber auch feste Zäune sind in allen möglichen Varianten auf dem Markt, gleich ob mit Pfählen aus Holz oder Kunststoff, darunter bis zu 1,7 Meter hohe mit Litzen oben drauf, die in Steillagen die Wölfe davon abhalten, von oben herab in die Weide hineinzuspringen. Außerdem sind längst Systeme entwickelt worden, mit denen man einen Bach so überspannen kann, damit ein Wolf nicht durch ihn schwimmen und so auf die Weide gelangen kann. Auch Tore, durch die Wanderer und Mountainbiker, aber auch die Weidetiere selbst einen wolfssicheren Zaun mühelos passieren können, sind in allen möglichen Breiten erhältlich.

Wolf in Bayern: Ein wirksamer Schutzzaun sollte mindestens 90 Zentimeter hoch sein und vier Litzen haben.

Ein wirksamer Schutzzaun sollte mindestens 90 Zentimeter hoch sein und vier Litzen haben.

(Foto: Christian Mendel, LfL)

Und natürlich kann man Zäune nachrüsten, die bisher nicht wolfssicher waren. Ein Beispiel sind Freiflächen-Photovoltaikanlagen, in denen Schafe das Gras kurz halten, genauer gesagt, die Maschendrahtzäune, die sie umgeben. Bei ihnen reicht der Maschendraht nicht bis an den Boden. Der Grund: Hasen, Igel, Füchse und andere kleinere Wildtiere sollen jederzeit zwischen drinnen und draußen hin und her wechseln können. Das Problem ist nur: Der Abstand zwischen Boden und Maschendraht ist so groß, dass auch ein Wolf mühelos auf das Gelände gelangen kann. Und dann sind die Schafe in der Anlage dem Raubtier schutzlos ausgeliefert. Die Lösung sind eben jene geknickten Baustahlmatten, sie sind auch nachträglich montierbar. So verschieden die Schutzzäune sind, so unterschiedlich sind die Kosten. Mendel zufolge reichen sie je laufendem Meter bei einfachen Elektronetzen von zwei bis drei Euro und bei Festzäunen bis zu acht Euro.

Bayern hat ein üppiges Förderprogramm aufgelegt

Dem Freistaat ist inzwischen sehr an einem wirksamen Herdenschutz gelegen. "Ich sage ganz klar: Wenn Herdenschutz vernünftig und zumutbar möglich ist, soll er auch gemacht werden", erklärt Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU). Auch Umweltminister Thorsten Glauber (FW), betont: "Der Herdenschutz ist ein wichtiger Baustein in unserem Wolfsmanagement." Aus diesem Grund hat die Staatsregierung ein besonders üppiges Förderprogramm für Zäune aufgelegt. In Regionen, in denen Wölfe leben, übernimmt sie die Kosten dafür in der Regel komplett. Das dürfte einzigartig sein, für gewöhnlich müssen Landwirte bei Förderprogrammen einen Eigenbeitrag leisten. Das Zaunprogramm wird sehr gut angenommen. Demnächst dürfte die Zehn-Millionen-Euro-Grenze überschritten werden.

Wolf in Bayern: Auch Bäche und Gräben können mit einfachen Mitteln überspannt werden, damit Wölfe nicht durch sie hindurch auf eine Weide gelangen können.

Auch Bäche und Gräben können mit einfachen Mitteln überspannt werden, damit Wölfe nicht durch sie hindurch auf eine Weide gelangen können.

(Foto: Christian Mendel, LfL)

Gleichwohl gibt es auch Skepsis. Mancher Tierhalter stört sich an dem vergleichsweise hohen Aufwand für den Unterhalt so eines Zaunes. So muss das Gras unter der untersten Litze kurz gehalten werden, damit sie sicher unter Strom steht. Außerdem kann man nicht überall Zäune aufstellen. Auf den Almen in den bayerischen Alpen sind die Weiden oft sehr steil und unzugänglich - die allermeisten Almbauern halten es deshalb für schlicht unmöglich, ihre Schafe und Ziegen dort oben mit Zäunen wirksam vor Wolfsübergriffen zu schützen.

Sie fordern deshalb seit Jahren sogenannte wolfsfreie Zonen, in denen die Raubtiere abgeschossen werden dürfen, so wie sie sich Schafen oder anderen Nutztieren nähern. Solche wolfsfreien Zonen sind rechtlich aber nicht möglich. Denn der Wolf gehört zu den am strengsten geschützten Tieren. Das ist auch der Grund, warum die Forderungen der Staatsregierung bisher ins Leere laufen, dass es möglich sein muss, einen Wolf abzuschießen, wenn er einmal oder sogar wiederholt auf einer Weide Schafe oder andere Nutztiere angegriffen oder gar getötet hat.

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