Regensburg:Staatsanwaltschaft fordert lange Haft für Wolbergs

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Wolbergs habe sich vom Geld Tretzels abhängig gemacht, sagte Staatsanwältin Christine Ernstberger am Montag in ihrem Plädoyer. (Foto: Armin Weigel/dpa)
  • "In meinen Augen sind die verrückt", kommentierte Joachim Wolbergs das Plädoyer der Staatsanwältinnen Christine Ernstberger und Ingrid Wein.
  • Im Regensburger Korruptionsprozess hat die Staatsanwaltschaft am Montag eine Haftstrafe von vier Jahren und sechs Monaten für Regensburgs suspendierten Oberbürgermeister gefordert.
  • Sie wirft dem früheren SPD-Politiker Bestechlichkeit in zwei Fällen, Vorteilsnahme in elf Fällen sowie fünf Verstöße gegen das Parteiengesetz vor.

Aus dem Gericht von Andreas Glas, Regensburg

Im Regensburger Korruptionsprozess hat die Staatsanwaltschaft am Montag eine Haftstrafe von vier Jahren und sechs Monaten für Regensburgs suspendierten Oberbürgermeister Joachim Wolbergs gefordert. Sie beantragte, ihn wegen Bestechlichkeit in zwei Fällen, wegen Vorteilsannahme in elf Fällen und wegen fünf Verstößen gegen das Parteiengesetz zu verurteilen. Im Plädoyer der Anklagebehörde war die Rede von einer "hohen kriminellen Energie" und einer "korruptiven Dauerbeziehung zwischen den Angeklagten".

Für Bauunternehmer Volker Tretzel, der Wolbergs mit rund 475000 Euro geschmiert haben soll, forderte die Staatsanwaltschaft ebenfalls eine Haftstrafe von vier Jahren und sechs Monaten. Die Vorwürfe sind spiegelbildlich zu denen gegen OB Wolbergs: Bestechung, Vorteilsgewährung, Verstöße gegen das Parteiengesetz.

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"In meinen Augen sind die verrückt", kommentierte Wolbergs das Plädoyer der Staatsanwältinnen Christine Ernstberger und Ingrid Wein, die den OB darin als "begnadeten Redner" bezeichnet hatten, der "im Brustton der Überzeugung" seine Unschuld betone. In den gut sieben Monaten, die der Prozess inzwischen dauert, habe sie jedoch "den Eindruck gewonnen, dass der Angeklagte in seiner eigenen Welt lebt", sagte Ernstberger. Für Wolbergs dagegen steht fest: "Wenn jemand in seiner eigenen Welt lebt, dann ist es die Staatsanwaltschaft". In ihren Plädoyers hatten sich die Anklägerinnen auch zu abgehörten Telefonaten geäußert, in denen sich die Angeklagten gegenseitig versicherten, nichts Illegales getan zu haben. "Was diese Gespräche nur zeigen, ist das völlig fehlende Unrechtsbewusstsein", sagte Staatsanwältin Wein. Auch diesen Satz konterte der suspendierte OB. Er finde ja eher, "dass die Staatsanwaltschaft kein Rechtsbewusstsein hat", sagte Wolbergs.

Wie in den bisherigen gut sieben Monaten des Prozesses rückte auch das Plädoyer der Staatsanwaltschaft die Spenden in den Mittelpunkt, die zwischen den Jahren 2011 und 2016 aus dem Tretzel-Umfeld auf das Konto des von Wolbergs geführten SPD-Ortsvereins flossen: insgesamt rund 475000 Euro. Dass Tretzel aus Sympathie für Wolbergs oder dessen ganz allgemeiner politischen Ausrichtung gespendet haben könnte, sei angesichts der hohen Summen "völlig lebensfremd", sagte Staatsanwältin Wein. OB Wolbergs wiederum habe sich vom Geld des Bauunternehmers "abhängig gemacht, so dass er ihn durch gewogene Entscheidungen bei Laune halten musste", sagte Staatsanwältin Ernstberger im Plädoyer.

Dass Tretzel im OB-Wahlkampf 2014 nicht nur an SPD-Kandidat Wolbergs spendete, sondern auch an dessen CSU-Konkurrenten, offenbare den "Plan" des Unternehmers: "Es ist wie bei einer Pferdewette. Ich setze auf alle Pferde. Eines der Pferde wird dann schon als erstes über die Ziellinie gehen", sagte Staatsanwältin Wein, die am Montag mehrfach aus der Korruptionsbekämpfungsrichtlinie der Stadt Regensburg zitierte, "unterschrieben von Oberbürgermeister Joachim Wolbergs", wie sie betonte. Sie zitierte: "Korruption ist kein Kavaliersdelikt. Korruption untergräbt bei den Bürgerinnen und Bürgern das Vertrauen." Dann sagte Wein: "Und genau das ist hier geschehen."

Sie zählte noch einmal alle Vorteile auf, die Wolbergs aus Sicht der Staatsanwaltschaft in Anspruch genommen hat: die Parteispenden in sechsstelliger Höhe, die mutmaßlichen Rabatte für private Renovierungen und die Wohnungen, die Mutter und Schwiegermutter des OB bei Tretzels Firma kauften. "Wie kann er das für in Ordnung halten, wenn der Müllmann keine fünf Euro nehmen darf?", fragte Wein mit Blick auf den OB und zitierte erneut aus der Korruptionsrichtlinie der Stadt. Nun, nach der Beweisaufnahme, habe sie den Eindruck, dass Wolbergs sich vor allem dann "an Regeln hält, wenn sie ihm gerade passend erscheinen". In der Öffentlichkeit, etwa im Bierzelt, da habe er üppiges Trinkgeld gegeben, weil er sich schwer getan habe, das Freibier anzunehmen, ohne wenigstens die Bedienung zu bezahlen. Doch "in dem Moment, wo man das Ganze verborgen weiß, bei Freunden", da sei das offensichtlich anders gewesen.

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Von Andreas Glas

Im Prozess seien viele Indizien verhandelt worden, die gegen Wolbergs sprächen, sagte Staatsanwältin Wein, darunter belastende E-Mails, die der OB nicht gelesen haben will. "Er hat nichts gelesen, nicht zugehört, nichts gewusst, sich nicht gekümmert." Die Aussage, dass er seine E-Mails nicht lese, sei "realitätsfern", das habe auch Wolbergs' Verhalten während der Gerichtsverhandlung gezeigt: "Er ist ständig am Handy und liest E-Mails", sagte Wein.

Inhaltlich rückten die Staatsanwältinnen kaum von den Vorwürfen ab, die sie zu Beginn des Prozesses erhoben hatten. Unter anderem halten sie es für erwiesen, dass der OB sich im Gegenzug für Tretzels Spenden dafür einsetzte, dass die Stadt seiner Firma ein lukratives Baugrundstück verkaufte. Auch für die zwei Männer, die Wolbergs und Tretzel als Handlanger gedient haben sollen, forderte die Staatsanwaltschaft am Montag Strafen. Unter anderem wegen Beihilfe zu Bestechung und Vorteilsgewährung soll ein Ex-Geschäftsführer der Firma Tretzel für drei Jahre in Haft. Wegen Beihilfe zur Vorteilsannahme lautet die Forderung für Norbert Hartl, Ex-Fraktionschef der Rathaus-SPD: sechs Monate auf Bewährung.

© SZ vom 07.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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