Wohlfahrtsverband:Zweite Karriere statt Ruhestand

Wohlfahrtsverband: Kathrin Sonnenholzner, 64, saß 15 Jahre für die SPD im Landtag und erwarb sich in der Gesundheitspolitik überparteiliche Anerkennung. Nun geht sie eine neue Aufgabe an.

Kathrin Sonnenholzner, 64, saß 15 Jahre für die SPD im Landtag und erwarb sich in der Gesundheitspolitik überparteiliche Anerkennung. Nun geht sie eine neue Aufgabe an.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Die frühere SPD-Abgeordnete Kathrin Sonnenholzner ist in einer Doppelspitze neue Präsidentin der Arbeiterwohlfahrt

Von Dietrich Mittler

Nach rund 15 Jahren harter Arbeit im Landtag als gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion - seit 2013 zudem als Vorsitzende des Gesundheitsausschusses - ist das eine berechtigte Frage: Warum tut man sich das mit 64 Jahren noch an? Kathrin Sonnenholzner vertritt seit wenigen Tagen als neue Präsidentin in einer Doppelspitze die Arbeiterwohlfahrt (AWO) auf Bundesebene. Weil auch sie sich diese Frage gestellt hat, kommt ihre Antwort ohne langes Nachdenken. Es gebe Angebote, die könne sie nicht ablehnen. "Eine mehr als 100-jährige Wohlfahrtsorganisation in der Spitze zu vertreten, das ist schon eine große Ehre", sagt sie, "und ein großer Vertrauensbeweis, wenn man dafür vorgeschlagen wird."

Am Montag zumindest galt: Berlin kann warten. Bedingt durch Corona läuft die Kommunikation mit der AWO-Zentrale in der Bundeshauptstadt bislang überwiegend online, und zum Wochenbeginn hatte Sonnenholzner sowieso schon etwas vor. Bayern ruft: Sitzung des Landesgesundheitsrats (LGR). Den leitet die approbierte Ärztin und Mutter dreier Kinder, seitdem Klaus Holetschek (CSU) Anfang des Jahres als Bayerns neuer Gesundheitsminister die Leitung des Ratsgremiums abgeben musste. Kernaufgabe des Gesundheitsrats ist, den Landtag und die Staatsregierung "in allen Fragen des Gesundheits- und Pflegewesens" zu beraten. Und ein Minister kann sich ja schlecht selbst beraten.

Auf der Homepage des Gesundheitsministeriums wird der LGR als "hochkarätiges" Gremium charakterisiert. Selbst in der CSU ist es unumstritten, dass die gebürtige Münchnerin genau die Richtige ist, ein solches Gremium zu leiten. "Ich habe sie als sehr kundige und faire Gesundheitsexpertin erlebt, bei der nie die Parteipolitik ihr Denken diktiert hat", sagt Bernhard Seidenath, Sonnenholzners Nachfolger als Vorsitzender des Gesundheitsausschusses im Landtag. Es fallen auch noch Begriffe wie "wohltuend objektive Herangehensweise an die Themen", und am Rande erzählt Seidenath diese Anekdote: "Ich habe ihr gesagt, solange sie im Landesgesundheitsrat nicht in den unversöhnlichen Modus verfällt, der SPD-Fraktionschef Florian von Brunn zu eigen ist, ist alles gut. Sie hat mir versprochen, es nicht zu tun."

Gleichwohl, Sonnenholzner hat sich einen Ruf als Kämpferin erworben - so etwa für die Belange des Vereins "Frauen helfen Frauen" und der Vereinigung "Gegen Vergessen - Für Demokratie". Zudem als frühere Gemeinde- und Kreisrätin im Kreis Fürstenfeldbruck. Und natürlich von 2003 bis 2018 im Landtag: Ihr Augenrollen bei Redebeiträgen, die sie als fachlich wenig fundiert einschätzte, ist legendär. Sie selbst spricht von einer "ausreichenden Konfliktbereitschaft", aber auch von "einer gewissen Fähigkeit, ausgleichend zu einem Konsens zu kommen".

Das Präsidiumsamt im AWO-Bundesverband wird neue Kämpfe mit sich bringen. Einige Konfliktfelder hat Sonnenholzner bereits im Blick. Es gelte, im Bund "den Sozialabbau zur Haushaltskonsolidierung zu verhindern", sagt sie, "und die Auswirkungen der Pandemie abzumildern". Hinzu kämen die Themen Digitalisierung, Klimaschutz, Nachhaltigkeit - und natürlich die Förderung der AWO-Gliederungen und der sozialen Einrichtungen.

"Da gibt es jede Menge Geschichten", sagt Sonnenholzner. Geschichten, die sie nicht alleine bewältigen muss - dank Michael Groß (SPD), dessen Bundestagskarriere sich dem Ende zuneigt. Mit ihm teilt sie sich das Präsidentenamt. "Bislang noch eine Internetbekanntschaft. Live haben wir uns nur zweimal gesehen, aber wir kommen gut miteinander klar", so ihre Worte. Sie freue sich auf die neuen Herausforderungen. Noch muss Berlin warten - aber nicht mehr lange.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: