Wohin mit den Asylbewerbern?:Bedingt aufnahmebereit

Die steigende Zahl an Asylbewerbern stellt die Landkreise rund um München vor Probleme. Aufnahmeeinrichtungen sind überfüllt, neue Unterkünfte für die Menschen fehlen. Und manche Einheimische zeigen sich offen feindselig.

Stefan Mühleisen und Kassian Stroh

Eine ganze Weile schaut die Landrätin mit versteinerter Miene zu, wie die Runde ihre Bitte ignoriert. Geduldig hört sie sich die vielen Argumente an, warum es in Brunnthal keinen Platz für 34 Flüchtlinge geben soll. Unbewegt verfolgt Johanna Rumschöttel die wortreiche Ablehnung, die ihr hier in der kleinen Umlandgemeinde, in diesem stickigen, voll besetzten Saal entgegenschlägt.

Wohin mit den Asylbewerbern?: EIn Ayslbewerber-Heim in Dachau: In Oberbayern tun sich die Verantwortlichen schwer neuen Platz für die steigende Anzahl an Asylbewerbern zu finden.

EIn Ayslbewerber-Heim in Dachau: In Oberbayern tun sich die Verantwortlichen schwer neuen Platz für die steigende Anzahl an Asylbewerbern zu finden.

(Foto: Niels P. Joergensen)

Dann platzt ihr der Kragen, sie wird sarkastisch. Mit eiskalter Stimme sagt Rumschöttel in die aufgeheizte Stimmung hinein: "In eine feindselige Umgebung möchte ich keine Flüchtlinge schicken. Es muss für die Bürger in Ordnung sein, denn Feindseligkeiten haben diese Menschen schon genug erlebt."

So war das am vergangenen Mittwochabend. Da drängten sich gut 400 Bürger im Brunnthaler Vereinsheim, um einer wohl einzigartigen Veranstaltung beizuwohnen: Landrätin Johanna Rumschöttel (SPD) nimmt mit einem Tross an Mitarbeitern an der Sitzung des örtlichen Gemeinderates teil, um eine drängende Bitte vorzutragen.

Es ist ein Verzweiflungsakt. Händeringend sucht das Landratsamt seit Monaten nach Quartieren für Asylbewerber, hier in Brunnthal möchte es 34 von ihnen im leer stehenden Gasthof Lutterschmid gegenüber vom Rathaus einquartieren. Doch die Brunnthaler lassen Rumschöttel völlig auflaufen. Die Sitzung wird sie am Ende mit leeren Händen verlassen.

Sie ist in ihrer Not nicht alleine. Die Regierung von Oberbayern fahndet überall nach Immobilien, die sich als Flüchtlingsheime eignen. Sie findet nur keine. Also weist sie den Kreisen Kontingente zu und die Landräte müssen sogenannte dezentrale Unterkünfte suchen. Das erweist sich als höchst schwierig. Zum einen weil in der Zuzugsregion München leer stehende Häuser Seltenheitswert besitzen. Zum anderen weil sich vor Ort schnell Widerstand regt, wenn Pläne für eine Unterkunft ruchbar werden.

In Mammendorf zum Beispiel, wo der Landrat von Fürstenfeldbruck, der für 120 Menschen Platz suchen muss, ebenso auf Granit biss wie mit seiner Idee, sie auf dem Brucker Fliegerhorst einzuquartieren. Oder in Au in der Hallertau, wo eine Bürgerinitiative eine neue Unterkunft in einem alten Supermarkt verhinderte. Oder in Schongau, wo der Volkszorn hochkocht ob der Pläne, im alten Forstamt drei Dutzend Asylbewerber unterzubringen. Oder eben in Brunnthal.

Dort hat Bürgermeister Stefan Kern (CSU) den Plan ausgeheckt, das seit langem leer stehende Wirtshaus mit angeschlossenem Hotel wieder zum "zentralen Lebensmittelpunkt" des Ortes zu machen. Einen entsprechenden Beschluss, der die Nutzung als Gasthof auf dem Areal im Bebauungsplan festschreibt, hatte er just auf die Tagesordnung des Gemeinderats gesetzt, als die Landrätin zu Besuch war; ähnlich waren die Auer vorgegangen, die für die Entwicklung ihrer Ortsmitte eine Veränderungssperre erließen, die auch die Umnutzung des alten Supermarkts verhinderte.

In Brunnthal hatte der Chef der Jungen Union, Daniel Brenner, seine Abneigung zuvor etwas weniger subtil geäußert: In einem Flugblatt, das an Hunderte Haushalte ging, warnte er wörtlich: "Grundstückspreise verlieren auf einen Schlag an Wert!" Auch würden sich "50 Menschen auf kleinem Raum, unterschiedlicher Nationalität (...) in unserer Kriminalitätsstatistik bemerkbar machen".

Auch die Regierung trickst

Die Stimmung ist aufgeheizt, wohl auch deshalb halten sich viele Kommunen zurück, mögliche Quartiere zu melden; entsprechende Bittbriefe und Appelle der Landräte verhallen ungehört. Im Kreis München etwa meldete sich von den 29 Kommunen allein Unterföhring und bot zwei Wohnungen an.

Unter- und Oberschleißheim offerierten Grundstücke, die aber wohl für eine kurzfristige Lösung nicht geeignet sind. Landrätin Rumschöttel erhöhte daraufhin den Druck: Notfalls, so drohte sie, müsse eine Schulturnhalle als Herberge akquiriert werden.

Auf diese Idee waren sie im März auch in Ebersberg gekommen. Dort sollten in der Turnhalle der örtlichen Realschule schon erste Feldbetten aufgestellt werden; das aber verhinderte die Regierung von Oberbayern, die von einem solchen "absoluten Katastrophenszenario" nichts wissen wollte und dem Landkreis lieber Aufschub gewährte. Inzwischen aber würde sie nach eigenem Bekunden Turnhallen "im äußersten Notfall" akzeptieren.

"Es ist in ganz Oberbayern schwierig", sagt Heinrich Schuster, Pressesprecher der Bezirksregierung, "weil es auch viele Vorbehalte bei Politikern oder in der Nachbarschaft gibt." Doch eines sei klar: "Wir müssen diese Aufgabe wahrnehmen und wir werden sie wahrnehmen."

Der leicht drohende Unterton ist nicht zu überhören. Zugleich wirbt Schuster um Hilfe: Ob in Mühldorf, Freilassing oder Garmisch-Partenkirchen - wo immer zuletzt größere Flüchtlingsunterkünfte entstanden seien, hätten sich alle örtlichen Befürchtungen im Vorfeld in Wohlgefallen aufgelöst.

Und dass hier eine unvorhersehbare Entwicklung die Kommunen überrollt und überfordert, davon kann nicht die Rede sein. Der Anstieg der Asylbewerberzahlen war seit langem prognostiziert, immer wieder wies die Regierung die Landratsämter darauf hin, dass sie Quartiere finden müssten. Doch nichts tat sich - und nun ist die Not umso größer.

Der Landkreis München muss bis zum morgigen Donnerstag Unterkunftsmöglichkeiten für insgesamt 147 Menschen melden. Fieberhaft prüfen Rumschöttels Mitarbeiter einzelne Angebote von Privatleuten. Für immerhin 20 Flüchtlinge haben sie ein Obdach gefunden: Die Pfarrgemeinde in Putzbrunn will einen Teil aufnehmen, der Rest soll in der Oberschleißheimer Jugendbegegnungsstätte unterkommen.

Und die Regierung selbst bringt Asylbewerber sogar schon aus Bayern heraus, juristisch gesehen zumindest. Am Münchner Flughafen gibt es eine Spezialunterkunft für dort gelandete Flüchtlinge, deren Anliegen im Schnelldurchlauf geprüft werden. Damit sie dafür nicht deutschen Boden betreten, was ihnen mehr Rechte gäbe, ist die Unterkunft als extraterritorialer Transitbereich ausgewiesen, formal also nicht Deutschland. Derzeit leben dort etwa 30 normale Asylbewerber. Ist in Oberbayern kein Platz, bleibt nur noch das Niemandsland.

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