Süddeutsche Zeitung

Wochenmarkt:"Schöner als der Viktualienmarkt"

Die Fürther können ihr Gemüse künftig an portablen Buden kaufen - nach jahrelanger Planung klingt der OB beinahe stolz

Von Olaf Przybilla, Fürth

Das Talent zum Größenwahn wird dem Franken in etwa so häufig nachgesagt wie dem Oberbayern die Neigung zur raumgreifenden Demutsgebärde. Aber es gibt ja immer Ausnahmen. Die These des Fürther Oberbürgermeisters Thomas Jung etwa, der zufolge der neue Wochenmarkt der Stadt "schöner als der Viktualienmarkt" geworden sein soll, darf als solche gelten. Andererseits muss man den ersten Bürger der Stadt Fürth mal erlebt haben, wenn er solche Sachen sagt. Würden Sprachwissenschaftler die Reden des OB unter die Lupe nehmen, sie kämen wohl zum Ergebnis, der Sprecher könne selbst nicht exakt fixieren, an welcher Stelle seine Sätze übergangslos vom Ernst in die Ironie abbiegen. Jung ist übrigens enorm erfolgreich mit der Methode. Wahlergebnisse wie die des Sozialdemokraten hat kein anderer Großstadt-OB in Bayern vorzuweisen.

Würde man nun versuchen, dieses "schöner als der Viktualienmarkt" zu übersetzen, so käme man in etwa zur Aussage: Sauschön ist unser neuer Markt geworden, es steckt aber auch eine verflixt zeitaufwendige Planung dahinter, wir waren sogar kurz davor, von diesem Ding für immer die Finger zu lassen und sind nun einigermaßen stolz, es doch durchgezogen zu haben. Weil aber Fürther mit überbordendem Stadtstolz immer schon grundsätzliche Probleme haben, setzen sie lieber eine Pointe. Schöner als der Viktualienmarkt? Wird schon keiner für voll nehmen.

Tatsächlich haben die Fürther 20 Jahre an ihrem Plan gewerkelt. Auf halber Strecke fragte der OB seinen Wirtschaftsreferenten Horst Müller (CSU) gelegentlich, ob man die Sache nicht einfach lautlos beerdigen sollte. Mit Blick auf den aktuellen Markttorso am Hauptbahnhof, der phänotypisch eher einer aufgehübschten Kompostanlage ähnelt, wird man den beiden gratulieren dürfen, dies nicht getan zu haben. Warum so ein Markt so komplex sein soll? Weil die Fürther den Markt an ihrer Freiheit wissen wollten (auch die gibt's nicht nur in München), wo aber Ende September das Volksfest stattfindet, die Färdder Kärwa, die sich nicht nur größte Straßenkirchweih Deutschlands rühmen darf, sondern auch alte Rechte innehat; und weil die Fürther ihren Marktleuten ein Schicksal wie das der Kollegen in Nürnberg ersparen wollten, wo der Markt mitunter einer Wanderdüne ähnelt: Ist dort wieder mal ein sogenanntes Event geplant, Volleyballmeisterschaften oder Freifallfahrten mit dem Radl von der Kaiserburg, dann wird der Markt mit Sand zugeschüttet - und die Marktleute müssen weichen. In Fürth wollen und können sie solche Vertreibungen künftig auf vier Wochen im Jahr beschränken, eben jene während der Kärwa.

Ersonnen haben sie sich dafür Holz- und Glaskuben, die zwar fixiert sind, die aber mithilfe von Mobilkran und Tieflader innerhalb von höchstens drei Tagen fortgeschafft werden können. Angeschlossen an Strom, Wasser, Abwasser sind all die portablen Buden, für die Gastrocontainer wurden zusätzlich Fettabscheider metertief im Boden versenkt, um allen Vorschriften Folge zu leisten. "Diese Vorschriften", sagt Referent Müller mit deutlich erkennbarem Erregungsgrad, "die möchten Sie echt nicht kennen." Hätte er zuvor davon gewusst - "niemals hätte ich mich da ran gewagt". Zwei Millionen Euro wird die Stadt am Ende für ihren neuen Markt aufbringen müssen. Dafür, da ist sich Müller nach Besuch allerlei Märkte in Deutschland sicher, "ist unser Markt jetzt einzigartig".

Am Samstag wird er eröffnet. An sechs Tagen der Woche gibt es an der Fürther Freiheit künftig Obst, Gemüse, Tee und Oliven, mitunter auch sizilianische Feinkost und fränkische Forellen. Die Reaktionen bislang? Sind gespalten, freilich mit einem in Franken nicht zwingend erwartbaren Stich ins Positive. Die einen bemäkeln Gleichförmigkeit und technische Kälte des neuen Marktes, andere finden ihn elegant, modern, praktisch. Das Wichtigste aber: besser als in Nürnberg.

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SZ vom 17.05.2019
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