Wirtschaftsminister Zeil:Der Unsichtbare

Die Wirtschaft ist im Aufschwung, für den zuständigen Minister aber geht es bergab: Kaum ein anderes Land ist so gut aus der Krise gekommen wie Bayern. Nur Martin Zeil profitiert davon nicht.

Mike Szymanski

Der Wirtschaftsminister kommt zu spät zur Wintersportmesse. Der Schnee ist schon geschmolzen. Ein kleiner Haufen taut noch vor der Münchner Messe. In den Hallen geht nach vier Tagen und 80.000 Fachbesuchern die Ispo zu Ende. Jetzt kommt noch Martin Zeil. Der FDP-Politiker betritt mit seinen Aktenträgern wie ein Eroberer die Halle. Wenn der Minister kommt, soll sich alles nach ihm richten. Zum Glück gibt es drinnen Kunstschnee.

Landesparteitag der bayerischen FDP

Bayerns Wirtschaftsminister Martin Zeil: Er muss kämpfen, um nicht unsichtbar zu sein.

(Foto: ddp)

So ist Martin Zeil, 54. Er hebt das Kinn, um sich einen Überblick zu verschaffen. Er blickt nach rechts, er blickt nach links. Und nimmt dann Geschwindigkeit raus. "Jetzt könnten wir ja erstmal einen Cappuccino trinken", sagt er. Wenn Zeil kommt, drängt niemand an ihn heran. Damit kann er ganz gut leben. Aber oft interessiert er auch niemanden. Zeil muss schon sein eigenes Kamerateam zur Ispo mitbringen, damit er schöne Bilder von seinem Rundgang hat. Er muss kämpfen, um nicht unsichtbar zu sein. Das ist sein Problem.

Wirtschaft im Aufschwung, der Minister im Abschwung

Als das BR-Politmagazin Kontrovers im Januar unter Bayerns Bevölkerung fragte, wie sich die schwarz-gelbe Staatsregierung macht, gab die Hälfte der Befragten an, Zeil nicht zu kennen. Im Vergleich zum Vorjahr wurde seine Arbeit sogar schlechter bewertet. Nur noch vier Prozent trauten seiner FDP zu, den Wirtschaftsstandort Bayern zu sichern. Die Wirtschaft ist im Aufschwung, der zuständige Minister im Abschwung. Das ist schon beinahe ein Kunststück.

Fachlich kann man Zeil kaum Fehler vorwerfen. Die Wirtschaft läuft. Und überall, wo er auf der Ispo ins Gespräch kommt, sind die Manager - ob von Bogner, Ziener oder Schöffel - hinterher ganz angetan. Seine zurückhaltende Art kommt an. "Das ist einer, der hinhört und nicht nur sendet", sagt Unternehmer Peter Schöffel. "Ich würde ihm gerne meine Firma zeigen."

Woran liegt es dann? Zeil selbst beschäftigt diese Frage. Zweieinhalb Jahre ist er jetzt im Amt. Er hat die Wirtschaft durch die Krise begleitet. Er hat Rettungsschirme aufgespannt und Förderbescheide persönlich vorbeigebracht. Trotzdem sagen sieben von zehn Bayern: Die CSU kann das besser.

Vor einem halben Jahr hat sich der FDP-Politiker neue Berater ins Haus geholt. Für 382.000 Euro im Jahr hat er im Wirtschaftsministerium einen Planungsstab aufgebaut. Zwei Journalisten vom Burda-Magazin Focus hat Zeil eingekauft: Michael Hilbig, 47, machte er zu seinem neuen Chef-Berater, Bettina Bäumlisberger holte er sich für die Pressearbeit. Jetzt arbeiten sie daran, Zeil rundum zu erneuern.

Das Ergebnis des Minister-Tunings kann man seit einigen Wochen studieren. Zeil läuft seither im hohen, wenn nicht gar roten Drehzahlbereich.

Am Vorabend der Regierungserklärung von Ministerpräsident Horst Seehofer zum milliardenschweren Investitionsprogramm "Aufbruch Bayern" hat Zeil Journalisten zum Eisstockschießen an den Nymphenburger Kanal in München eingeladen. Beim Abendessen danach dreht er auf. Wenn Seehofer am nächsten Tag das "Zukunftsland" Bayern beschwört, sagt er, dann werde er vor dem Plenum vom "Premiumland" sprechen. Je später der Abend wird, desto freimütiger plaudert Zeil. Er sagt, dass die Landtagswahl in Baden-Württemberg für Schwarz-Gelb schon deshalb nicht verloren gehen könne, weil er gerade erst in Stuttgart zu Gast war. Es klingt nicht ironisch. Seine Sprecherin bremst ihn nicht. Auch dann nicht, als er zum Abschied mit Verweis auf seine Rede im Landtag sagt, man werde eine "historische Stunde" erleben.

Die Gemütlichkeit in Person

Historisch ist dieser Moment im Landtag tags drauf zwar nicht, aber denkwürdig. Die Abgeordneten bekommen zwei Regierungserklärungen zu hören, erst eine von Seehofer, dann eine von Zeil. Zeil nennt Bayern ein "Premium-" und ein "Wohlfühlland". Seehofer verdreht danach nur die Augen und sagt: "Das sind wieder solche Worte. . ."

Langjährige Begleiter erkennen Zeil nicht wieder. Einer sagt: "Aus dem Zeil macht man doch keinen Volldynamiker." Mit seinem weißgrauen Haar und dem Schnauzer ist er die Gemütlichkeit in Person. Zeil lässt sich auch beim Reden Zeit. Seine Berater aber wollen ihn verändern - mit der Brechstange. Dabei ist schon viel zu Bruch gegangen ist.

Beim Rundgang auf der Messe wimmeln seine Mitarbeiter einen Mann ab, der Zeil seine Meinung zur geplanten zweiten S-Bahn-Röhre in München sagen will. Zeit wäre dafür, aber die Pressefrau blockt ab: "Er hat ja alle Argumente schon gehört." Der Mann zieht ab, und gleich darauf hört man ihn tuscheln: "Immer das Gleiche, für den kleinen Mann haben die Politiker keine Zeit." Davon bekommt Zeil nichts mit. Er spricht ja gerade mit den Managern.

Zeil betont seine Bedeutung. Er hat seinen Ministerkollegen kürzlich einen Brief geschrieben, will ihnen verbieten, bei Reisen ins Ausland Unternehmer mitzunehmen. "Das ist grundsätzlich dem Wirtschaftsministerium vorbehalten", schreibt Zeil. Nur Seehofer dürfe dies ohne seine Genehmigung tun. Immerhin. Die Ministerkollegen grinsen. Auf der anderen Seite schaffen es Zeils Berater, ihn wie gerade jetzt für eine Woche auf Auslandsreise nach Indien zu schicken, ohne auch nur einen einzigen Journalisten dafür zu interessieren.

Getrübte Stimmung im Ministerium

In seinem Ministerium ist die Stimmung getrübt. Dort hat man sich immer viel auf die eigene Kompetenz eingebildet. Zeil, der erste Liberale auf diesem Posten seit 1957, hatte 2008 die Sympathien auf seiner Seite, gerade weil er nicht alle Mitarbeiter in zentralen Positionen durch treue Gefolgsleute austauschte. Zeil kam mit ein paar Koffern und viel Vertrauen. Das scheint nun in kürzester Zeit aufgebraucht zu sein.

Im Januar bat Strategiechef Hilbig die Mitarbeiter zum Gespräch. Als teambildende Maßnahme haben viele Beamte das Treffen nach übereinstimmender Auskunft nicht in Erinnerung behalten. Hilbig sagte demnach, es sei erfreulich, dass Bayern wirtschaftlich gut dastehe.

Dumm sei nur, dass sein Minister davon nichts habe. 80 Leute waren im Raum. Sie fühlten sich angesprochen. Gab er ihnen die Schuld? Das Ministerium müsse besser werden, soll er gesagt haben. Einer, der ein gutes Gefühl für das innere Gefüge hat, sagt: "Hilbig bringt das Haus gegen Zeil auf." Die Pressestelle bestätigt, dass es das Treffen gab, mehr will man nicht dazu sagen.

Von all dem Ärger bekommt Zeil wenig mit. Er ist ja ständig damit beschäftigt, draußen gut anzukommen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: