Wirtschaft:Trommelfeuer vom lieben Hubert

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Erstmals tritt Hubert Aiwanger bei mächtigsten Lobbyverband Bayerns auf - und spricht schneller als sein Schatten

Von Maximilian Gerl, München

Einige Zuschauer müssen wegen Überfüllung in einen Nebenraum weichen. Vorn im Saal die Bühne, links, rechts, hinten Kameras, oben Scheinwerfer. Der Rahmen hat bei der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (VBW) Popstar-Qualitäten. Es kommt Hubert Aiwanger. Ihn flankieren die Gastgeber, Geschäftsführer Bertram Brossardt und Präsident Alfred Gaffal. Seit zwei Monaten ist Aiwanger stellvertretender Ministerpräsident und Wirtschaftsminister, das Trio hatte also noch nicht viel Zeit, um sich kennenzulernen; trotzdem sind sie schon beim "lieben Hubert", "lieben Bertram", "lieben Alfred" angekommen.

Am Montagabend tritt Aiwanger erstmals in seiner neuen Doppelrolle beim mächtigsten Wirtschaftsverband des Landes auf, in der Zentrale an der Münchner Max-Joseph-Straße zum "Wirtschaftsgespräch". Bei diesem Format stellen wechselnde Gäste ihre Ideen vor. Doch diesmal ist alles ein bisschen speziell. Anders als die Wirtschaftsminister zuvor ist Aiwanger von den Freien Wählern und nicht von der CSU oder FDP. Und er ist der Öffentlichkeit bislang weniger als Industriepolitiker, sondern mehr als Mann der Regionen bekannt. So gesehen hat sein Auftritt den Charakter einer Antrittsrede.

Aiwanger scheint gewillt, etwaige Zweifel zu zerstreuen; zumindest lässt sein Redetempo wenig Zeit zum Atmen. Thematisch ist dabei, was Firmenlenker dieser Tage umtreibt: der Brexit zum Beispiel, aber auch Steuern, Strompreise, Breitband. Generell will Aiwanger "dranbleiben", "den Laden zusammenhalten", wo andere "den Schuss noch nicht gehört" haben. Er stellt sich als Moderator vor, der Kompromisse suchen wolle. Als Wirtschaftsminister sei er ja nicht plötzlich qua Amt der Schlauste, gibt er zu verstehen, im Gegenteil: "Man muss nicht lesen können. Man muss nur jemanden kennen, der es kann." Die Unternehmer im Saal dürften ihn daher gern mit Ideen bombardieren. Er werde mit Programmen zurückschießen.

Aiwanger hält das Tempo. "Einen Satz" will er noch zur Automobilindustrie sagen, es werden ein paar mehr. Zum Beispiel, dass ihn die Debatte um den deutschen Diesel an die Hexenverbrennungen von früher erinnere. Da habe man die vermeintliche Hexe ins Wasser geschmissen. Schwamm die Frau oben, war sie eine Hexe, "wenn sie untergetaucht ist, war sie keine, aber trotzdem tot". Solche Sätze kommen an im Saal. Das Thema Flächenfraß - dass "mit jedem Hektar Land sorgfältig" umgegangen werden müsse - streift Aiwanger kurz, da ist die versammelte Unternehmerschaft bereits seinem verbalen Trommelfeuer erlegen. Ihr bietet Aiwanger schließlich "enge Zusammenarbeit" an. Mit Alfred und Bertram laufe die gut, aber so viele kenne er ja noch nicht, "wenn das so weitergeht, wird mir fast schwindelig".

Zeit zum Durchschnaufen. VBW-Präsident Gaffal zeigt sich vom Staccato angetan: Wenn der "liebe Hubert" die eben an den Tag gelegte Dynamik beibehalte, "haben wir in zwei Jahren keine Probleme mehr". In der Fragerunde kristallisiert sich wenigstens eine Unstimmigkeit heraus. Aiwanger ist weiter gegen eine dritte Startbahn am Münchner Flughafen, die VBW dafür. "Da werden wir noch nicht zusammenfinden", sagt Aiwanger, "sonst könnten wir die Verbrüderung schon einleiten".

© SZ vom 23.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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