Wirtschaft:Netzwerker qua Amt

Führungswechsel bei bayerischen Arbeitgeberverbänden

Der Präsident und sein Nachfolger: Alfred Gaffal (li.) räumt den Platz des Cheflobbyisten der bayerischen Wirtschaft für Wolfram Hatz.

(Foto: Angelika Warmuth/dpa)

VBW-Präsident Alfred Gaffal geht in den Ruhestand, ihm folgt Wolfram Hatz. Der verwahrt sich gegen "linke Hirngespinste"

Von Maximilian Gerl

Für den Moment des Abends sorgt ein Herr, der abwesend ist. Auf der Videoleinwand erscheint Horst Seehofer für ein Grußwort. "An und für sich gehört der Wechsel zum Leben", sagt der Mann, den seine CSU zum Wechseln zwingen musste. Der Saal gluckst. Markus Söder sitzt in der ersten Reihe; als er sich kurz umdreht, wirkt er angemessen amüsiert. Das kann er auch, er darf er an diesem Mittwochabend bleiben. Gewechselt wird anderswo. Alfred Gaffal, Präsident der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (VBW), verabschiedet sich nach sechs Jahren von der öffentlichen Bühne. Der 71-Jährige übergibt an Wolfram Hatz.

Gaffal geht als so etwas wie Bayerns oberster Cheflobbyist in den Ruhestand. Entsprechend gefüllt sind die Ränge im Hotel Bayerischer Hof. Etwa 900 Gäste sind erschienen, Unternehmer, aktive oder ehemalige Politiker sowie der Abt von Metten - Hatz besuchte einst seine Klosterschule. Was die meisten Anwesenden eint: dass sie im Netzwerken qua Position recht bewandert sind. Wenn auch nicht alle unbedingt so, wie es Gaffal zuletzt war. Ein VBW-Präsident gilt als "Gesicht und Stimme der bayerischen Wirtschaft", eine schöne PR-Formulierung mit einem wahren Kern. Der Arm des Verbands reicht manchmal weit. Wie oft habe man über Gaffal, über Bayern, "über Bande" auf die Berliner Gesetzgebung eingewirkt, sagt Ingo Kramer, Chef der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. Seehofer gesteht, Gaffal habe ihm gelegentlich "die Leviten gelesen" - womit er vor allem die Energiepolitik meinen dürfte, eines von Gaffals Lieblingsthemen. Immer wieder hatte er gefordert, eine Energiewende dürfe nicht zu einer unsicheren und teuren Stromversorgung führen. Söder findet, Gaffal habe alles durchgesetzt, abgesehen von einer dritten Startbahn am Münchner Flughafen. Er bewundere, wie er den Verband geführt habe. Aber gut: "Sie haben ja auch keinen Koalitionspartner."

Jetzt kommt Hatz, 58 Jahre alt, vierte Generation einer Unternehmerfamilie aus Ruhstorf an der Rott. Ein Paradigmenwechsel droht nicht - Hatz ist seit Jahren im Verband aktiv und mit der Agenda vertraut. Eher lässt sich ein verbaler Stilwechsel feststellen, Hatz spricht eine Spur grober, angriffslustiger. Er wolle weniger Wohlfühlpolitik und seine Stimme gegen "linke Hirngespinste" erheben; er wolle Ökologie und Ökonomie zu einem "Geschwisterpaar" vereinen, aber nicht auf ideologische Weise, indem der Diesel verdammt werde. Auch eine Warnung spricht Hatz aus: besser nicht mit Gaffal Skifahren gehen, so wie er neulich. Nach zwei Stunden habe er auf die Uhr geschaut, wann es endlich vorbei sei. Nach drei habe er keine Luft mehr gehabt, nach vier sich gesagt: "Soll der doch Präsident bleiben." Nach 60 Stunden habe noch immer jeder Knochen wehgetan.

Schließlich ruft VBW-Geschäftsführer Bertram Brossardt zum Essen: "Solange das Futter gut ist, geht es der VBW gut." Doch die einsetzende Wanderung bringt die Infrastruktur an ihre Grenzen. Die Schlangen vorm Buffet sind lang, die Portionen überschaubar. Sind das die Krisensymptome einer schwächelnden Konjunktur, vor der manche Redner warnten? Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) schlüpft irgendwie durch die Massen Richtung Theke. Später bekommt Gaffal zum Abschied von Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann noch ein Geschenk überreicht: einen Baukasten mit Solarmodul. Quasi eine eigene und sichere Energieversorgung für einen, der Ähnliches vehement für Bayern forderte.

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