Wirtschaft:In Rohrdorf steht eins der saubersten Zementwerke der Welt

Das Zementwerk in Rohrdorf

Das Rohrdorfer Zementwerk.

(Foto: Günter Gareis/rfo)

Die Zementindustrie gilt als Klimakiller, doch das oberbayerische Unternehmen hat viel Geld in die Modernisierung gesteckt. Auszahlen wird sich das allerdings erst später.

Von Matthias Köpf, Rohrdorf

An einem heißen Sommertag wie diesem brennt die Sonne hart herunter in den kahlen, baumlosen Steinbruch am Fuß des Samerbergs. Doch erst daneben, mitten in dem Betongebirge, in dessen Schluchten Silos und Schlote Schatten spenden, wird die Hitze wirklich höllisch.

Nein, Schneeräumen müsse man hier auch im Winter nicht, sagt Anton Bartinger, aber eines ist ihm wichtig: Diese Hitze hier, die 250 Grad, die das riesige, um seine Längsachse rotierende Rohr hoch über den Köpfen abstrahlt, das sei praktisch nichts, damit lasse sich nicht viel anfangen.

Bartinger sagt das deshalb, weil er als technischer Leiter der Anlage jahrelang nach Möglichkeiten gesucht hat, Abwärme zu nutzen, Brennstoff zu sparen und den Stromverbrauch zu senken. Nach zwölfjährigem Umbau ist das Rohrdorfer Zementwerk Bartinger zufolge nun eines der modernsten und saubersten der Welt.

Demnach stößt das Werk im Vergleich zu 2006 inzwischen um gute 260 000 Tonnen weniger klimaschädliches Kohlendioxid pro Jahr aus, eine Einsparung um mehr als ein Viertel. Für Anton Bartinger und Rohrdorfer-Geschäftsführer Mike Edelmann ist das auch wirtschaftlich eine Erfolgsbilanz, weil die Energiekosten sinken und weniger Emissionszertifikate zugekauft werden müssen.

Zugleich zeigen die Zahlen, dass die Zementherstellung noch immer zu den größten Klimakillern überhaupt gehört. Immerhin vier bis fünf Prozent alles menschlich verursachten CO₂-Ausstoßes gehen auf das Konto der Zementindustrie, heißt es von deren Weltverband. Vier Milliarden Tonnen pro Jahr sind das demnach zuletzt gewesen, Tendenz stark steigend, vor allem im bauwütigen China, dessen Zementwerke allein mehr als die Hälfte des weltweiten Menge in die Luft blasen.

Der deutsche Anteil liegt bei 0,8 Prozent, und der Anteil der Rohrdorfer fällt bei all dem praktisch überhaupt nicht ins Gewicht. Und doch sind sie stolz auf ihre Innovationen, die sie inzwischen ja auch an andere Hersteller verkaufen.

Wirtschaft: Der Drehrohrofen erhitzt den gemahlenen Kalkstein auf 1500 Grad.

Der Drehrohrofen erhitzt den gemahlenen Kalkstein auf 1500 Grad.

(Foto: Matthias Köpf)

Die Einsparmöglichkeiten haben eine gleichsam natürliche Grenze, denn zwei Drittel des entstehenden Kohlendioxids sind im Kalkstein gebunden, der in Rohrdorf und an zehn anderen Orten im Inntal gebrochen wird. Das Sedimentgestein ist aus abgelagerten Meereslebewesen entstanden, seien es Korallen, Muscheln oder auch Ammoniten, wie sie sich hier manchmal als Versteinerungen finden.

Wird der Kalkstein auf 450 Grad erhitzt, tritt das darin gespeicherte CO₂ aus, ganz unabhängig vom Energieeinsatz für das Heizen. In dem 82 Meter langen "Drehrohrofen" im Rohrdorfer Werk wird der zuvor klein gemahlene Stein auf 1500 Grad erhitzt, die Rotationsbewegung fördert das Material der 2000 Grad heißen Flamme entgegen.

Die Rohrdorfer sehen sich allein an der Weltspitze

Verfeuert wurde einst nur Steinkohle, später kamen alte Autoreifen hinzu, die laut Anton Bartinger bei solchen Temperaturen recht rückstandslos verbrennen. Seit 1995 wurden Produktionsreste aus der Kunststoffindustrie beigemischt, anfangs fünf, dann zehn Prozent. Derzeit liegt der Anteil bei 80 Prozent, sagt Bartinger.

Aus den einst ungenutzten 400 Grad Abwärme produziert das Werk inzwischen ein Drittel seines Strombedarfs selbst. Auf der anderen Seite ist der Strombedarf laut Bartinger wieder um fünf Prozent gewachsen durch einen Katalysator, mit dem in Rohrdorf mehr als drei Viertel aller Stickoxide aus der Abluft geholt würden. Mit dieser patentierten Technik sehen sich die Rohrdorfer allein an der Weltspitze.

Wirtschaft: Anton Bartinger hat sich einige Möglichkeiten einfallen lassen, große Mengen an Energie zu sparen.

Anton Bartinger hat sich einige Möglichkeiten einfallen lassen, große Mengen an Energie zu sparen.

(Foto: Matthias Köpf)

Seit 2006 hat das Unternehmen nach Angaben von Geschäftsführer Mike Edelmann 150 Millionen Euro in die Modernisierung gesteckt - bei einem Jahresumsatz der Gruppe von zuletzt 540 Millionen Euro. So eine Investition rechne sich erst in der nächsten Generation, weshalb eine kurzfristigen Anlegerinteressen verpflichtete Gesellschaft dazu kaum bereit sei, sagt Edelmann.

Die "Südbayerisches Portland-Zementwerk Gebrüder Wiesböck & Co. KG", so der volle Name des Unternehmens, sei aber seit den Anfängen vor 90 Jahren in Familienbesitz. In Rohrdorf arbeiten 150 Menschen im Werk und 100 in der Verwaltung. Insgesamt hat die Gruppe laut Edelmann etwa 1800 Arbeitnehmer an 130 Orten vor allem im Südosten Bayerns und in Österreich, von Steinbrüchen über Werke für Betonteile bis zu den Standorten, von denen der Transportbeton in Mischern zu den Baustellen geliefert wird.

Eine weitere Möglichkeit, im großen Stil CO₂ einzusparen, würde das Unternehmen einigen Umsatz kosten. Dennoch arbeite man daran, sagt Edelmann. Wenn schlicht weniger Beton verbaut würde, weil sich die Wände mit anderen Armierungen als dem gewohnten Stahl dünner konstruieren ließen, dann hätte das große Effekte.

Außerdem müsste es ja nicht für alle Einsatzgebiete auf eine Baustelle der allerbeste Beton mit dem höchsten Zementanteil sein. Denn ein sehr großer Teil der CO₂-Einsparung in Rohrdorf geht schon jetzt auf eine geänderte Rezeptur mit einen höheren Anteil etwa von Hochofenschlacke aus Stahlwerken zurück.

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