Wirbel in der CSU um Fahrenschon-Nachfolge:Fatale Hängepartie

CSU-Mann Georg Fahrenschon will Sparkassen-Präsident werden, doch noch möchte er den Weg für eine Kabinettsumbildung nicht freimachen: Wie der angekündigte Rückzug des bayerischen Finanzministers Seehofers Staatsregierung an den Rand einer Regierungskrise geführt hat.

Mike Szymanski

Alles hängt an Georg Fahrenschon. In diesen Tagen zeigt sich erst, in welch eine tiefe Krise der Finanzminister seine CSU und die Staatsregierung mit seinen Karriereplänen wirklich gestürzt hat. Fahrenschon will Sparkassenpräsident in Berlin werden. Aber die Nachfolgersuche seit Freitag hat zwischenzeitlich chaotische Züge angenommen. Trotz seines Versprechens konnte Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) bis Allerheiligen keinen neuen Finanzminister präsentieren.

Eine Katastrophe für Seehofer: Fahrenschon geht von Bord

Belehrungen von Horst Seehofer muss sich Georg Fahrenschon (rechts) nicht mehr anhören: Der Finanzminister will Sparkassenpräsident werden.

(Foto: dpa)

Die Regierung erlebt Stunden, in denen wirklich alle Emotionen zusammenkommen: Existenzangst, gekränkte Eitelkeiten, Enttäuschung und Stolz. Es ist eine gefährliche Mischung - Fahrenschons Rückzug hat die Landespolitik an den Rand einer Regierungskrise geführt.

Seehofer ist der Gekränkte. Er fühlt sich von seinem Minister hintergangen, weil der ihn nicht eingebunden hatte in seine Karrierepläne. Fahrenschon stellte seinen Chef am Freitagabend vor vollendete Tatsachen, als er über die Frankfurter Allgemeine Zeitung mitteilte, zu den Sparkassen wechseln zu wollen. Jetzt will Seehofer den Finanzminister loswerden. Am Rande des Treffens der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU sagt Seehofer: Fahrenschon "war" ein guter Minister. Für ihn ist er bereits Vergangenheit.

Das Problem ist nur: Fahrenschon denkt bislang nicht an Rücktritt. Die Wahl zum Sparkassenpräsidenten ist erst am 30. November. Der Minister sagte zwar am Freitag, er spüre ein "starkes Signal", dass er wohl eine Mehrheit bei der Wahl bekomme. Aber sicher kann er sich dessen nicht sein. Der CSU-Politiker ist kein Draufgänger, das war er noch nie.

Und so will er vorerst im Amt bleiben. Am Sonntag erklärt sein Sprecher, Fahrenschon werde alle Vorkehrungen treffen, damit es nicht zu "Interessenkollisionen" komme. Von einem Rücktritt ist auch da nicht die Rede.

Dabei kann der Minister als Verhandlungsführer des Freistaats beim milliardenschweren Beihilfeverfahren für die Landesbank in Brüssel streng genommen nicht mehr auftreten, weil dort auch die Belange der Sparkassen berührt sind. Auch den Haushalt für Bayern kann Fahrenschon kaum weiter aushandeln, wenn er später dafür keine Verantwortung mehr trägt.

Seehofer wird Fahrenschon nicht los

Und auch am Montag kommt kein Signal von Fahrenschon, dass er rasch zurücktreten wird. Für Seehofer ist die Lage eindeutig: "Entweder Fahrenschon bleibt ganz oder er geht sofort", verlautet aus Kreisen des Regierungschefs. Aber auch nach einem Gespräch mit dem Ministerpräsidenten macht Fahrenschon offenkundig keine Anstalten zurückzutreten. Es stehen gerade die Budget-Verhandlungen mit den Amtschefs der Häuser an. "Business as usual", verlautet aus seinem Apparat. Fahrenschon blockiert. Wann er geht, will er selbst bestimmen.

Seehofer wird Fahrenschon nicht so einfach los, wie er sich das vorgestellt hat. Wenn ein Minister nicht freiwillig geht, bleibt ihm eigentlich nur die Möglichkeit, ihn zu entlassen. Dafür braucht er aber die Zustimmung des Landtags, so sieht es Artikel 45 der Bayerischen Verfassung vor. Die eigene Fraktion müsste Fahrenschon rausschmeißen, der Koalitionspartner FDP mitstimmen. "Eine Katastrophe", sagt einer aus dem Seehofer-Lager. "Das würde alles zerreißen."

Fahrenschon bräuchte sich als entlassener Minister wohl gar nicht mehr um den Posten des Sparkassenpräsidenten bewerben. Er wäre beschädigt, bevor er überhaupt angefangen hätte. Alle wären Verlierer. Deshalb geht an diesem Montag wohl nichts voran. Es gab ein Drehbuch für diesen Tag, das aber schon bald nicht mehr gilt. Eigentlich wollte Seehofer die neue Mannschaft bis Dienstag präsentieren und damit Handlungsfähigkeit demonstrieren. Der Nachmittag war dafür vorgesehen. Dann geht aber irgendwie doch alles schief.

Um 11.32 Uhr meldet der Focus auf seiner Internetseite: "Die Nachfolge von Georg Fahrenschon ist entschieden" - Sozialminister Christine Haderthauer werde neue Finanzchefin, Umweltstaatssekretärin Melanie Huml rücke als Chefin ins Sozialressort auf. Entschieden ist das zwar noch nicht, aber die Parteispitze diskutierte am Sonntagabend dieses Team als mögliche Notlösung, wenn nicht doch noch ein externer Finanzfachmann gefunden werde.

Aber es findet sich keiner. Der frühere Bundesbank-Vize Franz-Christoph Zeitler war nach SZ-Informationen unter anderen im Gespräch, auch der Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern, Stephan Götzl.

Haderthauer und Huml, das ist das letzte Aufgebot - nachdem Seehofer schon so viele Absagen kassiert hat: Innenminister Joachim Herrmann wollte nicht; der Parlamentarische Finanzstaatssekretär Hartmut Koschyk aus Berlin wollte nicht; die Europa-Abgeordnete Angelika Niebler wollte nicht. Und Söder soll nicht - er ist Seehofers Mann für die Energiewende.

Mitarbeiter im Ministerium stellen sich auf Haderthauer ein

Als die Spitzenfunktionäre am Vorabend auseinandergingen, hatten sie ihre Ansprüche schon deutlich nach unten geschraubt: "Wir brauchen einen Finanzminister, keinen Herrgott", sagt einer. Zur Not solle es Haderthauer machen.

Bei Melanie Huml, der werdenden Mutter, fragen sie noch nach, wie lange sie nach der Geburt ihres Kindes im März wohl daheim bleiben wolle. Im Finanzministerium fangen die Mitarbeiter an, sich mental schon auf die neue Chefin einzustellen, die als durchsetzungsstark gilt, aber keine Finanzexpertin ist. "Die bringen wir schon auf Flughöhe", gibt sich einer aus der Behörde am Odeonsplatz zuversichtlich.

Die Staatskanzlei bestätigte die Personalien nicht, dementierte sie aber genauso wenig. Im Finanzministerium war offenbar für den Nachmittag eine Pressekonferenz geplant, zu der es aber nie eine Einladung gab. Alle warten nur noch darauf, dass Seehofer endlich Vollzug meldet. Aber er tut es nicht.

Liegt es immer noch an Fahrenschon, der blockiert? Unfug, sagt sein Sprecher. Ja, sagen Kabinettsmitglieder. Die Staatskanzlei sagt: nichts. Je länger die Personalien in der Schwebe sind, desto heftiger beginnt am Montagnachmittag die CSU zu rebellieren. Seehofer hätte schnell handeln müssen, um Haderthauer und Huml durchzusetzen. So aber haben die Neider, die Bedenkenträger, die Übergangenen viel Zeit, zu arbeiten.

Haderthauer polarisiert. Sie hat Feinde in der Partei, nicht jeder kann mit ihrer selbstbewussten, zupackenden Art umgehen. Nun wird gestreut, die Juristin sei sicherlich überfordert mit dem Finanzressort. Haderthauer - das könne doch nicht die Antwort der CSU auf die Schuldenkrise und die Steuerdebatten in Berlin sein. Den Staatshaushalt in Bayern, das traut man ihr gerade noch zu.

Auch das Lager um Sozialstaatssekretär Markus Sackmann mobilisiert alle Kräfte gegen die Beförderung von Melanie Huml zu seiner Chefin. Wenn einer auf Haderthauer folge, dann doch bitteschön Sackmann und nicht die 36-jährige Umweltstaatssekretärin aus Oberfranken. So bringen sich bis tief in die Nacht zum Dienstag hinein alle solange in Stellung, bis es am nächsten Morgen wieder heißt: Nichts ist entschieden.

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