Schweinsdorf:Mehr als 700 000 Euro ins Dorf investiert

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Einen "Augenöffner", nennt Glas das Konzept. Doch Augenöffnen kostet. Mehr als 700 000 Euro haben die Schweinsdorfer seit 2007 in ihr Dorf privat investiert, die Gemeinde 250 000 Euro. Das zu können, ist das eine. Entscheidender ist, es zu wollen. Der Spirit stimmt, wenn man bleiben will und auch den Nachbarn Geld ausgeben und teilen sieht.

Alexander Schöner, 33, bekam so die Hälfte seines Grundstücks. Der Maurer baute für sich und die Freundin ein neues, großes Haus. Der Rothenburger kennt Schweinsdorf, seit er 13 ist. Mit den Dorf-Buben ging er in die Klasse, wurde Gründungsmitglied der Dorfjugend, stellte den Maibaum auf, machte "Freunde fürs Leben". Die Wort halten. Ein Vereinskumpel sagte ihm vor Jahren: "Schweinsdorf freut sich über neue Menschen", und: "Meine Eltern haben einen Bauplatz." 2015 schrieb Schöner dem Freund eine SMS. "Die Eltern wollen teilen", antwortete der tags drauf.

Vom 1800-Quadratmeter Familien-Grund bekam Schöner 900 Quadratmeter für 30 000 Euro ab. Die zwei Grundstücke trennt heute nur ein Himbeerbeet. Für andere Projekte braucht es Menschen, die sich verlieben, "Verrückte". Joachim Beierlein aus Rothenburg ist so einer. Der Zimmermann kaufte für 20 000 Euro ein Fundament und ein paar Balken, die vor Jahrzehnten mal ein Fachwerkhaus waren. Der Wiederaufbau verlangte fünf Jahre Arbeit und 80 000 Euro.

Wer sich mit dem 45-Jährigen durch die Vorher-Nachher-Fotos klickt, glaubt ihm, dass "das stolz macht", draußen wieder blau-rote Wände und drinnen den Kachelofen leuchten zu sehen, bedeckt von 300 Jahre alten Ziegeln. Heute ist Beierlein für die Nachbarn "der Butsch", der Abenteurer, der jedes Jahr für Monate zum Surfen nach Frankreich verschwindet, aber verlässlich im Sprinter zurückkehrt.

Um Beierleins 20 000-Euro-Zuschuss für die Denkmalschutz-Auflagen kümmerte sich Bürgermeister Glas beim Amt für ländliche Entwicklung Mittelfranken. Seit 2009 ist Schweinsdorf dort Pilotpartner der Dorferneuerung. Da ist kein Seminar, das Glas nicht belegt hat und kein Wettbewerb, bei dem er Schweinsdorf nicht eingereicht hat. Dieses Jahr gewannen sie den Sonderpreis im Bundeswettbewerb "Kerniges Dorf". 2017 ist Schweinsdorf abermals gewachsen. Vier Bürger starben, acht Kinder wurden geboren.

Angelika Hellenschmidt hat Drillinge zur Welt gebracht. Die 32-Jährige ist mit Mann Martin, 35, in ein frisch renoviertes Zwei-Stock-Haus gezogen. Zwischen Auszug und Zurücklehnen lagen zwei Wochen. Im Flur hängt das Hochzeitsbild mit "ein Leben in Liebe und Harmonie" überschrieben. Die Arzthelferin und der Elektromeister wollten "ins bezahlbare Haus, das uns gehört", wo Erik, Paul und Toni ohne Aufsicht spielen können. Für 200 Quadratmeter Wohnen und 900 Quadratmeter Garten bezahlten sie 220 000 Euro. Dorf-Retten heißt Unterwegs-Sein. Von den 53 Projekten haben die Schweinsdorfer bis heute 18 umgesetzt, in vormals leere Häuser ist Leben eingezogen. Demnächst sollen neun Sozialwohnungen gebaut werden. Am Lagerfeuer sagt die Dorfjugend: "Auch Mieten hat Zukunft."

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