Wilderei in Bayern:Tatort Luchswald

Luchs-Fütterung im Harz

Die Luchse halten sich praktisch nur in den Nationalparks Bayerischer Wald und Sumava auf.

(Foto: dpa)

Sie konkurrieren mit den Jägern um Rehe und andere Beute. Eigentlich ist der Bayerische Wald der ideale Lebensraum für Luchse. Doch die haben dort keine Chance.

Von Christian Sebald

Andreas Hoppe alias Mario Kopper ermittelt für gewöhnlich im rheinland-pfälzischen Ludwigshafen. Im SWR-Tatort klärt der massige Schauspieler mit seiner Kollegin Ulrike Folkerts, die Koppers Chefin Lena Odenthal gibt, an zwei bis drei Sonntagabenden im Jahr Bluttaten in der Industriestadt am Rhein auf - den vermeintlichen Selbstmord einer Ärztin etwa, den mysteriösen Todessturz eines Hotelchefs, aber auch einen Totschlag im Zirkusmilieu. In 50 Tatort-Folgen war Hoppe bisher zu sehen, etliche waren Quotenrenner, der Berliner ist inzwischen einer der dienstältesten Tatort-Kommissare.

Der neue Film mit Hoppe heißt "Tatort Luchswald". Außer dem Wortspiel im Titel hat er nichts, aber auch gar nichts mit den Sonntagabend-Krimis zu tun. In "Tatort Luchswald" geht es um die Wirklichkeit, die Wirklichkeit im Bayerischen Wald im 21. Jahrhundert. Die 45-minütige Dokumentation widmet sich der Wilderei von Luchsen, die dort gang und gäbe ist. Seinen Ausgangspunkt nimmt der Film bei der grausamen Vergiftung des Luchsweibchens Tessa 2012 nahe Rinchnach und dem Abschuss einer trächtigen Luchsin ein Jahr später bei Bodenmais.

Hoppe, der außer Tatort-Kommissar bekennender Tierschützer ist, ermittelt zäh und akribisch. Zwar kann er die Wilderer letztlich nicht überführen. Aber er deckt ein schillerndes Geflecht aus Jägern, Sportschützen, Lokalhonoratioren, Ermittlungsbehörden und osteuropäischer Pelzmafia auf, das Nährboden ist für die Frevel nicht nur an Tessa und dem anderen Luchsweibchen, sondern an zig Raubkatzen.

Luchse sollen ihren Lebensraum selbst wählen

Einer, der dieses schillernde Geflecht auch sehr gut kennt, ist Jörg Müller, der Vizechef des Nationalparks Bayerischer Wald. Er hat jetzt mit weiteren Experten eine Studie vorgelegt, die sich ebenfalls mit den Luchsen in Ostbayern befasst. Auch Müller kommt zu einem ernüchternden Ergebnis: Zwar haben die streng geschützten Raubkatzen im Bayerischen Wald optimale Lebensbedingungen. Dennoch vermehren sie sich praktisch nicht. Der Grund, so Müller, sind illegale Abschüsse von einigen wenigen Jägern. Jäger sind seit alters her Hauptfeind der Luchse. Schließlich konkurrieren sie mit den Raubtieren um Rehe und andere Beute.

Dabei hat sich die Staatsregierung vorgenommen, dass sich die scheuen Luchse ausbreiten sollen in Ostbayern. "Ziel ist eine vitale Luchspopulation, die ihren Lebensraum selbst wählt", heißt es im Luchsplan von 2008.

Wildereien verjähren in Tschechien nach einem Jahr

Der Bayerische Wald ist ein einzigartiger Lebensraum für Luchse, da sind sich Experten einig. Trotz der vielen Straßen und anderen Verkehrswege, trotz der permanent wachsenden Orte und Gewerbegebiete sind Natur und Umwelt so intakt, dass sich die Luchse von alleine ausbreiten würden - wenn man sie nur ließe.

Die Raubkatzen halten sich aber nach wie vor praktisch nur in den Nationalparks Bayerischer Wald und Sumava auf. Aktuell leben etwa 50 Luchse in den Schutzgebieten diesseits und jenseits der bayerisch-tschechischen Grenze. "Jungtiere, die aus ihnen abwandern und sich ein eigenes Revier suchen, schaffen es nur ganz selten weiter als 70 Kilometer von ihnen weg", sagt Müller. "Dann verschwinden sie."

Illegale Abschüsse und Vergiftungen

Dabei wandern Luchse für gewöhnlich sehr viel weiter, bis sie sesshaft werden. "Aus Skandinavien wissen wir, dass 150 Kilometer durchaus üblich sind", sagt Müller. Ein Grund für das Verschwinden der Bayerwald-Luchse könnten natürlich Wildunfälle sein. Von der Auswertung seiner Daten weiß Müller aber, dass Luchse viel zu selten überfahren werden, als dass man damit den Schwund erklären könnte.

Bleiben also nur illegale Abschüsse und Freveltaten wie Tessas Vergiftung. Hierbei hat Müller Daten aus Tschechien ausgewertet. Anders als in Deutschland verjähren Wildereien dort schon nach einem Jahr. Illegale Abschüsse werden dort oft nach einem Jahr gemeldet und gleichsam nachträglich legalisiert.

Bayerns Bekenntnis zu den Luchsen

"Seit der Wiederansiedlung der Luchse im Sumava haben die tschechischen Behörden durch Nachmeldungen von 62 Luchstötungen erfahren", sagt Müller. 62 erschossene Luchse, das sind mehr, als die aktuelle Population beträgt. Dabei dürften das längst nicht alle Frevel sein. "Nach aller Erfahrung", so Müller, "ist die Dunkelziffer weitaus höher."

Wenig verwunderlich, dass Luchs-Forscher den Bayerischen Wald "ein Bermuda-Dreieck für Luchse" nennen. Viele gehen davon aus, dass die Wildkatzen wegen der tiefen Feindschaft einiger Jäger noch länger keine Chance haben, sich auszubreiten. Nationalpark-Vizechef Müller sieht das anders. Wenn der Freistaat es ernst meint mit seinem Bekenntnis zu den Luchsen, dann "müsste man nur gleichzeitig in allen möglichen Regionen welche aussetzen", sagt er. "Notfalls immer wieder."

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