Wilderei:Davongekommen

Das Landgericht Regensburg hebt trotz erheblicher Zweifel das Urteil gegen einen Jäger auf, der einen Luchs erschossen haben soll

Von Andreas Glas und Christian Sebald, Regensburg

Er setzt seinen Hut auf, diesen Filzhut mit braunem Lederband über der Krempe. Er drückt den Schalter an der Wand, die Schleuse öffnet sich. Bevor er hineintritt, lacht er laut auf, das Lachen hallt im Flur. Er sagt: "Die sehen mich da nicht mehr." Die Schleuse schließt sich, der Mann mit dem Hut verlässt das Gerichtsgebäude. Sein Lächeln sagt: Hier geht ein Gewinner.

Kein Freispruch, aber eben kein Schuldspruch - jedenfalls nicht, was den Hauptvorwurf betrifft, gegen den sich der Mann mit dem Hut gewehrt hat. Was am Freitag in Regensburg zu Ende geht, ist ein Berufungsprozess. Vor sechs Monaten hatte das Amtsgericht Cham den Jäger zu einer Geldstrafe verurteilt - da er nach Überzeugung des Gerichts im eigenen Revier gewildert und einen Luchs getötet hatte. Nun hebt das Regensburger Landgericht dieses Urteil auf. Und stellt das Verfahren hinsichtlich Nachstellens und Tötens eines Luchses ein. "Nicht, weil wir überzeugt sind, dass der Angeklagte unschuldig ist", sagt der Richter. Sondern weil "letztlich nicht geklärt werden" könne, ob sich der 54-Jährige schuldig gemacht habe.

Für das Gericht besteht zwar kein Zweifel, "dass der Angeklagte eine feindliche Haltung gegenüber der Wiederansiedlung von Luchsen im Bayerischen Wald" habe. Unstrittig ist auch die Falle im Revier des Jägers, die geeignet war, einen Luchs zu fangen. Aber das wichtigste Beweisstück fehlte: der tote Luchs. Und dann gab es ja noch den Hauptzeugen, der das Gericht offenbar nicht überzeugen konnte. Er hatte sich als Luchsexperte vorgestellt und erzählt, wie ihn der Bayerische Rundfunk (BR) beauftragte, für eine Luchs-Dokumentation im Bayerischen Wald zu recherchieren. Die Doku wurde Ende 2016 ausgestrahlt - und machte den Fall des vermeintlichen Luchsjägers bekannt.

Bei seiner Recherche, die der Zeuge heimlich filmte, habe ihm der Jäger die Falle gezeigt und gesagt, er habe mehrere Luchse erschossen, einen davon in der Falle. Bloße "Prahlerei", sagt dessen Verteidiger am Freitag in seinem Plädoyer. Er habe diesen "Schmarrn" nur erzählt, um andere zu beeindrucken. Was der Jäger laut Zeuge noch gesagt haben soll: Dass er auch einen Wolf und einen Fischotter getötet habe. Beide Arten sind streng geschützt, wie der Luchs. Das Problem an diesen Aussagen des Hauptzeugen: Sie sind offenbar nirgends dokumentiert. Dazu kam, dass ein weiterer Zeuge, der die Undercover-Recherche begleitet hatte, vieles nicht bestätigen konnte, was der Jäger gesagt haben soll.

Luchs

Etliche Jäger sehen im Luchs einen Feind.

(Foto: David Ebener/dpa)

Was der Hauptzeuge im ersten Prozess noch verschwiegen hatte: Dass er neben dem Recherchehonorar des BR auch Geld von der Naturschutzorganisation WWF bekam. Zunächst 5000 Euro, dann weitere 20 000 Euro als "Belohnung", nachdem das Chamer Amtsgericht den Jäger verurteilt hatte. Hat die Aussicht auf viel Geld den Zeugen zu unwahren Aussagen verleitet? "Nicht auszuschließen", sagt der Verteidiger des Jägers. Auch die Staatsanwältin bezeichnet derartige Prämien in ihrem Plädoyer als "nicht hilfreich", da sie die "Glaubwürdigkeit eines Zeugen in Frage stellen" könnten.

Eine Belohnung für Hinweise, die zur Ermittlung eines Wilderers führen, ist jedoch nichts Ungewöhnliches. Nicht nur seitens der Naturschutzverbände. Selbst die Staatsregierung hat dies schon getan. So wurde vor vier Jahren ebenfalls im Bayerischen Wald in einem Straßengraben ein toter Luchs entdeckt. Die Untersuchung des Kadavers ergab, dass das Tier erdrosselt worden war. Die damalige Umweltministerin Ulrike Scharf (CSU) lobte daraufhin 10 000 Euro Belohnung für Hinweise auf den oder die Täter aus.

Für den Richter zählt am Ende aber nicht, ob der Hauptzeuge glaubwürdig war, sondern was "tatsächlich geschehen" sei. Da es keinen Kadaver gibt, bleibt etwa ungeklärt, wann der Jäger den Luchs getötet haben könnte und ob der Fall ohnehin verjährt ist. Auch die Haare, die bei der Falle gefunden wurden, konnten nicht zweifelsfrei einem Luchs zugeordnet werden. Klar wurde auch nicht, ob der Jäger die Falle jemals scharf gestellt hatte. Und die Aussagen mehrerer Zeugen, dass nicht der Angeklagte, sondern sein inzwischen verstorbener Vater die Falle aufgestellt habe, könne "man nicht einfach so als Lügen abkanzeln", sagt der Richter.

Plädoyers in Berufungsprozess um Luchs-Wilderei erwartet

Auch der Angeklagte - hier sein Hut im Gerichtssaal - ist kein Freund der geschützten Tiere.

(Foto: Armin Weigl/dpa)

Anders als die Staatsanwaltschaft, die die Luchstötung trotz schwieriger Beweislage für erwiesen hält und eine Geldstrafe von 4000 Euro fordert, bestätigt das Landgericht lediglich den Schuldspruch des Amtsgerichts wegen illegalen Waffenbesitzes. Beim Jäger wurde etwa ein Nachtsichtgerät mit Zielfernrohr gefunden. Er muss deshalb 750 Euro zahlen. Trotz dieser milden Strafe stelle der Prozess "ein wichtiges Verfahren dar zum Schutz der Luchse", betont der Richter. Allein die hohen Prozesskosten und dass der Jäger seinen Jagdschein abgeben musste, habe hoffentlich "eine nachhaltige Wirkung auf potenzielle Täter".

Der Landesbund für Vogelschutz (LBV) bedauert die Gerichtsentscheidung. Der Prozess habe aber gezeigt, "dass Wildereien kein Kavaliersdelikt sind und Ermittlungsbehörden und Gericht sie inzwischen sehr ernst nehmen", sagt LBV-Chef Norbert Schäffer. "Die Zeiten, in denen man einen Luchs abschießen und sich damit in den entsprechenden Kreisen brüsten kann, sind definitiv vorbei."

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