Wildbiesler:Pikanter Druckausgleich

Lesezeit: 1 min

Die Haltung gegenüber Wildbieslern hat sich geändert. (Foto: DPA)

Das Verbum "wildbieseln" ist eine dieser bairischen Vokabeln, die der Zugezogene sich schnell zu eigen macht. Das heißt aber nicht, dass man hierzulande damit lockerer umgeht.

Kolumne von Nadeschda Scharfenberg

Das Verbum "wildbieseln" ist eine dieser bairischen Vokabeln, die der Zugezogene sich schnell zu eigen macht. Ähnlich wie der Schmarrn oder die Watschn. Weil wildbieseln leichter von der Zunge geht als wildpinkeln oder öffentliches urinieren, weil es mehr nach Dummer-Jungen-Streich klingt als nach Ordnungswidrigkeit, nach: Hund sans scho, die Mannsbilder.

Nicht lang ist's her, da war es in den Wirtshäusern noch Usus, dass die bierseligen Kartenspieler einfach hocken blieben, wenn sie mal mussten. Den Urin ließen sie am schräg gehaltenen Hacklstecken abfließen. Die dunklen Holzfußböden stehen heute unter Denkmalschutz.

Als die Wildbiesler-Welt noch in Ordnung war

Der Spruch "Hund sans scho" gilt aber in jüngster Zeit nur noch für Hunde. Unser Bub stand neulich weinend vor der Tür, mit nasser Hose. Seine Blase hatte auf dem Rückweg von der Schule arg gedrückt, doch als er sich an ein Bäumchen stellte und das Hosentürl öffnete, scheuchte ihn ein Mann fort. Da nahmen die Dinge ihren Lauf.

2012 war die Wildbiesler-Welt noch in Ordnung. Da wollte ein Justizbeamter auf dem Heimweg austreten, rutschte aus und brach sich den Fuß. Dienstunfall, entschied das Verwaltungsgericht München.

Ein Jahr später urteilte dasselbe Gericht über einen Polizisten, der sich den Finger in der Tür der Präsidiumstoilette eingezwickt hatte. Durch die Brille der Richter betrachtet ist dieses Malheur kein Arbeitsunfall, weil auch der Aufenthalt auf einem Dienst-WC "privatwirtschaftlicher Natur" sei. 1:0 für die Wildbiesler. 2014 aber wendete sich das Blatt: Das Amtsgericht Stuttgart verdonnerte einen Urinierer zu einer Strafe, obwohl er Medikamente nahm, die die Blase schwächten.

Verwarn- und Bußgeldatlas für Wildpinkler

Seither häufen sich die wildbieslerfeindlichen Meldungen: In St. Pauli bepinseln Hausbesitzer ihre Wände mit flüssigkeitsabweisendem Lack, angeblich spritzt das Pipi zurück. Laut dem 1. Wildpinkler Verwarn- und Bußgeldatlas, herausgegeben vom Hersteller eines Taschen-WCs, haben diverse Kommunen die Strafgebühren erhöht. Anders in Köln: Hier dürfen Männer gratis ans Pissoir, damit sie nicht an die Hauswand strullern. Frauen müssen 50 Cent zahlen.

Das ist natürlich ungerecht. Aber es gibt auch Frauen, die das Wasser nicht halten können: Im Kölner Karneval blieb einmal eine Närrin mit ihrer heruntergelassenen Hose an einem Zaun hängen, eine Metallstrebe bohrte sich durch ihr Knie. Hinten rein, vorne raus.

© SZ vom 06.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ JetztHamburger Nachtleben
:St. Pauli pinkelt zurück

Wo viel getrunken wird, wird viel gepinkelt. Deshalb sind die Hauswände in St. Pauli häufig gelb und nass. Jetzt wehren sich Anwohner und Immobilienbesitzer - und pinkeln zurück.

Von Simon Hurtz

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: