Erneuerbare EnergienWindräder nahe der Wieskirche

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Die Wallfahrtskirche zum Gegeißelten Heiland auf der Wies bei Steingaden ist schon seit mehr als 250 Jahren das Ziel von vielen frommen Pilgern – und längst von noch sehr viel mehr weltlichen Ausflüglern.
Die Wallfahrtskirche zum Gegeißelten Heiland auf der Wies bei Steingaden ist schon seit mehr als 250 Jahren das Ziel von vielen frommen Pilgern – und längst von noch sehr viel mehr weltlichen Ausflüglern. (Foto: Michael Rucker/imago)

Bisher hat die Unesco den Bau von Windkraftanlagen in der weiteren Umgebung des Welterbes im bayerischen Pfaffenwinkel kategorisch ausgeschlossen. Jetzt könnte ein neues Denkmalschutzkonzept drei Anlagen bei Peiting möglich machen.

Von Matthias Köpf, Peiting

Wer nachts vom Hohen Peißenberg hinunterschaut, kann 20 Kilometer weiter westlich die roten Lichter der beiden Windräder bei Bidingen sehen, und knapp doppelt so weit im Nordosten blinken die Leuchten der Rotoren in der Gemeinde Berg am Starnberger See. Beim Blick nach Süden über die 15 Kilometer entfernte Wieskirche hinweg in die Berge blinkt bis jetzt rein gar nichts, doch bald könnten drüben bei Peiting drei Windräder entstehen, die dann zumindest im Augenwinkel erkennbar wären. Der Welterbe-Status der Wieskirche wird dem Projekt jedenfalls wohl nicht mehr lange im Weg stehen.

Dass selbst die Spitzen dieser Windräder von der Wieskirche aus nicht erkennbar sein werden, so wie andersherum auch Bayerns Bilderbuch-Kirche von den Köpfinger Wiesen bei Peiting aus erst ab einer Flughöhe von 340 Metern zu sehen ist, das hat schon vor zehn Jahren ein Test mit einem Hubschrauber ergeben. Dennoch hatte damals die Unesco allen Peitinger Windrad-Plänen ein vorläufiges Ende bereitet.

Sollten dort östlich des Lechs oder irgendwo anders im gesamten Pfaffenwinkel tatsächlich Windräder aufgestellt werden, so könnte der 1983 verliehene Welterbe-Titel für die Wies womöglich wieder aberkannt werden, hieß es aus Paris – und die Peitinger parierten, auch wenn viele dort einschließlich Bürgermeister Peter Ostenrieder (CSU) bis heute überzeugt sind, dass da ein Windrad-Gegner aus der eigenen Nachbarschaft die Hüter des Welterbes vor seinen Karren gespannt habe.

Die Gemeinde, der Landkreis Weilheim-Schongau und insgesamt 63 Grundbesitzer legten ihre Pläne für einen kleinen Windpark in Bürgerhand sicherheitshalber trotzdem auf Eis. Erst als der neuerliche russische Überfall auf die Ukraine im Jahr 2022 das Land in eine Energiekrise stürzte, schien ihnen die Zeit für einen neuen Anlauf gekommen zu sein. Ostenrieder schickte die Pläne nach eigenen Worten an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Die Antwort sei dann aber von der Staatsregierung aus München gekommen. Ein kommunales Denkmalschutzkonzept für die Wieskirche samt der umgebenden Kulturlandschaft könnte das Vorhaben vielleicht doch noch möglich machen, so lautete schließlich die Übereinkunft mit den beteiligten Ministerien und den staatlichen Denkmalschützern.

Die beiden Brüder Johann Baptist und Dominikus Zimmermann haben die Wieskirche gestaltet. Sie gilt als das Prunkstück des bayerischen Rokoko.
Die beiden Brüder Johann Baptist und Dominikus Zimmermann haben die Wieskirche gestaltet. Sie gilt als das Prunkstück des bayerischen Rokoko. (Foto: Matthias Köpf)

Die haben die Wieskirche vor einem Jahr zu einem von rund 100 „besonders landschaftsprägenden Denkmälern“ in Bayern erklärt und damit von all den Erleichterungen ausgenommen, welche das neue Denkmalschutzgesetz für das Erzeugen erneuerbarer Energien vorsieht. Allerdings liegen die Köpfinger Wiesen ganz genau außerhalb des entscheidenden Zehn-Kilometer-Radius rund um das Rokoko-Prunkstück auf der Wies. Dass sich dieser Radius ebenso genau mit dem deckt, was die Unesco als Pfaffenwinkel ansieht, ist allerdings unwahrscheinlich, denn dafür gibt es zwar verschiedene historische, touristische und geografische Definitionen, aber eben keine gemeinsame und allgemein verbindliche.

Für das inzwischen fertige Denkmalschutzkonzept, das Bürgermeister Ostenrieder und die Weilheimer Landrätin Andrea Jochner-Weiß (CSU) am Montagabend in Peiting vorgestellt haben, haben die beteiligten Experten die weite, vergleichsweise dünn besiedelte, aber trotzdem nur scheinbar unberührte Kulturlandschaft rund um die Wieskirche genau beschrieben. Das Konzept speist sich aus der Topografie von Bergen, Tälern, Wäldern und Seen, bezieht sich aber genauso auch auf den Verlauf der alten und teils bis heute benutzten Wallfahrtswege zur Wies und erfasst alle einschlägigen Klöster, Kapellen, Wegkreuze und Bildstöcke bis hin zum kleinsten Marterl.

Mit seinen verschiedenen Zonen und Ausschlussgebieten wird das Denkmalschutzkonzept für die Wies auch in die Windkraft-Regionalplanung eingehen, mit der sich der Planungsverband Oberland gerade abmüht, um überhaupt irgendwie auf die politisch geforderten 1,8 Prozent der Gesamtfläche für die Windkraft zu kommen. Auf Basis des Denkmalschutzkonzepts wird es für jedes einzelne Windrad-Projekt im Umkreis des Unesco-Welterbes Wieskirche trotzdem noch ein sogenanntes „Heritage Impact Assessment“ brauchen.

Für die drei bis zu 235 Meter hohen und dennoch von der Wies nicht zu sehenden Rotoren bei Peiting haben die Fachleute diese Arbeit gleich miterledigt und sind damit ebenfalls fast fertig. Auch bundesweite Welterbe-Bewahrer sowie die Unesco-Berater vom „International Council on Monuments and Sites“ waren bereits beteiligt, sodass die Peitinger mit ihren Windrad-Plänen nach Erwartung von Franziska Haas vom Landesamt für Denkmalpflege gar nicht mehr auf die Unesco warten müssen. Denn die werde ohnehin erst irgendwann nach Aktenlage entscheiden und sich dabei auf die vorgelegten Konzepte verlassen.

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