Süddeutsche Zeitung

Wiederaufnahme im Fall Mollath:Peinliche Befragung für Arzt im Zeugenstand

Im Prozess gegen Gustl Mollath geht es erneut um Prügelvorwürfe: Ein Arzt erinnert sich an Spuren einer Misshandlung und muss sich unangenehme Fragen stellen lassen. Die Schwägerin von Mollaths Ex-Frau will einen Bissabdruck gesehen haben, widerspricht aber früheren Aussagen.

  • Am dritten Verhandlungstag im Prozess gegen Gustl Mollath sagt die Schwägerin seiner Ex-Frau Petra M. aus - und bestätigt Prügelvorwürfe.
  • Der Allgemeinarzt Markus R. hat das Attest für Petra M. ausgestellt - und muss sich einer peinlichen Befragung stellen.
  • Gustl Mollath kritisiert "immer wieder andere Versionen" der Zeugen.

Petra M.s Bruder verweigert die Aussage

Am dritten Tag des Wiederaufnahmeverfahrens gegen Gustl Mollath geht es um die Frage, ob er seine damalige Ehefrau Petra M. in den Jahren 2001 und 2002 misshandelt hat - und falls ja, welche Verletzungen er ihr zugefügt hat. Als erster Zeuge soll der Bruder von Petra M. aussagen. In seinem Haus hat sie damals Zuflucht gesucht, als sie sich von ihrem Mann getrennt hat. Doch zu einer Aussage kommt es nicht. Robert M. macht von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch. Seine langjährige Lebensgefährtin und heutige Ehefrau Petra S. hat diese Möglichkeit nicht, sie muss vor dem Landgericht Regensburg aussagen.

Zeugin beschreibt Mollath als "bedrohlich"

Fast drei Stunden lang wird die Schwägerin von Mollaths Ex-Frau befragt. Die beiden Frauen waren im Mai 2002 zu Mollaths Wohnung gefahren, um Kleider abzuholen, nachdem sich Petra M. gerade von Mollath getrennt hatte. Es war jener Tag, an dem es zu der Freiheitsberaubung gekommen sein soll, die Petra M. später angezeigt hat.

Petra M. sei im Haus gewesen, sie selbst habe draußen gewartet, erzählt die Zeugin. Nach ein bis zwei Stunden sei ihr Gefühl immer schlechter geworden. Sie habe geklingelt, dann geklopft, schließlich mit den Fäusten gegen die Tür gehämmert, bis geöffnet wurde. "Es war eine bedrohliche Situation. Im Hausflur war alles abgedunkelt, und Herr Mollath hat sich bedrohlich vor mir aufgebaut", beschreibt die 51-Jährige ihre Erinnerung. Petra M. habe zerzaust ausgesehen und verängstigt gewirkt. Mollath soll sie für mehr als eine Stunde im Schlafzimmer eingesperrt haben. Schließlich hätten beide Frauen aber das Haus verlassen können. Später seien ihr außerdem rote Abdrücke an den Oberarmen von Petra M. aufgefallen, erzählt die Schwägerin.

Strate deckt Widersprüche auf

Mollaths Verteidiger Gerhard Strate fallen bei der Vernehmung der Zeugin einige Widersprüche auf. Bei der Polizei habe sie damals andere Angaben gemacht als nun im Gerichtssaal, sagt er. Laut Protokoll habe sie Mollath an jenem Tag gar nicht zu Gesicht bekommen, auch von Verletzungen war nicht die Rede. Sie könne sich an diese Aussage nicht erinnern, sagt Petra S. auf Strates Nachfrage. Was sie heute gesagt habe, sei hingegen die Wahrheit. "Die damalige Befragung war extrem kurz und oberflächlich", betont sie.

Auch um die Bisswunde, die Mollath seiner Ex-Frau zugefügt haben soll, geht es vor Gericht. Petra S. erzählt, sie habe ihre Schwägerin zwei Tage nach dem Vorfall im August 2001 getroffen, die Wunde gesehen und sie zur Untersuchung in die Praxis geschickt, in der sie damals als Arzthelferin arbeitete. An mehr erinnert sie sich allerdings nicht. Nach knapp drei Stunden wird diese Zeugenbefragung beendet.

Peinliche Befragung für Arzt

Weiter geht es mit dem Zeugen Markus R.. Er ist der Allgemeinarzt, der Petra M. nach der angeblichen Auseinanderetzung im August 2001 untersuchte und jenes Attest ausstellte, das 13 Jahre später den Grund für die Wiederaufnahme des Verfahrens lieferte. Im Attest hat R. die Verletzungen des Opfers beschrieben - und vermerkt, dass er die Angaben für glaubwürdig hält. Doch in der Befragung durch den Münchner Gerichtsmediziner Wolfgang Eisenmenger kommt es zu peinlichen Momenten.

Eisenmenger will wissen, wieso er die Angaben von Petra M. für "durchaus glaubhaft" hielt. Das sei eben sein subjektiver Eindruck gewesen, antwortet der Mediziner. Habe er denn, um das "Würgen bis zur Bewusstlosigkeit" zu überprüfen, nach den dafür typischen Einblutungen in den Gesichtsschleimhäuten gesucht? Nein, sagt der Arzt. Warum er denn zwei Blutergüsse am Hals als "Würgemale" gekennzeichnet habe? Er sei Kampfsportler, sagt der Zeuge, da wisse er, wie Würgemale aussehen. Warum er nicht die Färbung der Hämatome beschrieben habe, die doch ein wichtiger Anhaltspunkt für das Alter der Verletzung sei? Das müsse nicht im Attest stehen, sagt der Arzt, aber sie hätten jedenfalls "eher frisch" ausgesehen.

Mollath kritisiert "immer wieder andere Versionen"

Von Mollaths Anwalt Gerhard Strate muss sich der Arzt fragen lassen, ob er damals mehrere Atteste mit unterschiedlichen Inhalten ausgestellt habe. Markus R. streitet das nicht ab, hält es gar für "möglich". Später erinnert er sich sogar daran, dass seine Sprechstundenhilfe - die Schwägerin von Petra M. - ihn in ihrem Namen um eine zweite Ausstellung gebeten habe. Strate bittet darum, der Arzt solle doch nach den beiden anderen Dokumenten suchen und auch diese vorlegen.

Auch Petra S. kommt bei der Verteidigung nicht gut weg: "Was wir von der Zeugin gehört haben, erfüllt nicht das Kriterium der Glaubwürdigkeit", sagt Strate. Gustl Mollath selbst schüttelt während ihrer Aussage immer wieder den Kopf. "Es werden hier so viele Unwahrheiten behauptet und immer wieder andere Versionen aufgetischt", sagt der 57-Jährige in einer Verhandlungspause. Zum eigentlichen Sachverhalt will er sich nicht äußern. Am Dienstag hatte er die Vorwürfe zurückgewiesen.

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