Wiederaufbau nach der Flut:Seehofers Expedition ins Notstandsgebiet

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Dort, wo jetzt ein Loch in der Erde klafft, stand einmal das Zuhause der Familie Lang in Fischerdorf. Horst Seehofer verspricht Geld für den Wiederaufbau. (Foto: dpa)

Auf den ersten Blick wirkt zwei Monate nach der Flut in Niederbayern alles wieder wie neu. Aber hinter den Fassaden sieht es anders aus - viele Flutopfer haben alles verloren. Ministerpräsident Seehofer verspricht den Bürgern Geld und Sicherheit. Wirklich helfen kann er aber nicht.

Von Mike Szymanski, Niederalteich

Eigentlich haben die Bürger von Niederalteich ja schon einen Beschützer. Johann Nepomuk ist ihr Schutzpatron gegen Überschwemmungen. Ihm haben sie extra eine kleine Kapelle am Donauufer gebaut. Aber Johann Nepomuk konnte wohl nicht viel ausrichten, als die Juni-Flut über die Gemeinde hereinbrach, sich das Wasser durch die Straßen wälzte, durch die Wände drang. In die Häuser. In das Leben.

Jedenfalls hat Andreas Schreiner, 36, da so eine Idee entwickelt, während er für seinen gerade erst drei Monate alten Sohn Lukas Badewasser notgedrungen mit dem Wasserkocher warm machte, weil die Flut die Heizung zerstört hatte. Künftig könnte ja Ministerpräsident Horst Seehofer seine Hand schützend über Lukas halten. Deshalb steht er jetzt vor dem Feuerwehrgerätehaus in Niederalteich, wo so viel los ist wie sonst wohl nur beim Feuerwehrfest. Schreiner wartet in Badelatschen und mit einem Anliegen. "Nimmt der Ministerpräsident auch Patenschaften an?", fragt er einen aus dem Seehofer-Tross.

Nimmt er nicht. "Fragen kostet ja nichts", meint Schreiner. Er bleibt trotzdem. Mal schauen, ob Seehofer überhaupt etwas mitbringt.

Alles nur Fassade

Expedition ins Notstandsgebiet muss man diese Reise gut zwei Monate nach der Flutkatastrophe wohl nennen. So bezeichnet Niederalteichs Bürgermeister Josef Thalhammer die Gegend, der man erst auf den zweiten Blick ansieht, was sich hier zugetragen hat. Die Gärten sind schon wieder hergerichtet, auch die Häuserfassaden sind meist schon frisch getüncht. Aber hinter den Fassaden sieht es noch anders aus. Auch in den Menschen drinnen.

Seehofers Limousine fährt vor, der Ministerpräsident steigt aus. "Wir sind wieder da", sagt er. "Gott sei Dank", ruft eine Frau mit Dauerwelle, die plötzlich vor ihm steht. Dann folgt dieser Dialog: Seehofer: "Seid's wieder froh?" Bürgerin: "Wir hätten ja eh nichts machen können." Seehofer: "Das ist wahr!"

In der "Pension zum Glück", gleich gegenüber von der Feuerwehr, hätten sie wirklich Glück gehabt, erzählt Susanne Köhler. Nach nur drei Wochen hätten sie schon wieder ihr Haus eröffnen können. Ihr Vater sei früher zur See gefahren, er kenne sich halt aus mit Fluten. Als andere noch glaubten, so schlimm werde es nicht kommen, hatten die Köhlers schon angefangen, ihr Hab und Gut in Sicherheit zu bringen. Die 23-Jährige lacht, als sie davon erzählt. Sie selbst wollte ihrem Vater nicht glauben.

Jeder kann hier seine Geschichte von der Flut erzählen. Frater Vinzenz von der Benediktinerabtei Niederaltaich, die es ebenfalls schwer erwischt hat, erzählt, wie sie neulich auf einem Fest Fotos vom Hochwasser angeschaut hätten und ihm dann wieder das Wasser in die Augen gestiegen sei. "So viel zum Thema, wir haben das im Griff."

Bürgermeister Thalhammer spricht aus, was die Menschen hier erwarten. "Ich hoffe, dass wir in den nächsten Jahren von einer solchen Flut verschont bleiben." Zwar übernimmt Seehofer heute keine Patenschaften für Flutopfer-Babys, aber er bringt eine Garantie mit, von der sich noch zeigen wird, wie viel sie tatsächlich wert ist. "Am Geld wird keine Hochwasserschutzmaßnahme scheitern", verspricht er in Niederalteich. Und wer durch die Flut viel verloren hat, soll großzügig entschädigt werden. Und unbürokratisch.

Das hören die Menschen in den Katastrophengebieten seit Wochen. Für die ersten Tage konnten sie beispielsweise ein Sofortgeld von 1500 Euro beantragen für die nötigsten Dinge, wenn man alles verloren hat. 88 Millionen Euro hat Bayern für solche schnellen Hilfen schon ausgegeben. Richtig teuer wird es jetzt, wenn ganze Häuser ersetzt und Betriebe wieder aufgebaut werden müssen. In einer ersten Tranche stehen für Bayern 600 Millionen Euro zur Verfügung. Seehofer will auch Vorschüsse gewähren, damit die Leute anfangen können. Im August solle jeder Klarheit haben, "wie es für ihn weitergeht". In Niederalteich loben die Bürger Seehofer für sein Krisenmanagement.

Manche haben alles verloren

Wie wichtig schnelle Hilfe ist, erlebt der Ministerpräsident im Deggendorfer Ortsteil Fischerdorf, wo seine Expedition ins Notstandsgebiet vor einer Baugrube endet. Ein tiefes Loch tut sich vor ihm auf. Hinten, im Garten, steht noch eine Kinderschaukel, auf der gerade Bauarbeiter sitzen, weil dies weit und breit der einzige Schattenplatz ist.

Hier hat eine Familie alles verloren, was sie besessen hat. Ein Zuhause.

Fischerdorf hat es wohl am schwersten getroffen. Der Stadtteil ist abgesoffen. Wie Gerippe sehen manche Häuser aus. Der Putz ist runtergeschlagen, Fenster und Türen stehen offen. Karin Lang und ihre Familie gehören zu jenen, die noch einmal neu anfangen müssen. Sie fragt Horst Seehofer: "Müssen wir Angst haben, dass das Hochwasser wiederkommt?" Seehofer sagt, dies müsse sein Umwelt- und damit "Wasser-Minister" Marcel Huber beantworten. Der sagt: "Wir haben keine Hinweise."

© SZ vom 07.08.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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