Wettstreit im Seehofer-Kabinett:Komm nach Hause, Albrecht!

Nürnberg freut sich auf die "größte Dürer-Ausstellung in Deutschland seit 40 Jahren" - doch ausgerechnet das bekannteste Bild des Künstlers fehlt. Seitdem liefern sich Bayerns Ministerpräsident Seehofer und seine Kabinettsmitglieder Söder und Heubisch einen skurrilen Wettstreit um den Titel des Dürer-Heimholers.

Katja Auer und Olaf Przybilla

Der Flyer ist längst gedruckt, und man muss sagen, dass er opulent ausgefallen ist. Er wirbt für die Dürer-Ausstellung, die am 24. Mai im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg beginnen soll, und er lässt schon auf der ersten Seite wenig Zweifel daran erkennen, dass es sich bei der Schau um etwas Gewichtiges handeln wird: "Größte Dürer-Ausstellung in Deutschland seit 40 Jahren", steht da, in der Heimatstadt des Malers trauen sie sich das einzuschätzen.

Man kann in diesem Flyer bereits die Bilder anschauen, die in Nürnberg zu sehen sein werden, es sind zweifellos große Werke: Die "Haller Madonna" des Meisters - ausgeliehen von der National Gallery of Art in Washington.

Dürers Studie "Konstruktion eines idealen Kopfes" - ausgeliehen von der British Library in London. Die "Anbetung der Könige" - Uffizien, Florenz. Und natürlich das "Selbstbildnis als Dreizehnjähriger" - Albertina, Wien. Was fehlt, ist das Werk, das weltberühmt ist. Und die kürzeste Strecke nach Franken zurücklegen müsste: Dürers "Selbstbildnis im Pelzrock".

Nein, dieses Werk werde man definitiv nicht rausrücken, teilten die Staatsgemäldesammlungen in München vor zwei Jahren mit. Nein, dieses Werk sei absolut nicht ausleihbar, erklärte die Alte Pinakothek noch in der vergangenen Woche.

Warum? Gar nicht so sehr, weil es etwa ganz grundsätzlich nicht transportiert werden könnte. Es sei eher so, dass man das Werk den München-Touristen - Japanern, Italienern, Amerikanern - schwer vorenthalten könne. Schließlich druckt die Pinakothek den Dürer-Kopf auf Plastiktüten - da muss sich der Tourist schon auch darauf verlassen können, dass er im Museum zu sehen bekommt, was auf seiner Plastiktüte angepriesen ist, könnte man folgern. Dürer nach Nürnberg? In Franken geht es doch auch ohne.

Seit die Staatsgemäldesammlungen, das Kunstministerium und die Pinakothek vergangene Woche in der SZ ihre Beweggründe für die verweigerte Ausleihe dargelegt haben, ist im Freistaat ein imposanter Wettstreit zu beobachten. Es geht offenbar darum, welches Mitglied des Ministerrats demnächst die Trophäe "Dürer-Heimholer" präsentieren darf.

Ist es Wolfgang Heubisch, der Kunstminister von der FDP, der mit der Sache qua Amt eigentlich seit Monaten betraut sein müsste? Ist es Markus Söder (CSU), Finanzminister aus Franken, der sich grundsätzlich jeder Trophäe für würdig hält?

Oder ist es Horst Seehofer, der Chef der beiden? Er müsste seit vier Monaten ein Schreiben auf dem Tisch liegen haben vom Stadtoberhaupt aus Nürnberg, Ulrich Maly, der darin mit der gebotenen Zurückhaltung um eine kurze Herausgabe des berühmten Dürer-Bildes anfragt - man werde es auch bestimmt wieder zurückbringen.

Seehofer an der Spitze der Dürer-Heimholer

Seehofer hatte es bisher nicht für angemessen gehalten, auf das Schreiben des Nürnberger OB zu antworten. Ließ aber vor zwei Tagen ausrichten, das werde nun zügig erledigt.

Warum? Weil Seehofer sich inzwischen an die Spitze der Dürer-Heimholer gesetzt hat. Er werde sich dafür einsetzen, dass das Bild in Nürnberg zu sehen sei, hatte er am Mittwoch erklären lassen. Dafür werde er die nötigen Gespräche führen. Und zwar mit Herzog Franz, Chef der Wittelsbacher, denen das Bild gehört, wie so viele Kunstschätze. Der Termin für das Gespräch steht bereits.

Inzwischen aber hat Markus Söder längst verkündet, dass er seit langer Zeit an der Heimholung arbeite. Auch habe er dieser Tage lange mit Kunstminister Heubisch verhandelt - dieser "teilt jetzt meine Auffassung": Dürer muss nach Nürnberg. Söder hat das in diesen Tagen vielen Medien in Franken erzählt; und dabei - offenbar als Beleg für die Ernsthaftigkeit seines Anliegens - betont, er habe als Bub das Dürer-Gymnasium besucht.

Wolfgang Heubisch wiederum, der Kunstminister, kann sich an diese Überzeugungsgespräche mit Söder so nicht erinnern. Wer sich mit ihm unterhält, bekommt eine andere Geschichte zu hören: "Ich habe Gespräche schon vor sechs Monaten geführt", sagt er, "und in diesen betont, dass ich große Sympathie für eine Ausleihe des Dürer-Bildes habe." Söder hat ihn also gar nicht überzeugen müssen? Statt einer Antwort lacht Heubisch laut auf: "Ich führe keine solchen Gespräche, wenn ich keine Sympathie hätte."

Seehofer, der das einzig entscheidende Gespräch noch vor sich hat, mag am Donnerstag, als er zu Besuch ist im Landkreis Lichtenfels, eigentlich gar nichts mehr zu dem Thema sagen. Es sei schon zu viel geredet worden.

Nur so viel: "Ich bin sehr unglücklich, ich bin sogar sauer über die öffentliche Diskussion", sagt er. "Denn das muss mit den betroffenen Personen besprochen werden." Weil das nun mal Herzog Franz ist und nicht der Kunstminister oder der Finanzminister, lässt sich aus seinen Worten leicht erschließen, auf wen er sauer ist.

Ob es nun doch noch eine Chance gibt, das Dürer-Bild in dessen Heimat auszustellen, bleibt abzuwarten. Wenn nicht, wird wohl keiner zum Dürer-Heimholer gekürt. Aber wenigstens der Flyer müsste dann nicht neu gedruckt werden.

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