Süddeutsche Zeitung

Wetterbilanz:Es wird Zeit, dass der Sommer kommt

  • Gefühlt hat das Wetter in diesem Frühjahr verrückt gespielt.
  • Doch die Daten weichen nicht extrem von den langjährigen Mitteln der Meteorologen ab.
  • Der Mai und die ersten Juni-Wochen waren dieses Jahr kaum kühler oder wärmer als im 30-Jahres-Schnitt - aber in weiten Teilen Bayerns deutlich feuchter.

Von Matthias Köpf

An diesem Dienstag, dem längsten Tag mit der kürzesten Nacht des Jahres, beginnt rein astronomisch gesehen der Sommer. Damit könnte heuer dieser astronomische Sommeranfang ausnahmsweise mit dem gefühlten zusammenfallen, denn das Wetter soll zumindest vorübergehend wärmer und trockener werden als zuletzt.

Die Meteorologen, die ihren Sommer unter anderem wegen der einfacheren Buchführung stets am 1. Juni beginnen lassen, unterfüttern das verregnete Gefühl der vergangenen Wochen mit Messwerten: Demnach waren der Mai und die ersten Juni-Wochen heuer kaum kühler oder wärmer als im 30-Jahres-Schnitt, aber in weiten Teilen Bayerns deutlich feuchter. Und auch die durchschnittlichen Temperaturen kamen auf besondere Weise zustande: Wegen der vielen Wolken blieben die Tage kühl, aber dafür die Nächte relativ warm.

Während also der Saisonstart in den meisten Freibädern ins Wasser gefallen ist und sich bisher kaum ein Kind auf die übliche Generallizenz zum Barfußgehen in allen Monaten ohne "r" berufen wollte, tröstet man sich beim Bayerischen Bauernverband mit einer alten Bauernregel: "Mai kühl und nass, füllt dem Bauern Scheun' und Fass", zitiert Verbands-Sprecherin Brigitte Scholz mit verhaltenem Optimismus. Denn wo kein lokales Unwetter die Halme geknickt, die Felder überflutet oder gar den ganzen Boden abgetragen hat wie zu Monatsbeginn bei Simbach, da stehe das Getreide recht gut da und brauche jetzt ein bisschen Sonne, um Stärke auszubilden.

Ähnlich gehe es gerade den Erdbeeren, die oft große und prächtige Früchte trügen, aber nun noch an Süße gewinnen könnten. Für die Beeren insgesamt könne es noch ein gutes Jahr werden. Dagegen drohen die Kirschen, wegen des vielen Wassers am Baum zu platzen, sagt Scholz. Mancherorts breiten sich auch Pilzkrankheiten aus wie im Raum Rosenheim, wo die Schrotschusskrankheit erst braune Flecken und dann Löcher im Laub der Kirschbäume zurücklässt. Wirtschaftlich spielt der Kirschenanbau dort aber keine entscheidende Rolle.

Doch auch in Franken oder am Bodensee fürchten viele Obstbauern wegen des kalten Frühjahrs und Frühsommers um Teile ihrer Ernte, heißt es vom Bauernverband weiter. Beim Spargel, dessen Saison traditionell am 24. Juni endet, war es laut Bauernverband anfangs zu kühl und teilweise zu nass für ein wirklich gutes Jahr, und auch im Grünland haben die Bauern oft noch keinen Heuschnitt im Stadel. Dazu brauche es mindestens eine warme und trockene Woche. Insgesamt sei 2016 aus landwirtschaftlicher Sicht aber noch kein besonders außergewöhnliches Jahr.

Wirklich extrem war das Wetter nur an wenigen Orten

Die echten Extreme beschränken sich auch aus Sicht der Meteorologen wegen der umherziehenden Gewitterzellen auf einzelne Landstriche oder gar einzelne Orte. So hat der Deutsche Wetterdienst (DWD) bei der verheerenden Unwetterkatastrophe im niederbayerischen Simbach am 1. Juni 108,9 Liter Regen pro Quadratmeter registriert, an dieser Messstation war das mehr als je zuvor an einem Junitag.

Welche Mengen da auf einmal niedergingen, das zeigt sich im Vergleich mit dem Chiemgau. Der war nach Angaben des Deutschen Wetterdiensts im Monat Mai mit teilweise mehr als 270 Litern pro Quadratmeter bundesweit die regenreichste Region - dies aber in einem ganzen Monat und nicht an einem einzigen Tag. Während die vergangenen Wochen in Simbach wegen des einen Starkregentags auch im Durchschnitt extrem nass waren, registrierte der DWD im nicht einmal 50 Kilometer entfernten Trostberg sogar einen eher zu trockenen Frühsommer. Um in Fällen wie in Simbach effektiver warnen zu können, hat der DWD eine Unwetter-App für Mobiltelefone entwickelt.

Extrem erwischt hat es in einem bayernweit bisher sehr feuchten Juni auch einige Orte im Kreis Weilheim-Schongau. In Peißenberg musste die Feuerwehr binnen weniger Tage dreimal Keller auspumpen, und für das nahe Polling galt zwischenzeitlich Katastrophenalarm. Dort haben die Augustiner-Chorherren einst das Wasser des Tiefenbachs über ein künstliches, höher gelegtes Bett mitten durchs Dorf auf ihre Mühlen geleitet. Dass ihnen eine Überflutung drohen könnte, hätten die Pollinger seit Jahrzehnten gewusst, ohne viel zu unternehmen, sagt die heutige Bürgermeisterin Felicitas Betz. Gerade habe das THW die letzte Pumpe abgezogen. Jetzt könne der Sommer kommen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3042283
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 21.06.2016/vewo
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.