Wertingen:Fleischhändler macht reinen Tisch

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Einblicke in ein kriminelles Netzwerk: Das Geständnis des Wertinger Metzgers zeigt, wie leicht sich Schlachtabfälle in Lebensmittel verwandeln lassen.

Klaus Ott

Die handschriftliche Notiz, die zwei Gäste eines Wirtshauses im schwäbischen Wertingen Mitte August anfertigten und die inzwischen in Kriminalakten abgeheftet ist, liest sich wie ein Einkaufszettel für den Metzger um die Ecke. Mit dem kleinen Unterschied, dass die Mengen etwas größer ausfielen, als das an der Ladentheke üblich ist. Statt um Gramm ging es um Tonnen. Kalbsleber und Pute standen auf der Liste, dazu Rostbeaf, Carpaccio oder Rinderfilet.

Insgesamt waren es gut 50 Tonnen, die nach Wertingen geliefert werden sollten, einem Städtchen an der Zusam zwischen Augsburg und Donauwörth. Ein Teil der Ware kam dort zehn Tage später auch noch an, doch dann war Schluss mit dem Geschäft. Ende August stoppten Polizei und Staatsanwaltschaft den florierenden Handel mit K3-Fleisch. Das sind Schlachtabfälle, im Volksmund schlicht Gammelfleisch genannt.

"Ranzig und muffig"

Ein in Wertingen ansässiger Metzgermeister hatte die K3-Ware aus Norddeutschland bezogen, umetikettiert und mit Gewinn als Lebensmittel weiterverkauft, etwa an Döner-Firmen in Berlin. Dort und anderswo im In- und Ausland wurde das Fleisch, das nicht mehr als Braten oder Steak taugte, fleißig verspeist. Bayern hatte seinen nächsten Gammelfleischskandal, ausgelöst durch den Wertinger Metzgermeister, der noch Mitte August mit einem seiner Geschäftspartner im Gasthaus die nächsten Lieferungen verabredet und notiert hatte.

Der Metzgermeister, ein vorbestrafter und hoch verschuldeter Unternehmer, machte anschließend wenigstens in einer Hinsicht reinen Tisch. Er legte ein umfassendes Geständnis ab, das in bayerischen Behörden genauestens analysiert wird. Abgesandte des Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit waren bei der Vernehmung zugegen. Einen halben Tag soll die Aussage des Wertinger Firmenchefs gedauert haben, und wieder einmal zeigt sich: Von Bayern aus lassen sich verblüffend leicht Schlachtabfälle als "Wertfleisch", so lautet der Name der Wertinger Firma, in den Handel und auf die Teller bringen.

Die Firma konnte problemlos über ein Jahr lang die K3-Ware absetzen, die teils wochenlang in ihrem Kühlhaus lagerte. Erst als ein misstrauisch gewordener Lastwagenfahrer die Behörden alarmierte, war es aus und vorbei mit dem Geschäft. Nun hofft der Münchner Anwalt des schwäbischen Fleischhändlers, Florian Ufer, auf ein "objektives und faires Verfahren, losgelöst von dem politischen Wirbel", den die Sache ausgelöst hat.

Der Metzgermeister hat sich bei seinem Geständnis keineswegs auf die mangelhaften Kontrollen herauszureden versucht. Er hat einfach nur erzählt, wie alles gelaufen ist, und der Kripo wertvolle Hinweise auf ein kriminelles, gut funktionierendes Netzwerk gegeben. Die erste Lieferung nach Schwaben kam im Juni 2006, nachdem ein Fleischhändler aus Norddeutschland die K3-Ware angeboten hatte. Als die Paletten abgeladen waren, entfernte der Wertinger Firmenchef einfach den Hinweis: "Für den menschlichen Verzehr nicht geeignet."

Binnen weniger Sekunden war aus dem Schlachtabfall ein Nahrungsmittel geworden. Acht oder neun Mal ging das so, im Schnitt wurden jeweils rund 20Tonnen Fleisch auf diese Weise aufgewertet, die von zwei Betrieben aus Norddeutschland stammten. Anfangs kostete die K3-Ware 50 Cent pro Kilo, später stieg der Preis auf bis zu 85 Cent. Von seinen Abnehmern verlangte der Wertinger Metzgermeister den doppelten Betrag und mehr, was immer noch billig war, verglichen mit marktüblichen Tarifen.

An Interessenten mangelte es nicht. Seinem Geständnis zufolge veräußerte der schwäbische Fleischhändler die K3-Ware an die Firma Gold-Döner in Berlin, andere Döner-Betriebe, sowie an 100 Privatkunden aus dem Ausland. Sie haben geglaubt, die Rinderviertel und Puten seien noch in Ordnung. Das besagten auch die neuen, fingierten Papiere. Die hat der Metzgermeister nach seinen Angaben selbst an die Paletten geheftet. Die Behörden kamen zu einem anderen Ergebnis. Zahlreiche Proben der beschlagnahmten Schlachtabfälle seien "ranzig, muffig und alt" gewesen.

Warum er so gehandelt habe, sagte der Metzgermeister bei seinem Geständnis ebenfalls: aus Geldnot. Er sei mit etwa einer halben Million Euro verschuldet. Manchmal habe er sogar seine Lieferanten vertrösten müssen und die K3-Ware erst später bezahlen können. Oft habe er Bargeld per Post geschickt oder auf den Tisch gelegt, beispielsweise auch bei dem Treffen mit einem seiner beiden norddeutschen Geschäftspartner Mitte August im einem Wertinger Gasthaus.

Abgebranntes Kühlhaus

Der Mann aus dem Norden sei nach Bayern gekommen, erzählte der Metzgermeister den Behörden, um eine Firma aus Illertissen zu kaufen. Dieses Unternehmen soll in noch größerem Stil Schlachtabfälle in Umlauf gebracht haben, insgesamt mehr als 300 Tonnen. Gegen den ehemaligen Chef hat die Staatsanwaltschaft Memmingen mittlerweile Anklage wegen Betrugs und anderer Delikte erhoben.

Die Firma in Illertissen hätte dem norddeutschen K3-Händler wohl gut in sein Konzept gepasst, doch daraus wird nun nichts mehr. Und das nicht nur, weil der Wertinger Metzgermeister ausgepackt hat. Das Kühlhaus in Illertissen ist, welch Zufall, kürzlich abgebrannt.

© SZ vom 15./16.9.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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