Werdenfelsbahn:Unterwegs mit der Abenteuerbahn

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Die Werdenfelsbahn - ein Pendlerzug mit unglaublich wenig Platz und viel Gedränge. (Foto: Franziska Rauch)

Wer von Garmisch nach München pendelt, muss sich auf Überraschungen gefasst machen. Züge sind chronisch verspätet oder fallen aus. Nun wehren sich die Fahrgäste mit einer Online-Petition.

Von Franziska Rauch, Garmisch/München

Das fängt ja schon mal ganz gut an: Es ist noch dunkel, als im Bahnhof von Garmisch-Partenkirchen der Pendlerzug nach München einfährt. Pünktlich um 7.02 Uhr, was für sich schon fast wieder eine Nachricht wert ist. Denn der Fahrplan der Werdenfelsbahn folgt in diesen Wochen dem Zufallsprinzip: Irgendwann fährt irgendein Zug. Das wird auch an diesem Morgen in Garmisch-Partenkirchen deutlich. Nach drei Minuten schallt die Stimme des Schaffners durch den Waggon: "Verehrte Fahrgäste, die Abfahrt wird sich um zirka 15 Minuten verzögern. Grund dafür ist das Warten auf ein Kind." Die Fahrgäste rollen mit den Augen und schnauben genervt. Es geht also wieder los. Willkommen in der Werdenfelsbahn.

Achim von der Osten langt es. Der Mann aus Huglfing will die ständigen Verspätungen nicht mehr länger hinnehmen. Mal sind es nur ein paar Minuten, dann fallen Züge ganz aus. Seit Wochen herrscht auf der Strecke Chaos. Am Freitag hat er deshalb eine Online-Petition an den Landtag gestartet. "Ich habe einfach die Schnauze voll", sagt er. Nicht nur er: Mit so viel Interesse und Zuspruch hat von der Osten nicht gerechnet. 875 Unterschriften hat der verärgerte Pendler binnen weniger Tage schon gesammelt, jetzt steuert die 1000er-Marke an. "Selbst wenn die Aktion nichts Konkretes bringt, ist es doch eine Stimme, die man sich gibt", sagt er.

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An diesem Morgen fährt der Zug in Garmisch mit etwa zehn Minuten Verspätung los, die er bis Huglfing nicht aufholt. Dort steigt von der Osten ein, aber nur deshalb, weil der Zug davor ausgefallen ist. Er zückt sein Smartphone: "Halt entfällt", steht da lapidar. Es geht alles schief, was schiefgehen kann. Beim Aufzählen von Beispielen werfen sich die beiden Pendler von der Osten und Jana Bergander, die ihm gegenüber sitzt, die Bälle zu. "Entweder man wartet auf einen verspäteten Zug oder auf fehlende Zugteile", erzählt von der Osten. "Signalstörungen!", wirft die 18-jährige Auszubildende Bergander ein.

Bald erreicht der Zug an diesem Morgen Tutzing, das ist der neuralgische Punkte auf der Strecke: "Das Koppeln in Tutzing funktioniert fast nie reibungslos", sagt von der Osten. Seit der Fahrplanänderung Mitte Dezember muss in Tutzing der Zug aus Kochel an den aus Garmisch angehängt werden. Das sollte eigentlich ein Fortschritt sein, weil das Umsteigen entfällt. Das Problem dabei: Sowohl die Strecke von Kochel nach Tutzing als auch die Strecke von Garmisch nach Tutzing ist eingleisig. Züge müssen warten, wenn ein Gegenzug Verspätung hat. Und wenn sie dann tatsächlich einfahren, gibt es das nächste Problem: "Beim Ankoppeln fällt manchmal sogar ein gesamtes Zugteil aus", sagt von der Osten.

Um acht Uhr hat die Werdenfelsbahn an diesem Morgen bereits 14 Minuten Verspätung - was fast schon normal ist. Osten erzählt von falschen Ansagen, verrückten Anzeigetafeln, ein Fahrgast neben ihm berichtet vom sarkastischen Kommentar eines Lokführers: "Leider hat das Ankoppeln heute einwandfrei funktionier, sodass wir planmäßig weiterfahren können."

"Total unbequem"

Jana Bergander sammelt mittlerweile die Verspätungsminuten. Die lässt sie sich an einer Infobox am Münchner Hauptbahnhof bestätigen. Dreimal hat ihr Vater schon die Bahn angeschrieben und um Entschädigung geben. "Bis jetzt haben wir noch nie etwas bekommen", sagt sie. Die neuen Züge findet sie "total unbequem". Nach einer Stunde Fahrt tut ihr der Rücken weh. "Es schüttelt wirklich arg. Außerdem ist es viel lauter als in den alten Zügen." Auch von der Osten ist es zu eng. "Ich habe vielleicht kein Norm-Maß. Aber man kommt sich hier einfach zwangsläufig näher. Ich mag's einfach nicht."

So geht es anderen auch. Die Verspätungen nerven, aber erst recht die Züge: Dem neuen "Talent 2" können die Fahrgäste nicht viel abgewinnen. Karl Brandner aus Eschenlohe fährt Erster Klasse, damit er im Zug ungestört arbeiten kann. Zwecklos. "Es rüttelt und vibriert, da kann ich nicht mal auf dem Pad tippen", schimpft Brandner und wackelt mit seinen Händen in Schreibmaschinenhaltung über seinem Klapptisch, um die Situation zu veranschaulichen. Außerdem seien die Plätze viel zu eng.

Für Koffer gebe es auch in der Ersten Klasse kaum Stauraum, Reisende stapeln ihr Gepäck auf den Sitzen. Dafür zahlt Brandner ordentlich. "Das wäre auch okay, wenn die Leistung stimmt", sagt er. Bloß: Vormittags kann er keine Termine mehr ausmachen - wegen der Verspätungen. Die Wut im Bauch macht ihn kreativ: "Ich habe jetzt angefangen, eine Excel-Statistik zu führen", sagt Brandner. "Vielleicht kann ich die ja mal irgendwo vorlegen."

Von der Osten sitzt mit drei anderen Fahrgästen in der Querulantenloge, wie er es nennt. Das Quartett führt ein Kunststück vor: Die Tischchen mit integriertem Mülleimer. Wird der Tisch hochgeklappt, öffnet sich zugleich die Abfallklappe, der Inhalt entleert sich auf den Fahrgast. "Da steckt bestimmt ein tieferer Sinn dahinter", witzelt von der Osten. Er steigt wie die meisten anderen am Münchner Hauptbahnhof aus. 14 Minuten Verspätung an diesem Freitag. Die Rückfahrt, das weiß Osten, könnte wieder ein Abenteuer werden.

© SZ vom 25.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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