Weniger Soldaten in Bayern:Schmerzhafte Sparmaßnahmen

Tiefe Einschnitte bei der Bundeswehr: Verteidigungsminister de Maizière streicht alleine in Bayern 20.000 Dienstposten. Drei Standorte werden komplett aufgelöst, zahlreiche Stützpunkte drastisch zusammengeschrumpft. Die Staatsregierung fordert bereits Hilfen für betroffene Kommunen.

Mit Grafik.

Bundesverteidigungsminster Thomas de Maizière (CDU) schrumpft die Bundeswehr zusammen - und Bayern ist massiv betroffen. Fast 20.000 der 50.700 Dienstposten im Freistaat sollen wegfallen. Das geht aus dem neuen Standortkonzept des Verteidigungsministeriums hervor, das am Mittwoch in Berlin vorgelegt wurde. Drei werden komplett geschlossen: Penzing, Fürstenfeldbruck und Kaufbeuren.

Bundeswehrreform, Bayern, 2011

Einen Überblick über die Bundeswehr-Standorte in Bayern finden Sie auf dieser Übersichtskarte.

(Foto: Bundeswehr)

Trotzig hat die Gemeinde Penzing auf die Schließung ihres Bundeswehrstandorts reagiert. Hier gibt es derzeit 2350 Beschäftige "Wir wollen unseren Fliegerhorst nicht verlieren", sagte Bürgermeister Johannes Erhard am Mittwoch in einer ersten Reaktion. Die Kaserne sei der größte Arbeitgeber im gesamten Landkreis. In Penzing ist neben einem Flugabwehrraketengeschwader das Lufttransportgeschwader (LTG) 61 stationiert, das als Drehscheibe des Südens für Hilfsflüge in alle Welt gilt. Von dort starten und landen die schweren Transall-Transportmaschinen sowie Hubschrauber-Rettungsflüge etwa bei Unfällen in den Alpen. Es war bereits beschlossene Sache, dass das LTG 61 im Jahr 2020 abgezogen wird. Nach Informationen des Bayerischen Rundfunks (BR) bleibt es so lange dort stationiert.

In Fürstenfeldbruck hatte die Stadtverwaltung bereits damit gerechnet, dass die Offizierschule der Bundeswehr geschlossen werden könnte - zu teuer war die Sanierung des Gebäudes im Brucker Fliegerhorst. Dass jedoch der gesamte Standort den Sparplänen zum Opfer fällt, damit hatte Oberbürgermeister Sepp Kellerer (CSU) nicht gerechnet.

Nun werden in Fürstenfeldbruck neben der Luftwaffendivision und dem Kraftfahrausbildungszentrum auch das Bundeswehr-Dienstleistungszentrum und das Sanitätszentrum aufgelöst. Das Flugmedizinische Institut der Luftwaffe wird nach Köln verlegt, der Sektor für Informationstechnik nach Schortens und Teile des Amts für Geoinformationswesen nach Euskirchen. In einer ersten Reaktion bezeichnete der Brucker OB die Auflösung des Fliegerhorsts als "schmerzlichen Eingriff". "Ich hätte nicht geglaubt, dass der Standort komplett aufgelöst wird, denn er hat bei den Führungskräften der Luftwaffe einen sehr guten Namen", sagte Kellerer. Auch wegen der "vielfältigen persönlichen Beziehungen" brächte nun ein wichtiger Teil der Stadt und deren Identität weg.

Als "schweren Schlag für den Raum Fürstenfeldbruck" bezeichnet Landtagsvize Reinhold Bocklet (CSU) die Schließung und den damit verbundenen Wegfall von 1240 Dienstposten. Die Auflösung des Fliegerhorsts bringe "erhebliche Nachteile für die betroffenen Menschen, den Arbeitsmarkt und die Wirtschaftskraft". Weniger dramatisch sieht Martin Runge, der Gröbenzeller Landtagsabgeordnete der Grünen, die Entscheidung gegen den Brucker Fliegerhorst. Für Krokodilstränen nach dem Motto "wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass" habe er kein Verständnis. Angesichts des Zuzugs und des starken Siedlungsdrucks in der Region München sei die Entscheidung nicht das Schlechteste. Kritik äußerte Runge an der Bundeswehrreform selbst. Entscheidend müsse sein, was die Bundeswehr brauche und was sie sich noch leisten könne, sagte der Landtagsabgeordnete der Grünen.

In Kaufbeuren werden alle 880 Dienstposten gestrichen. Entsprechend entsetzt ist der Kaufbeurer Oberbürgermeister Stefan Bosse: "Das ist ein katastrophaler Einschnitt für unsere Stadt und die gesamte Region", sagte der CSU-Politiker. Kaufbeuren läge ohnehin in einer strukturschwachen Region, jetzt verliere die Stadt den mit Abstand größten Arbeitgeber. "Ich sehe nicht, wie wir das kompensieren können", sagte der Oberbürgermeister. Bisher hingen in Kaufbeuren an der Bundeswehr 1100 feste Arbeitsplätze, hinzu kämen etwa 600 Lehrgangsteilnehmer. "Uns trifft es doppelt", klagte der Rathauschef.

Staatsregierung kündigt Hilfen an

Die Staatsregierung kündigte bereits Hilfen für die betroffenen Regionen an. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung soll das bayerische Finanzministerium Spielräume für landeseigene Strukturhilfen ausloten. Finanzminister Georg Fahrenschon (CSU) zeigte sich kämpferisch: "Wir können nicht zulassen, dass die Folgen der Bundeswehrreform die Probleme im ländlichen Raum weiter verschärfen." Bereits im Nachtragshaushalt, der zurzeit verhandelt wird, könnte dafür Geld bereitgestellt werden.

Schliessung von Bundeswehrstandorten

Demnächst Geschichte: der Fliegerhorst in Penzing bei Landsberg.

(Foto: dapd)

Auch Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sprach sich für Hilfen aus, sieht aber in erster Linie den Bund gefordert. "Wir brauchen für die Standorte, die tatsächlich stillgelegt werden, ein Konversionsprogramm." Die Folgen "würden in ihrer Gesamtheit für Bayern noch erträglich sein", so Herrmann.

Einen Appell sendete der SPD-Politiker Ulrich Maly nach Berlin. Der Nürnberger Oberbürgermeister, der auch Vorsitzender des Bayerischen Städtetags ist, forderte den Bund auf, die von der Schließung betroffenen Städte nicht im Stich zu lassen. Maly sagte, die Kasernenflächen müssten zu einem maßvollen Preis an Kommunen, aber auch an private Investoren verkauft werden.

Ausgleichsmaßnahmen für die betroffenen Kommunen fordert auch SPD-Landeschef Florian Pronold. Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) wirft er vor, seine "Hände in Unschuld zu waschen" und poltert: "Wenn er sich jetzt hinstellt und so tut, als habe er das alles verhindern wollen, ist das Volksverdummung". Dabei habe er den Koalitionsvertrag in Berlin mit unterzeichnet. Zudem bezeichnet er es als "fatalen Fehler", dass die CSU nach dem Rücktritt von Karl-Theodor zu Guttenberg das Verteidigungsministerium an die CDU abgetreten habe. "Damit trägt Seehofer Verantwortung für die Folgen."

Kritik kommt auch von der SPD-Politikerin Susanne Kastner. Leider sei Verteidigungsminister de Maizière nicht dem Vorschlag gefolgt, die Standorte in München zugunsten des ländlichen Raums zu schließen, klagte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag.

Neben den drei Standorten, die geschlossen werden sollen, sind auch andere Kasernen von den Reformplänen betroffen. Künftig wird es im Freistaat nur noch 31.000 Dienstposten geben. In Kempten bleiben von 870 Dienstposten gerade einmal sechs übrig. Zusammengestrichen wird auch der Standort Donauwörth, wo von 1150 Stellen nur noch 130 übrig bleiben. In Erding wird von 1190 auf 290 Stellen reduziert.

Für Erdings Bürgermeister Max Gotz (CSU) war bereits klar, dass auch seine Stadt von den Streichplänen betroffen sein könnte. Es wäre "vermessen zu erwarten, dass eine Region mit nur zwei Prozent Arbeitslosen ungeschoren davon kommt und in anderen Regionen mit acht Prozent Arbeitslosenquote Standorte dicht gemacht werden". Schmerzhaft sei jedoch, dass viele Ausbildungsplätze nun wegfielen, sagte Gotz. Vom Bund erwartet der Bürgermeister nun, dass die "dringend erforderlichen" Infrastrukturmaßnahmen - etwa der S-Bahn-Ringschluss zum Flughafen sowie der Bau von Straßen - bald umgesetzt werden.

Erleichterung herrscht dagegen in Roth. Hier wird von bislang 2820 Stellen auf 540 reduziert. obwohl dieser Standort auf knapp ein Fünftel der bisherigen Stellen reduziert wird. "Ich bin heilfroh, dass der Bundeswehrstandort erhalten werden konnte", sagte Bürgermeister Ralph Edelhäußer (CSU). Dass das mittelfränkische Roth mit seinen knapp 25.000 Einwohnern trotz der Reform als Garnisonsstadt bestehen bleibe, lasse ihm einen Stein vom Herzen fallen. "Das andere wäre der Super-GAU gewesen." Nun müssten alle Beteiligten erstmal "durchschnaufen und froh sein", sagte das erst seit März regierende Stadtoberhaupt.

Insgesamt will de Maizière in den kommenden Jahren bundesweit 31 Standorte schließen - und dabei werden manche Bundesländer noch weitaus stärker betroffen sein als Bayern. Besonders hart treffen die Sparpläne Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz, wo acht beziehungsweise fünf Standorte dicht gemacht werden. Glimpflich davon kommen dagegen die meisten ostdeutschen Bundesländer: Hier gibt es insgesamt fünf Schließungen, davon drei in Mecklenburg-Vorpommern.

Das neue Stationierungskonzept ist eine Folge der Abkehr von der Wehrpflicht und der Verkleinerung der Streitkräfte auf künftig noch bis zu 185.000 Soldaten. Teil des Plans ist auch eine Neuordnung der Führungsstruktur der Bundeswehr. Das Führungskommando des Heeres wird im brandenburgischen Strausberg angesiedelt, das der Luftwaffe in Berlin-Gatow. Neuer Sitz des Marinekommandos wird Rostock, der Sanitätsdienst wird künftig von Koblenz aus kommandiert und die Streitkräftebasis, die für Logistik zuständig ist, aus Bonn. Erster Dienstsitz des Verteidigungsministeriums bleibt Bonn, wie de Maizière bereits vorab bekannt gegeben hatte.

Folgende bayerische Bundeswehrstandorte werden aufgegeben:

Fürstenfeldbruck: Betroffen sind 1240 Dienstposten.

Aufgelöst wird das Kommando 1 Luftwaffendivision, das Kraftfahrausbildungszentrum, das Bundeswehr-Dienstleistungszentrum, das Sanittäszentrum

Verlegt wird das Flugmedizinische Institut der Luftwaffe nach Köln, der Sektor für Informationstechnik 1 nach Schortens, Teile des Amtes für Geoinformationswesen der Bundeswehr nach Euskirchen.

Kaufbeuren: Betroffen sind 880 Dienstposten

Aufgelöst wird die Technische Schule der Luftwaffe 1, das Bundeswehr-Dienstleistungszentrum, das Sanitätszentrum.

Penzing: Betroffen sind 2350 Dienstposten.

Aufgelöst wird die Flugabwehrraketengruppe 22, das Lufttransportgeschwader 61, das Sanitätszentrum.

An folgenden Standorten werden Dienstposten signifikant reduziert

Altenstadt: Reduzierung von 720 auf 190 Dienstposten.

Aufgelöst wird die Luftlande- und Lufttransportschule

Verlegt wird die Sportfördergruppe nach Oldenburg i. O.

Amberg: Reduzierung von 460 auf 90 Dienstposten.

Aufgelöst wird das 4. Feldjägerbataillon 451

Verlegt wird die Panzerbrigade 12 nach Cham.

Bamberg: Reduzierung von 60 auf 6 Dienstposten.

Aufgelöst wird das Kreiswehrersatzamt.

Bayerisch Eisenstein: Reduzierung von 50 auf 20 Dienstposten.

Deggendorf: Reduzierung von 30 auf 6 Dienstposten.

Aufgelöst wird das Kreiswehrersatzamtes Regensburg Musterungszentrum.

Donauwörth: Reduzierung von 1150 auf 130 Dienstposten.

Aufgelöst wird die Bataillon Elektronische Kampfführung 922, die Sanitätsstaffel.

Erding: Reduzierung von 1190 auf 220 Dienstposten.

Aufgelöst wird das Luftwaffeninstandhaltungsregiment 1, das Systemzentrum Luffahrzeugtechnik, das Materialdepot, die Sanitätsstaffel

Freising: Reduzierung von 30 auf 20 Dienstposten

Füssen: Reduzierung von 1650 auf 1090 Dienstposten

Hammelburg: Reduzierung von 2280 auf 1300 Dienstposten

Aufgelöst wird das Jägerregiment 1, die Rekrutenkompanie 1

Kempten: Reduzierung von 870 auf 6 Dienstposten

Aufgelöst werden das Kreiswehrersatzamt, das Fachsanitätszentrum, das Gebirgssanitätsregiment 42

Manching: Reduzierung von 1780 auf 1230 Dienstposten

Aufgelöst werden das Flugabwehrraktengeschwader 5, die Flugabwehrraktengruppe 23

München: Reduzierung von 2520 auf 1570 Dienstposten

Aufgelöst wird das Wehrbereichskommando IV, das Kreiswehrersatzamt, die Wehrbereichsverwaltung Süd Außenstelle, die Fachschule Rettungsdienst, das Sanitätsamt der Bundeswehr

Regensburg: Reduzierung von 100 auf 10 Dienstposten

Aufgelöst wird das Kreiswehrersatzamt

Roth: Reduzierung von 2820 auf 540 Dienstposten

Aufgelöst wird das Kampfhubschrauberregiment 26, die Flugabwehrraketengruppe 23, das II. Bataillon Luftwaffenausbildungsregiment, das Luftwaffenausbildungsregiment

Sonthofen: Reduzierung von 1120 auf 590 Dienstposten

Aufgelöst wird das 3. ABC Abwehrregiment 750, die Leichte ABC-Abwehrkompanie 110, die Leichte ABC-Abwehrkompanie 120

Traunstein: Reduzierung von 50 auf 6 Dienstposten

Aufgelöst wird das Kreiswehrersatzamt

Untermeitingen: Reduzierung von 1620 auf 570 Dienstposten

Aufgelöst wird das Jagdbombergeschwader 32

Volkach: Reduzierung von 1830 auf 1150 Dienstposten

Aufgelöst wird das Instandsetzungsbataillon

Wildflecken: Reduzierung von 800 auf 390 Dienstposten

Aufgelöst wird das Vereinte Nationen Ausbildungszentrum, die Sanitätsstaffel

Würzburg: Reduzierung von 80 auf 6 Dienstposten

Aufgelöst wird das Kreiswehrersatzamt

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