Weltbild und der Frauen-Porno:Sündhafter Erfolg

Sexismus ja, Aufklärung nein: Der kirchliche Weltbild-Verlag verbannt zwar das Aufklärungsbuch "Make Love" aus dem Sortiment, vertreibt dafür aber die Sadomaso-Trilogie "Shades of Grey" - versehen mit einem ungewöhnlichen Hinweis.

Stefan Mayr, Augsburg

Erst vor zwei Wochen schien es so zu sein, als wäre der monatelange Streit um den kirchlichen Weltbild-Verlag endlich beendet. Nachdem sich selbst der Papst eingemischt hatte, weil die Augsburger Verlagsgruppe auf ihren Internetseiten erotische und esoterische Bücher verkaufte, beschlossen die deutschen Bischöfe Ende Juni, ihre Gesellschaftsanteilen abzugeben und in eine Stiftung zu überführen.

Erotikroman 'Shades of Grey'

In den Filialen des Augsburger Weltbild-Verlages werden moralisch höchst umstrittene Druckwerke wie Shades of Grey nach wie vor verkauft.

(Foto: dapd)

Alle atmeten auf, die Mitarbeiter, die Geistlichen, und die Manager hofften, damit sei der Konflikt um die katholisch-publizistische Doppelmoral auf ewig aus der Welt geräumt. Denkste.

Seit einigen Tagen kocht die Diskussion wieder hoch - und deren Temperatur scheint höher zu steigen als je zuvor. Grund des Ärgers: Weltbild und seine Partner-Unternehmen Hugendubel und buecher.de verkaufen den umstrittenen und vielerorts als niveaulos bezeichneten sexistischen Bestseller "Shades of Grey". Gleichzeitig wurde aber das sachliche Aufklärungsbuch "Make Love" aus dem Programm gestrichen.

Diese Geschäftspolitik löste in der Branche Kopfschütteln aus - und bei einzelnen Personen sogar Wut. So heißt es aus dem Bistum Augsburg, dass Bischof Konrad Zdarsa sehr erzürnt sei über den Vertrieb der Sadomaso-Trilogie. Manche Bedienstete der Diözese spekulieren sogar, ob Weltbild-Geschäftsführer Carel Halff mit dieser Entscheidung womöglich ein Eigentor geschossen habe, das fatale Folgen für ihn haben könnte. Sein Vertrag läuft zwar noch bis 2015, aber so mancher Bischof würde ihn nach dieser neuerlichen Eskapade wohl lieber heute als morgen loswerden.

Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Kunden auf den Internetseiten von Weltbild und Hugendubel vor dem Kauf des Buches gewarnt werden: "Wir sehen das Buch als sehr problematisch an", steht da geschrieben, "die hier beschriebene Unterwerfung der Frau widerspricht dem Welt- und Menschenbild, von dem wir uns als Buchhändler leiten lassen." Aber der rote Button "In den Warenkorb" ist und bleibt nur wenige Zentimeter entfernt.

Viele Geistliche können dieses Geschäftsgebaren nicht nachvollziehen. Der Verlag verteidigt sich jedoch mit der "Omnipräsenz" des Buches, "die sich unserer Einflussnahme entzieht". Der Verlag "distanziert sich inhaltlich von diesem Titel" und "gibt kritischen Stimmen Raum". Weltbild wolle "nichts tun, die Verbreitung dieses Titels zu fördern". Ein Satz, der mindestens eine Frage offen lässt: Ist Verkaufen keine Förderung der Verbreitung?

Den Warntext veröffentlichen auch nicht alle Verkäufer aus der Weltbild Verlagsgruppe. Der Internethändler buecher.de, an dem Weltbild zu 33 Prozent beteiligt ist, bewirbt das Buch mit Werbebannern und einem "Special" ("Über diese Bücher spricht die Welt").

Sogar in der Augsburger Filiale der Weltbild-Tochter Jokers steht das Buch im Regal "Belletristik". Und das, obwohl es gar nicht ins Programm passt, denn Jokers nennt sich selbst "modernes Antiquariat" und "Restseller".

"Verharmlosender Umgang mit dem Thema Abtreibung"

Dass ein unliebsames Werk technisch sehr einfach aus dem Shop- und Online-Sortiment verbannt werden kann, beweist Weltbild nun in einem anderen umstrittenen Fall: "Make Love", ein sachliches Aufklärungsbuch für Jugendliche, wird mit maximaler Konsequenz nicht verkauft.

Dies kann Till Tolkemitt, Verleger des betroffenen Verlages Rogner & Bernhard, nicht fassen: "Aufklärung nein, Schmuddel-Porno ja, das kann einfach nicht die Einstellung der katholischen Kirche sein", sagt er. "Wir fordern Weltbild auf, keine Programmzensur zu betreiben und sowohl Shades of Grey als auch das viel wichtigere Make Love, das man quasi als Gegen-Porno und Pro-Liebesbuch bezeichnen kann, zu verkaufen."

Weltbild begründet den Bann mit der Furcht, dass "Kinder und Jugendliche negativ beeinträchtigt" werden könnten. "Exemplarisch hierfür" sei "ein verharmlosender Umgang mit dem Thema Abtreibung".

Viele Geistliche fragen sich nun, ob Carel Halff sein Vorgehen mit den Bischöfen respektive dem Aufsichtsrat abgesprochen hat. Die Deutsche Bischofskonferenz will sich zu dem Fall nicht äußern und verweist auf den Vorsitzenden des Weltbild-Aufsichtsrates, Peter Beer.

Der ist Generalvikar des Erzbistums München-Freising, doch die dortige Pressestelle verweist wiederum auf die Weltbild-Zentrale. Dieses Schweigen des Aufsichtsrats-Chefs wird in Kirchenkreisen als durchaus bemerkenswert erachtet. Auch Weltbild selbst will diese Frage trotz zweimaligen Nachhakens nicht beantworten.

Der neueste Jahresabschluss der Verlagsgruppe spricht klar für Geschäftsführer Halff: Der Umsatz stieg auf 1,655 Milliarden Euro. Nach Angaben des Marktforschungsinstituts GfK ist Weltbild zum drittgrößten Online-Shop Deutschlands nach Amazon und Ebay aufgestiegen. Der Bilanzgewinn 2011 betrug 80 Millionen Euro, davon schüttete der Verlag 51 Millionen an die Gesellschafter aus.

Diese sind zwölf katholische deutsche Diözesen, der Verband der Diözesen Deutschlands und die katholische Soldatenseelsorge Berlin. Sie steckten 49 Millionen Euro gleich wieder ins Unternehmen zurück - als unbefristetes Genussrechtskapital. Das Unternehmen müsse weiter Richtung Internethandel umgebaut werden, heißt es im Jahresabschluss, das erfordere hohe Investitionen.

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