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Die Schule ist auch ein Ort für Konflikte: Damit Lehrern nicht der Kragen platzt, werden mit Trainern typische Situationen geübt. (Foto: Imago)

In der Schule gibt es täglich Konflikte. Bei Kursen sollen Lehrer katholischer Schulen lernen, mit Schülern und Eltern besser zu kommunizieren, Situationen zu deeskalieren und Wege zu finden, an schwierige Kindern heranzukommen

Von Anna Günther, Deggendorf

Immer wieder Hausaufgaben vergessen, ständig zu spät kommen, bockig nach einem Streit die Mitarbeit im Unterricht verweigern - in der Maria-Ward-Realschule in Deggendorf geht es an diesem Fortbildungstag um die Konfliktklassiker zwischen Lehrern und Schülern. Dass Lehrer die Geduld verlieren, hat jeder Schüler schon erlebt. Damit das nicht passiert, üben die Trainer Stefan und Doris Zauner Situationen ein. Daniel Laubmeier beginnt. Der Lehrer für Deutsch, Geschichte, Sozialkunde und Sport am Gymnasium in Altötting wählt das Gespräch mit einem Schüler, der nie Hausaufgaben macht. Ein Kollege spielt den Schüler, Doris Zauner flüstert Tipps ein. Statt den Schüler vor der Klasse auszuschimpfen, vereinbart Laubmeier ein Gespräch und macht im Unterricht weiter. Im Gespräch nimmt Laubmeier sich Zeit, fragt betont geduldig, wieso die Hausaufgaben fehlen und erarbeitet mit dem Schüler Ideen, wie Hausaufgaben und Zeit für Videospiele vereinbar sein könnten. Die Maßgabe lautet: Schülerideen zuerst, jeden Gedanken ernst nehmen. Beide dürfen Ideen streichen. Am Ende sollte eine gemeinsame Lösung stehen und fortan die Hausaufgaben. Das Wichtigste ist: den Schüler auf Augenhöhe zu behandeln und für seine Ideen zu loben.

87 Lehrer wollen bei der Fortbildung in Deggendorf lernen, besser mit Schülern und Eltern zu kommunizieren, Situationen zu deeskalieren und Wege zu finden, auch an schwierige Kinder heranzukommen. Zugleich lernen Pädagogen Tricks, sogar im Chaos die Ruhe zu bewahren - und Chaos gar nicht entstehen zu lassen.

Lehrern die Kommunikation mit Kindern beibringen? Ist das ein Witz? Keinesfalls. Die Maria-Ward-Schulstiftung Passau mit zwei Gymnasien und fünf Realschulen investiert gut 20 000 Euro in die Fortbildung. Auch dem Katholischen Schulwerk Bayern ist es ernst. Bei einem Modellversuch werden Lehrer von 22 katholischen Schulen fortgebildet, Wissenschaftler der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg evaluieren dieses "KlasseTeam-Training". Mittelfristig sollen alle 171 Schulen, die im Schulwerk organisiert sind, von diesem Konzept profitieren. Derzeit liegt der Schwerpunkt auf den fünften Klassen, aber die Erweiterung des Trainings für die Mittelstufe - und damit die Hochzeit der Pubertät - sei längst geplant, sagt Dunja Müller, die im Schulwerk für Schulentwicklung zuständig ist. Davon versprechen sich Schulwerk und Schulleiter glücklichere Kinder, ein ruhigeres Lernklima, entspanntere Lehrer und bessere Leistungen der Schüler. Studien zeigten, dass sich wertschätzender Umgang sofort positiv auf die Leistung auswirke, sagt Trainer Stefan Zauner.

Trotzdem stellt sich die Frage, wieso Lehrer richtige Kommunikation nicht schon im Studium gelernt haben? Ist so ein Kurs nötig? Die Antwort liefern die Lehrer in Zauners Gruppe prompt: Ja, es sei nötig, weil sich die Gesellschaft und mit ihr die Kinder verändert hätten. "Sie können ihre Bedürfnisse nicht ausdrücken, das frustriert zusätzlich", sagt Michaela Rösch aus Deggendorf. Der Umgangston habe sich verschärft und dazu die Anspruchshaltung, sagt Laubmeier. "Tricks wie diese haben wir nie gelernt", sagt Jutta Hausmann, die seit mehr als 30 Jahren Lehrerin ist. Pädagogik sei zu kurz gekommen. Alle in der Runde nicken, auch die jüngeren. Hausmann unterrichtet Kunst und evangelische Religion. Das erste Training liegt Wochen zurück, die Lehrer berichten begeistert von ihren Erfahrungen. Auch Hausmann erzählt von einem Buben, der aufblühe, weil sie in seinen Bildern erst ausführlich Positives nenne und dann Kritik übe.

Kritik an der Lehrerausbildung weist das Kultusministerium stets weit von sich. Aber der Bedarf scheint erkannt worden zu sein, immerhin hat das Ministerium das Konzept mitentwickelt. Zurück geht KlasseTeam auf das Elterntraining FamilienTeam, das Wissenschaftlerinnen der Ludwig-Maximilians-Universität München 2003 gemeinsam mit dem Erzbischöflichen Ordinariat München entwickelt und in der Folge auch für Erzieher sowie Lehrer umgesetzt hatten. Entsprechend sollen im Modellversuch des Katholischen Schulwerks auch Eltern fortgebildet werden. Die Erziehungsgemeinschaft sei ein klarer Auftrag der Schulen, sagt Dunja Müller.

Wie Eltern ihre Kinder richtig erziehen und was richtig ist, darüber bestehe große Unsicherheit, bestätigt Michaela Kleindiek, die am Institut zur Stärkung der Erziehungskompetenz Trainer für KlasseTeam und FamilienTeam ausbildet. Dazu komme die Scheu, klare Grenzen zu setzen. Diese Ratlosigkeit bei gleichzeitigem Überangebot von Elternratgebern hat auch das bayerische Sozialministerium festgestellt. Insgesamt 180 Familienberatungsstellen gibt es in Bayern, dazu kommen Online-Informationsseiten und Experten-Chats. "Zum Elternabend der fünften Klassen kommen alle Eltern, und wenn andere Mütter und Väter von positiven Erfahrungen erzählen, sind die Anmeldelisten sofort voll", sagt Stefan Zauner. Das Therapeuten-Paar lebt auch privat das Konzept: Das Top-Streitthema der Familie ist ein Klassiker: Fernsehzeit. "Wir sprechen mit den Kindern wie im Kurs", sagt Stefan Zauner. "Wertschätzend und wir finden gemeinsam eine Lösung", ergänzt seine Frau. Erweichen lassen sie sich nicht, der Fernseher wird am Ende tatsächlich abgeschaltet. "Das ist einer der Fehler, wenn Kinder merken, dass Eltern sich doch noch rumkriegen lassen", sagt Stefan Zauner.

© SZ vom 16.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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