Würzburg:Thronablöse in Franken

Würzburg: Sie wollen auf den Thron: Eva Brockmann (von links), Linda Keller und Emmi Wendemuth stellen sich zur Wahl der Fränkischen Weinkönigin 2022.

Sie wollen auf den Thron: Eva Brockmann (von links), Linda Keller und Emmi Wendemuth stellen sich zur Wahl der Fränkischen Weinkönigin 2022.

(Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Keine wollte den Posten und dann war auch noch Corona: Die Neuwahl der Fränkischen Weinkönigin gestaltete sich zuletzt schwierig. Jetzt steht die Neuwahl bevor - worüber die amtierende Dauer-Monarchin nicht ganz unglücklich ist.

Von Clara Lipkowski, Nürnberg/Würzburg

Die Suche nach der Thronfolgerin gestaltete sich zuletzt, nun ja, schwierig. Niemand wollte Monarchin werden in Franken, niemand den Posten der Fränkischen Weinkönigin antreten. Aufruhr im Frankenland sozusagen. "400 Termine im Jahr", sagt Michael Bock, Pressesprecher der Kronenträgerin, Arbeiten in Vollzeit, und das als Ehrenamt, das habe wohl abgeschreckt. Und dann war ja auch noch Corona, wodurch sich der eigentlich reiseintensive Job zur Home-Office-Herrschaft wandelte und wohl wenig reizvoll schien - kurzum, das Amt hat dunkle Zeiten hinter sich. Doch jetzt ist eine Lösung in Sicht.

An diesem Freitag rückt ein großes Aufgebot in Würzburg an, mehr als 100 Jurymitglieder aus Deutschland und vor allem Bayern werden im Vogel Convention Center erwartet. Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Medien, heißt es. Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger ist eingeladen, Sterne-Koch Michael Phillipp, der Präsident des Verwaltungsgerichts Würzburg, Hubert Strobel, die Bayerische Landtagspräsidentin a.D. Barbara Stamm. Denn drei Kandidatinnen haben sich gefunden, erbarmt, könnte man auch sagen. Die Frist war schon abgelaufen, da meldeten sie sich doch noch. Einer von ihnen wird Carolin Meyer höchstpersönlich die Krone aufsetzen.

Die 25-jährige Winzerin aus Castell in Unterfranken regiert ununterbrochen seit Frühjahr 2019 - statt der üblicherweise zwölf Monate übernahm sie 2020 eine weitere Amtszeit, mehr oder weniger unfreiwillig, und dann 2021 die nächste. Sie blieb auch dann tapfer, nachdem sie mal gesagt hatte, dass es irgendwann auch mal gut sei und sie besonders nach 2019 eigentlich Urlaub nötig gehabt hätte.

Nur eine Frau bewarb sich - war aber völlig chancenlos

Immerhin, als Corona alles lahmlegte, legte sich auch ein wenig der Stress, da fuhr sie weniger durchs Land, um den Frankenwein zu promoten, klickte sich aber umso öfter durch Digitalkonferenzen, schwenkte das Glas bei online-Verkostungen vor der Kamera und empfahl virtuell mit Krone im Haar den besten Wein zum Spargel. Das aber erschien potenziellen Nachfolgerinnen offenbar unglamourös, wohl auch, weil die Auslandsreisen wegfielen, nach China etwa oder Israel.

Nur eine Anwärterin reichte eine Bewerbung ein, wurde aber gar nicht erst zugelassen. Die Regularien sind streng. Die Frau war weder Winzerin noch zuvor Weinprinzessin, und da macht die Frankenwein-Frankenland GmbH auch keine Ausnahme, nicht mal in der größten Not.

Nun stellen sich Linda Keller, Emmi Wendemuth und Eva Brockmann zur Wahl, der 65. in der Amtsgeschichte. In der haben seit 1950 auch ein paar leicht befremdliche Traditionen überdauert. So darf eine Thronfolgerin nicht verheiratet sein. Wobei die amtierende Königin Meyer meint, dass der Beziehungsstatus bei den Terminen unerheblich sei. Die Regel gehöre abgeschafft, findet sie, sei "absolut veraltet". Auch ist oft von "den Mädchen" die Rede - die allerdings Frauen Anfang 20 sind, im Weinbau arbeiten, und sich einem, wie erwähnt, einem Vollzeitjob mit 400 Terminen stellen. So wie Meyer, die studierte Weinbautechnikerin ist und inzwischen das Weingut ihrer Eltern übernommen hat.

Die drei Anwärterinnen kommen ebenfalls aus Unterfranken, alle mit Weinbezug. Linda Keller, 23, aus Ramsthal ist Winzerin und Zahntechnikerin. Eva Brockmann, 23, aus Großwallstadt studiert Oenologie und Weinbau und ist ebenfalls Winzerin. Emmi Wendemuth, 21, aus Albertshofen ist Erzieherin und war bereits Weinprinzessin.

Würzburg: Sie ist nicht ganz unglücklich darüber, die Krone abzugeben: Carolin Meyer war mehr als drei Jahre statt der üblichen zwölf Monate im Amt.

Sie ist nicht ganz unglücklich darüber, die Krone abzugeben: Carolin Meyer war mehr als drei Jahre statt der üblichen zwölf Monate im Amt.

(Foto: Daniel Karmann/dpa)

Die "Abkrönung" von Mayer plane man nun als "würdiges Danken ihrer Amtszeit", verspricht Weinkönigin-Sprecher Bock. Die gesamte Veranstaltung wird ins Netz gestreamt und soll volle fünf Stunden dauern - mit Probe-Abstimmung, womöglich hat man Sorge, dass doch noch irgendetwas schiefgehen könnte. Meyer hält eine Abschlusspräsentation. Dann ziehen die Bewerberinnen in den Saal ein, müssen einzeln und gemeinsam auf der Bühne Fragen beantworten, für die sie zuvor gepaukt haben. Und für die sie vorab durch Franken zu Hoteliers, Winzerinnen und Weingütern chauffiert wurden, weil man bei der GmbH sichergehen will, dass die Weinkenntnisse auch wirklich sitzen. Was zeichnet für Sie ein guter Müller Thurgau aus? Was verstehen Sie unter Biodiversität im Weinbau? So was. Und fragt man die abdankende Carolin Meyer heute testweise danach, wie sie einem Nichtfranken "Heckenwirtschaft" erklärt, spult sie am Telefon herunter, als könne man sie auch nachts um drei mit der Frage wecken: "Das ist das gesellige Zusammensein direkt beim Winzer, bei Weingenuss und typisch fränkischer Kulinarik."

Eigentlich wollte sie Urlaub machen nach dem Amt, aber jetzt hat sie auf ihrem Weingut zu tun, weil die "Landschaft gerade explodiert, wegen der Wärme und des Regens". Und sie ist ja noch Kreisrätin für die Freien Wähler in Kitzingen. Was sie ihrer Nachfolgerin noch rate zur Stressbewältigung? Sich Zeit und Ruhe verschaffen, sagt sie. Sie sei abends nach langen Terminen noch zwei Stunden allein in den Weinberg und habe Coldplay oder Kings of Leon gehört. Vor allem aber "Terroir & Adiletten". Ein - wie könnte es anders sein - Wein-Podcast.

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