50.000 Briefe haben die Helfer des Christkinds schon eingetütet, mit Weihnachtsbriefmarken beklebt, in Pappkartons verpackt und in die Garage von Rosemarie Schotte gestellt. "Das Auto passt gerade noch rein", erzählt ihr Mann Bernhard. Die Adventszeit steht vor der Tür, und in der Poststelle des Christkindes im unterfränkischen Himmelstadt stapeln sich in gelben Postwannen schon Briefe von Kindern aus aller Welt. Am Sonntag, 1. Dezember, wird Bayerns einziges Weihnachtspostamt offiziell eröffnet.
"Jedes Kind freut sich über einen Brief vom Weihnachtsmann, Christkind oder Nikolaus", wirbt die Deutsche Post auf ihrer Webseite. Dafür öffnen, sichten und beantworten fast 40 Helfer in Himmelstadt die Flut an Buntstiftbildern und Wunschzetteln. Alle Kinder bekommen einen Standardbrief, in dem das Christkind diesmal von seinem Sommerurlaub erzählt. Aber der Name wird mit dem Stift eingetragen - darauf legt Rosemarie Schotte wert, die seit fast zwei Jahrzehnten die Fäden beim Unternehmen Christkind-Post in der Hand hält. "Und wer sich besonders viel Mühe gibt, bekommt ein paar Extrazeilen", sagt die resolute 72-Jährige. Porto und Material zahlt die Post, aber anders als in vielen anderen Weihnachtspostämtern arbeiten in Himmelstadt alle Helfer ehrenamtlich. 80.000 Briefe kamen im vergangenen Jahr in der weihnachtlich geschmückten Schreibwerkstatt im Rathaus der 1600-Einwohner-Gemeinde an. Sie geben einen tiefen Einblick in das, was Kinder bewegt. Natürlich stehen Barbiepuppen und Feuerwehrautos auf der Liste - aber nicht nur. "Es überrascht mich, wie manche Kinder sich um andere sorgen", sagt Irmtrud Kümmet, zum ersten Mal als Christkind-Schreiberin dabei. "Die wünschen sich zum Beispiel, dass kein Kind mehr Hunger hat - oder dass ihre Familie gesund bleibt." Andere Briefe geben Anlass zum Schmunzeln. "Ich wünsche mir ein großes Güllefass", heißt es da - wahrscheinlich ein Spielzeug. Oder: "Bin ich alt genug, um einen Fernseher in meinem Zimmer zu haben"? Ein Kind bekannte in diesem Jahr offen, es freue sich auf Weihnachten, habe aber ein Problem, "und zwar habe ich keinen Weihnachtswunsch". Das mache aber nichts. Und dann gibt es die Blätter mit krakeliger Kinderschrift, hinter denen bewegende Geschichten stecken. Rosemarie Schotte nennt sie "Problembriefe": Da wünscht sich ein Junge, dass sein Papa wieder Arbeit findet. Oder ein Mädchen, dass seine Eltern wieder zusammenkommen. Ein Brief, der schon vor Wochen in Himmelstadt eintraf, hat Schotte besonders betroffen. Eine Frau schildert darin das Schicksal eines krebskranken Jungen. "Wenn ich dran denke, könnte ich schon wieder heulen", sagt Schotte. "Man ist so machtlos." Für solche Fälle nehmen die 72-Jährige und eine Kollegin sich Zeit, schreiben von Hand eine lange Antwort. Wie man einem Kind zurückschreibt, das das Christkind bittet, seinem Vater im Himmel ein Bussi zu geben? "Wenn Sie das 20 Jahre machen, wissen Sie auch, wie das geht", sagt Schotte, die selbst vier Kinder und sieben Enkel hat. "Dann versuch ich, ihm ein bisschen Traurigkeit zu nehmen und schreibe: Der ist jetzt dein Schutzengel, der passt auf dich auf. Und wenn du ihn lieb hast, ist er immer bei dir." Es gibt allerdings auch Briefe, über die Rosemarie Schotte und ihre Helfer sich ärgern - wenn nämlich Erwachsene schreiben, um dem himmlischen Postamt ihre Weihnachtspost aufzuhalsen und einfach eine Adressliste schicken. "Wenn die uns mit einem Dienstleistungsunternehmen verwechseln, da kann ich auch schon sauer werden", sagt Schotte. Diese Briefe bleiben unbeantwortet.