Wetter an Heiligabend:Weiße Weihnachten - nichts als ein Mythos

Transport eines Christbaums in einem Cabrio

Die Wiesen grün-brau statt weiß, das Cabrio offen: Weihnachten ist längst nicht so kalt und verschneit, wie viele immer noch glauben.

(Foto: dpa)

Kindheitserinnerungen gaukeln Kälte und Schnee vor, dabei ist das Jahresende traditionell grün und warm. Auch in diesem Jahr.

Von Hans Kratzer

Auch in diesem Jahr wird der Traum von einer weißen Weihnacht in Bayern nicht in Erfüllung gehen. Die Prognose des Meteorologen Andreas Brömser (Deutscher Wetterdienstes, Weihenstephan) zerstört die letzte Hoffnung auf einen Wintereinbruch: "Von Freitag an wird es zum Teil stürmisch, und von Westen her kommt milde Luft zu uns. Auch in den höheren Lagen, wo jetzt noch Schnee liegt, wird es grün werden." Nirgendwo wird der Schnee leise rieseln, ganz im Gegenteil. Bis zum Heiligen Abend wird es teils kräftig regnen, die Schneefallgrenze auf bis zu 2000 Meter ansteigen. Erst in der Nacht zum 1. Weihnachtstag soll sie wieder auf 800 Meter sinken. Wenigstens am Alpenrand könnte es an den Feiertagen schneien.

Viele Menschen werden mit dieser Wetterlage hadern, aber ungewöhnlich ist sie nicht. "Das Weihnachtstauwetter ist ein bekanntes Phänomen", sagt Brömser. Dass es in den Tagen vor und an Weihnachten warm wird, wiederholt sich in 60 bis 70 Prozent aller Jahre, wie die Wetteraufzeichnungen seit 1881 belegen. Die Statistiken lügen nicht: Das Weihnachtsfest ist in Deutschland meistens grün, auch wenn das mit dem Gedächtnis der Menschen nicht zusammenpassen mag. "Kindheitserinnerungen sind meist voll tanzender Schneeflocken", heißt es im Weihnachtsbrief, den das Bayerische Wirtschaftsarchiv in diesen Tagen verschickt hat. Die Meteorologen sehen hinter diesen Erinnerungen einen psychologischen Effekt. "Das Gehirn hat das Weiß als schön empfunden und erzeugt Wunschbilder", sagt Brömser.

Auch die Medien führen ihren Konsumenten gerne das Idealbild der weißen Weihnacht vor Augen. Vor wenigen Tagen lief im Bayerischen Fernsehen wieder einmal der österreichische Streifen "Single Bells", eine Weihnachtssatire, die in einer tief verschneiten Landidylle spielt. Solche Bilder sind populär. Als es noch kein Fernsehen gab, weckten romantische Postkarten die Sehnsucht nach einer Weihnacht im Schnee. Um 1860 herum tauchten hierzulande die ersten Karten mit winterlicher Idylle auf und kamen rasch in Mode.

Früh schon konnten sich die Kunden den Schnee auch ins Zimmer holen und damit den Weihnachtsbaum stimmungsvoll berieseln. Wie Unterlagen im Bayerischen Wirtschaftsarchiv belegen, warb die Christbaumschmuckfabrik Carl Eckart in Fürth bereits 1928 für ihren künstlichen Schnee Größe I (Ladenpreis 60 Pfennig pro Packung): "Diese neue Erfahrung ist eine vollkommene Nachbildung der Natur", preist ein Prospekt diese Ware an. Außerdem hatte der "neue Kunst-Schnee des deutschen Winters" laut Reklame den Vorteil, dass er "Duft und Frische des Winterwaldes" in den Raum brachte.

20 Grad wie in den Vorjahren wird es diese Weihnachten nicht geben

Spätestens von da an prägten Anzeigenbilder, Postkarten und Werbefilme das Idealbild von Weihnachten. Sie zeichneten mit Vorliebe eine idyllisch verschneite Natur und verstärkten den Eindruck, dass eine weiße Weihnacht der Normalfall sei. Die Erinnerung älterer Menschen ist zusätzlich noch durch die frühen 60er-Jahre geprägt, in denen es eine Reihe von knackigen Wintern mit viel Schnee an Weihnachten gab.

Die Meteorologie spricht grundsätzlich erst dann von einer weißen Weihnacht, wenn an allen drei Festtagen morgens um sieben Uhr eine Schneedecke von mindestens einem Zentimeter liegt. Das war im Flachland schon lange nicht mehr der Fall. Seit 2011 ist es an Weihnachten durchgehend mild. 2018 wird das achte Jahr in Folge sein, in dem es an Weihnachten warm ist, auch wenn diesmal die Rekordwerte von 2013 wohl nicht erreicht werden: Im Alpenvorland wurde damals die 20-Grad-Marke erreicht. "Eine schlüssige Erklärung für dieses Phänomen gibt es nicht", sagt Meteorologe Uwe Zimmermann vom Deutscher Wetterdienst.

Insgesamt sind die Winter in den vergangenen hundert Jahren weitgehend ähnlich gewesen. Baumringe, die viel über das Klima verraten, lassen darauf schließen, dass ein weißer Dezember schon im Hochmittelalter (1000-1300) eher selten gewesen sein dürfte. "Von 1600 bis 1900 wird Schnee an Weihnachten häufiger vorgekommen sein", vermutet Brömser. In dieser Zeit herrschte auch in Bayern eine kleine Eiszeit. Damals entstanden viele traditionelle Weihnachtslieder, in denen Schnee und Kälte mitschwingen. "Dass man Weihnachten mit Schnee verbindet, rührt wohl auch von dieser kleinen Eiszeit her", sagt Brömser. Das Weihnachtstauwetter aber ist am besten unter die Klima-Singularitäten einzuordnen - wie die Eisheiligen im Mai und der Altweibersommer im Herbst. Sicher ist nur, dass sich die Chancen auf eine weiße Weihnacht in Zukunft weiter verschlechtern.

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