Verbände in Bayern:Es knallt bei den Jägern

Verbände in Bayern: Ihm wird das Revier streitig gemacht: Bei der Neuwahl des bayerischen Jagdpräsidenten muss sich Amtsinhaber Ernst Weidenbusch einem Gegenkandidaten stellen.

Ihm wird das Revier streitig gemacht: Bei der Neuwahl des bayerischen Jagdpräsidenten muss sich Amtsinhaber Ernst Weidenbusch einem Gegenkandidaten stellen.

(Foto: Nicolas Armer/dpa)

Der CSU-Politiker Ernst Weidenbusch will am Wochenende erneut bayerischer Jagdpräsident werden. Ein Gegenkandidat fordert mehr Transparenz und Dialog. Man dürfe keine "jagdpolitische Partei mit einem streng hierarchischen Aufbau" sein.

Von Johann Osel und Christian Sebald

Als der Traunsteiner Wolf abgeschossen werden sollte, ist der Präsident des Bayerischen Jagdverbands (BJV), Ernst Weidenbusch, nach seiner Position gefragt worden. Er antwortete, dass die Abschussgenehmigung des Freistaats aus seiner Sicht nicht haltbar sei, das Gericht werde sie kassieren. So kam es. Bei einer anderen Frage hat Weidenbusch, nun ja, gekniffen: ob er die Entscheidung für richtig hält, den Wolf abzuschießen. Das entzweit Bauern, Naturschützer, Politiker - und viele Jäger im BJV. Die einen wollen mit aller Macht verhindern, dass sich wieder Wölfe ansiedeln. Die anderen freuen sich über die Rückkehr der einst ausgerotteten Art. Weidenbusch antwortete: "Gott sei Dank entscheidet das jetzt ein Gericht." Mehr nicht.

Das überraschte viele, da der CSU-Landtagsabgeordnete, Anwalt und Jägerchef nicht gerade als einer bekannt ist, der sich keine eigene Meinung zutraute oder damit hinterm Berg hielte. Zuletzt war das in den Rollen als Politiker und Jurist zu bestaunen. Kürzlich hat er öffentlich seinen CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer zum Abdanken aufgefordert und damit Ansätze von Aufruhr im Landtag ausgelöst.

Und vergangenes Jahr, als seine Anwaltshonorare in Diensten der Landesbank publik wurden und ihm den Vorwurf des Interessenskonflikts bescherten, lobte er sich vor der Presse: "Die Lösungen, die ich da entwickelt habe, sind einmalig" - kein anderer Anwalt in Europa hätte das wohl geschafft. Jedenfalls verlangen viele im BJV von ihm "überfällige Antworten auf jagdliche Fragen". Das war es bis dato aber fast an Disput, der für den Landesjägertag am Wochenende in Augsburg zu erwarten war. Da wird gewählt, lange einziger Kandidat: der Amtsinhaber.

Doch jetzt hat sich überraschend ein Konkurrent gemeldet: Ernst-Ulrich Wittmann, Vorsitzender des Jagdschutz- und Jägervereins Dachau, teile seine Kandidatur an alle BJV-Kreischefs mit. Es wird knallen bei den Jägern. Wittmanns vierseitiger Brief erweckt den Eindruck, dass es gewaltig knirscht. Man stehe vor der Frage, ob man eine "jagdpolitische Partei mit einem streng hierarchischen Aufbau" sein wolle - oder ein zukunftsfähiger Verband. Dialogbereit und transparent, integrativ nach innen, "um die ganze Breite und Vielfältigkeit der Jagd abzubilden". Die Spitze habe Reformen angekündigt - "leere Versprechen".

Der BJV ist nicht irgendeine Hobby-Truppe. Die Jäger und damit der Verband, der nach eigenen Angaben etwa 50 000 der 70 000 Jagdscheininhaber im Freistaat vertritt, sind in ländlichen Regionen hoch angesehen. Und sie haben in der CSU und bei den FW traditionell starken Rückhalt, umgekehrt sind die meisten BJV-Mitglieder konservativ. Prominente Landespolitiker wie Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) sind Jäger.

Ein Imageproblem, das nicht zuletzt auch mit dem Vorgänger zu tun hat

Gleichwohl hat der BJV ein Imageproblem. Das hat nicht nur damit zu tun, dass Jäger Wildtiere töten und das bei vielen nicht gut ankommt. Sondern es liegt an den jahrelangen internen Konflikten um Führungsstil und Finanzgebaren von Weidenbuschs Vorgänger Jürgen Vocke. Da ging es um hohe Aufwandsentschädigungen und dergleichen, auf dem Höhepunkt des Streits wurde der Präsident wegen des Verdachts auf Untreue und Unterschlagung angezeigt. Wenig später legte Vocke, der die Vorwürfe stets bestritt, das Amt nieder. Das Strafverfahren gegen ihn wurde später gegen Geldauflage eingestellt.

Im Ringen um die Nachfolge setzte sich 2020 Weidenbusch durch. Aber auch unter Naturschützern, Waldbesitzern, bei Förstern und im Bauernverband ist der BJV umstritten. Viele sagen sogar, er sei "regelrecht isoliert". Grund: Der BJV pflegt ein betont traditionalistisches Verständnis von Jagd. Unter Experten herrscht Einigkeit, dass es in Bayern wohl noch nie so viel Wild gab wie derzeit - gleich ob Rehe, Rotwild, Gämsen oder Wildschweine. Sie richten in Wäldern und auf Feldern große Schäden an. Kritiker werfen dem BJV vor, sich modernen Jagdmethoden zu verweigern.

Weidenbusch nimmt für sich in Anspruch, den Verband auf Vordermann gebracht zu haben, wie er kürzlich in der Verbandszeitschrift bilanzierte. Die Geschäftsstelle habe nun "eine Struktur mit klaren Aufgabenfeldern, mit Vertretungsregelungen und mit Regeln" bekommen.

Weitere Aufräumarbeiten nach der Krise gab es, zwischenzeitlich war offenbar sogar die Gemeinnützigkeit des BJV in Gefahr. Diese sei sichergestellt, antwortet Weidenbusch auf Nachfrage der SZ. Zuletzt konnte man vielfach im BJV hören, Weidenbusch habe die turbulente Vergangenheit erfolgreich abgehakt. Konkurrent Wittmann geht es um die Zukunft und die Basis. Es dürfe kein Regieren an den Kreisgruppen vorbei geben, sie seien "Dreh- und Angelpunkt der praktizierten Jagd". Stärkung der Mitsprache, volle Transparenz, der BJV als Dienstleister, Online-Abstimmungen - alles "nicht realisiert".

"Ich kenne diese Kritiker und deren Kritik nicht."

Ein Einzelner stellt die Machtfrage, sucht Mitstreiter, und das in der Sorge um die Zukunft der ganzen Organisation. Kurios, dass eben Weidenbusch mit der gleichen Taktik und Motivation bei seinem Vorstoß in der CSU-Fraktion verfuhr. Mit Kreuzer, über dessen straffe Führung und angestaubtes Auftreten es schon länger Unmut gab, "werden wir die Wahl nicht gewinnen", hatte er im BR gesagt und den Chef zur zügigen Regelung seiner Nachfolge gedrängt. Offen wollte sich diese Woche bei einer Sitzung aber offenbar niemand mit Weidenbusch gegen Kreuzer stellen, Umsturz abgesagt.

Über Weidenbuschs "Ego" können sich Journalisten seitdem in der CSU einiges anhören. Spekuliert wird gar, ob er mit dem Politik-Manöver "vor seinen Jägern den dicken Max markieren" wollte, anlässlich der Wiederwahl. Ob das dort ankommt? Im BJV gibt es auch Unmut, dass Weidenbusch wenig Lust auf andere Ansichten verspüre. Damit brüskiere er Naturschützer, Waldbesitzer, Förster und andere Akteure.

Etwa auf das Gesprächsangebot, das der Bund Naturschutz (BN) Weidenbusch 2020 gemacht hat, hat der Jägerchef "bis heute nicht reagiert". So berichtet es BN-Chef Richard Mergner. Wittmann sieht wegen der Kommunikation nach außen die Gefahr, dass der BJV "nicht mehr als ernstzunehmender Gesprächspartner angesehen" werde.

Ein Gespräch mit der SZ zur Jagd kann Weidenbusch in den Wochen vorm Verbandstag nicht einrichten, antwortet aber schriftlich. Eine Frage: Kritiker monieren, das Verhältnis des BJV zu Bauern, Waldbesitzern, Naturschützern oder Forstverwaltung sei zerrüttet, teils gebe es nicht mal mehr Gesprächskontakt. Weidenbuschs Antwort: Man verhandele mit Besagten "kritisch-konstruktiv auf Augenhöhe". Und: "Ich kenne diese Kritiker und deren Kritik nicht." Am Wochenende wird er sie kennenlernen.

Anmerkung der Redaktion: Der Präsident des Bayerischen Jagdverbandes (BJV), Ernst Weidenbusch, ist am Samstag im Amt bestätigt worden. Beim Landesjägertag in Augsburg erhielt Weidenbusch 318 Stimmen - sein Herausforderer Ernst-Ulrich Wittmann 273, wie eine Sprecherin des Jagdverbandes mitteilte.

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