Süddeutsche Zeitung

Weicheier im Dschungelcamp:"Zefix! I hoits nimmer aus!"

Lesezeit: 1 min

Warum stellen sich die Bewohner des Dschungelcamps eigentlich so an? In Bayern isst man schon seit Urzeiten Blut, Kopf, Innereien und sonstige gedünstete Körperteile - und das ganz ohne RTL.

Eine Kolumne von Hans Kratzer

Als sich die CSU anschickte, die bayerischen Berge und Seen zu erfinden, waren weite Teile des Landes noch mit einem Urwald bedeckt. In diesem Gefilde hausten Wölfe, Wildsäue und Auerochsen, und der nur mit einem Lederhosenschurz bedeckte Urbayer brauchte auf dem Weg zum Stammtisch eine Portion Dusel, um nicht von einem wilden Tier gefressen zu werden.

Wenn unser Vorfahre dann beim Bier hockte, piesackten ihn Kakerlaken und Käfervieh, bis er grantig wurde: "Mistviecher, varreckte!", schrie er, "schleichts euch, Saubande, miserablige!" Donnernd hallten die ersten bayerischen Schimpfwörter durch den Urwald: "Zefix, sog i, Bluatssauerei! I hoits nimmer aus!"

So ähnlich, nur auf Hochdeutsch ("Ich bin ein Star - holt mich hier raus!") brüllte in dieser Woche auch der Schlagerfuzzi Wendler, der sich trotz seiner Verzärtelung fürs RTL-Dschungelcamp beworben hatte. Es kam wie erwartet: Schon am zweiten Tag im Urwald wollte er wieder heim zur Mami, während die in der Wildnis verbliebene Zickenarmee nun all die Känguruhoden, Krokodilpenisse und Kotzfrüchte verdrücken muss, die der Wendler übrig gelassen hat.

Die Gerichte, die das Trashfernsehen im Dschungel serviert, klingen zwar wie Frankensteins Speisekarte, sind allerdings ein alter Hut. Schon die bayerischen Köche der Urzeit dünsteten Anusse vom Buschschwein recht virtuos, hatten diese aber bald satt und labten sich lieber an Blut- und Leberwürsten sowie am Gansjung, einem nahrhaften Festmahl aus Blut, Kopf und Innereien.

Von den unteren Extremitäten, die im Dschungelcamp in pürierter Form genossen werden, hält man in Bayern die Stierbeutel noch in Ehren, auch ihres zarten Bisses wegen, der aber noch mehr am Presssack geschätzt wird, dieser grauen oder roten Wundertüte aus Schweinskopfresten und Schweinebackerln.

Eine Scheibe Presssack war einst der Lohn für Lausbuben, die sich im Wirtshaus für physikalische Versuche zur Verfügung stellten und quasi auf Befehl einen fahren ließen. Ein Bierdimpfl zündete das Gas beim Entweichen aus dem Körper an, was eine honorige Stichflamme ergab. Nach solchen Sensationen gierte der Mensch, als es noch kein RTL und kein Dschungelcamp gab.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1871473
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 25.01.2014
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.