Weibliche Zuschauer beim Fußball:Wenn Frauen keine Erwachsenen sind

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Die Frau als Einnahmequelle bleibt bei vielen Vereinen verpönt: Viele Fußballklubs verlangen von Besucherinnen keinen oder weniger Eintritt, allerdings nicht ohne Hintergedanken: So mancher Verein erhofft sich dadurch Spenden fürs Kuchenbuffet.

Rudolf Neumaier

Frauen am Fußballplatz? Das war bis in die Siebzigerjahre ungefähr so ungewöhnlich wie Männer, die Bettwäsche bügelten. Man braucht sich nur die alten Bilder anzuschauen: überall Männer, auf dem Spielfeld sowieso - aber auch neben dem Platz, auf den Zuschauerrängen. Der Frauenanteil bewegte sich unter zwei Prozent.

Das billige Geschlecht: In Töging am Inn zum Beispiel zählen Frauen nicht etwa zu den Erwachsenen, sondern werden einer eigenen Kategorie zugeordnet. (Foto: Neumaier)

Aber es ist nicht so, dass Frauen unerwünscht gewesen wären: Sie wollten nicht! Denn sie hatten etwas Besseres zu tun als mit ihren Männern anderen Männern beim Kicken zuzuschauen, unter anderem bügelten sie. Eine andere Zeit. Doch als Relikt aus dieser Zeit hat sich in den unteren Amateurklassen eine bemerkenswerte Gepflogenheit erhalten: Der Eintritt kostet hier für Frauen weniger bis gar nichts.

Stichproben haben ergeben, dass die Vereine gerade in ländlichen Gebieten höflich darauf verzichten, von Frauen Geld zu verlangen, während sie in München und seinem erweiterten Speckgürtel mit ermäßigten Preisen aufwarten. Oft sieht das offizielle Preisschild der Klubs dann so aus wie in Töging am Inn. Dort wird zwischen Erwachsenen, Senioren, Frauen und Jugendlichen differenziert.

Mit "Erwachsene" dürften Männer gemeint sein, die fünf Euro bezahlen müssen, Senioren und Frauen können für 3,50 Euro zuschauen und Jugendliche für zwei Euro. Nicht ganz klar wird bei solchen Schildern, wie es mit weiblichen Jugendlichen und Seniorinnen geregelt ist. Vereine im Allgäu, in der Oberpfalz und in Mittelfranken machen es sich leichter, sie verlangen: nichts.

Wenn seine Vereine manchmal über sinkende Einnahmen und wachsende Ausgaben klagen, empfiehlt ihnen Rupert Karl seit Jahren: "Dann verlangt halt von den Frauen auch was." Karl ist Spielgruppenleiter mehrerer Ligen in Regensburg.

Wenn er die Klubfunktionäre bei den Sitzungen über Geld lamentieren hört, schüttelt er den Kopf. Von Zuschauerinnen kein Eintrittsgeld zu verlangen, das sei doch heutzutage nicht mehr zeitgemäß. Frauen, die erstmals ein Amateurspiel etwa der Kreisklasse besuchen, wunderten sich häufig, dass ihr Begleiter abkassiert werde und sie selbst nicht, sagt Karl. Allerdings: Beschwert habe sich darüber noch keine.

Die Frau als Einnahmequelle bleibt bei den Vereinen verpönt. "Eine gute alte Tradition", sagt Peter Schmid, der im Fußballkreis München Ligen führt. Er kenne keinen Klub, der für Frauen genauso viel verlange wie für Männer. Und Max Habermann, Spielleiter im Kreis Erlangen und Pegnitzgrund, verteidigt die geradezu altehrwürdige Genderpolitik der Fußballvereine vehement.

Bei Europa- und Weltmeisterschaften sind weibliche Fans (wie hier im Bild) schon normal. Auf die Fußballplätze der Regionalvereine müssen sie noch gelockt werden - mit wenig oder keinem Eintrittsgeld. (Foto: dpa)

In seiner Argumentation ist der Verzicht auf Eintrittsgeld bei Frauen sogar ökonomisch sinnvoll. Voilà, Max Habermann: "Auf dem Land betreiben achtzig Prozent der Vereine ihre Sportheime selbst. Da gibt es viel Arbeit. Putzen, Kaffee machen, Kuchen backen und und und. Und wer macht diese Arbeit? Die Frauen! Da würden die Vereine schön draufzahlen, wenn sie von den Frauen Geld verlangen, weil die dann nicht mehr kommen!" Der Verkauf von Kaffee und Kuchen bringe mehr.

Bei dieser Frage könne er an seine Vereine nur appellieren: "Schneidet euch nicht ins eigene Fleisch!" In absehbarer Zeit werde sich an der Konvention also "nullkommanull ändern".

Dem Bayerischen Fußballverband ist die Großzügigkeit seiner Vereine durchaus willkommen. Es sei dem Verband "ein besonderes Anliegen", Frauen und Mädchen auf die "Fußballplätze zu bekommen", teilt ein Sprecher mit. Dabei hat er freilich weniger die ehrenamtliche Produktion von Kaffee und Kuchen im Sinn als sportliche Verstärkung: Oft entstünden aus den Besuchen "die ersten Vereinskontakte, die dann ein Engagement der Frauen oder Mädchen für den Fußballverein als Betreuerin, Jugendleiterin oder Spielerin nach sich ziehen".

Es gibt nur wenige Orte, an denen Frauen bevorzugt werden. Manche Diskothek gewährt in sogenannten Ladies' Hours Rabatt auf Cocktails, andere Etablissements werben mit Zusicherungen wie "Solodamen haben immer freien Eintritt" um weibliche Klientel. Und auch die Amateurfußballer wissen: Auf einen frauenlosen Fußballplatz kämen heutzutage auch weniger Männer. Er sei froh um weibliche Zuschauer, sagt Franz Schmid, der Vorsitzende des Fußballkreises Allgäu, "wenn sie zahlen müssten, würden sie vielleicht daheim bleiben und schimpfen, wenn der Mann geht. Bis der dann auch nicht mehr käme".

Auf diesen Trichter kam der ruhmreiche TSV 1860 München schon im Frühjahr 1955: Zu einem entscheidenden Spiel in der zweiten süddeutschen Liga gewährte er jeder Frau freien Eintritt, die mit einem Mann erschien.

© SZ vom 25.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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