Süddeutsche Zeitung

Wegen Uni-Klinik:Ehrenbürger!!!

Augsburg zeichnet Seehofer aus - gegen Widerstände

Von Thomas Balbierer, Augsburg

Da sitzt er also wieder vor dem Goldenen Buch der Stadt Augsburg und nimmt den Füllfederhalter in die Hand. Genau wie vor zehn Jahren. Um ihn herum klacken die Kameras. Horst Seehofer grinst vergnügt, schaut sich um. Er genießt den kleinen Spannungsmoment ganz offensichtlich. Dann trägt er sich, als neuester und 39. Ehrenbürger Augsburgs, in das Buch ein. Genau wie 2009. Damals hatte er als CSU-Ministerpräsident den legendären Satz "Die Uni-Klinik kommt!!!" ins Goldene Buch geschrieben. Anfang des Jahres ging das Krankenhaus tatsächlich in die Obhut des Freistaats über. Und Seehofer, inzwischen Innenminister in Berlin, wurde dafür am Freitag zum Ehrenbürger ernannt.

Die Entscheidung, das defizitäre Krankenhaus in eine Uni-Klinik umzuwandeln, sei eine "Jahrhundertentscheidung" gewesen. Das sagt Horst Seehofer in seiner Rede selbst. Das sagt auch Augsburgs Oberbürgermeister Kurt Gribl, der zudem CSU-Vize ist. Die Einrichtung bedeute für seine Stadt finanzielle Stabilität, eine gesicherte medizinische Qualität und eine "Hommage an Augsburg". Mehr als 50 Jahre hätte es kein Ministerpräsident geschafft, die versprochene Umwandlung zu erreichen, sagt Gribl. Man habe sich stark vernachlässigt gefühlt. Seehofer habe der Region durch die Entscheidung ein Stück Selbstwertgefühl zurückzugeben.

Es ist zwar keine Heiligsprechung, die da im warmen Glanz des Goldenen Rathaussaals stattfindet. Viel fehlt jedoch nicht. Ein Redner vergleicht Seehofer mit der griechischen Gottheit Kairos, dem Gott des günstigen Zeitpunkts. Hans Jochen Heinze, Professor an der Uni-Klinik Magdeburg, leitet die Arbeitsgruppe zur Evaluation des Konzepts der Augsburger Uni-Klinik. Als Wissenschaftler ist er der irrationalen Übertreibung eigentlich unverdächtig. Trotzdem nennt er Seehofer in seiner Rede "zeitgenial" und hebt ihn fast in den Olymp. Seehofers Einsatz - eine göttliche Fügung? Heinze sagt, dass die Uni-Klinik mit ihren Schwerpunkten Medizininformatik und Umweltmedizin genau zur richtigen Zeit realisiert werde. Am 15. Oktober sollen die ersten 84 Studenten im Fach Humanmedizin in Augsburg starten. 6500 neue Arbeitsplätze und bis zu 20 000 neue Menschen soll das Krankenhaus in die Region bringen, sagt Andreas Kopton, Präsident der Industrie- und Handelskammer Schwaben. Ein Segen für die regionale Wirtschaft.

Als der Stadtrat im November beschloss, Seehofer zum Ehrenbürger zu machen, wurde hitzig diskutiert. Hat er das verdient? Ein Drittel der Stadträte stimmte gegen den Vorschlag, das ist unüblich. Zum Beispiel die Grünen-Fraktion. Deren Vorsitzende Martina Wild sagte im Vorfeld des Festakts: "Für eine Ehrenbürgerwürde steht das Gesamtwirken einer Person im Vordergrund." Man solle die Verleihung nicht an einem Einzelprojekt festmachen. Mehr wollte die Stadträtin nicht mehr dazu sagen. Deutlicher drückte es Frederik Hintermayr, Bezirksrat der Linken, aus: Seehofers umstrittener Satz, die Migration sei die "Mutter aller Probleme" sei ein "Schlag ins Gesicht für alle, die sich in Augsburg für Integration einsetzen". Die Stadt habe einen Migrantenanteil von fast 50 Prozent. Unter dem Motto "Not my Ehrenbürger" fand Freitag auf dem Rathausplatz eine kleine Demonstration statt.

Der Ehrenbürger selbst wirkt zufrieden. Er sei "berührt wie selten zuvor", sagt Seehofer. Mit der Uni-Klinik habe er etwas "Bleibendes" geschaffen - gegen viele Widerstände. In seiner Rede teilt der 69-Jährige aus, auch gegen die eigene Partei, deren Vorsitzender er lange war. Er spricht sich für mehr Engagement beim Artenschutz aus. Und für einen dritten Nationalpark - den hat sein Nachfolger Markus Söder längst gekippt. Landtags- und Bundestagsabgeordnete bittet er "wenigstens einen Tag um Barmherzigkeit". Den Augsburgern will Seehofer weiter beistehen. Ins Goldene Buch schreibt er diesmal: "Das Werk ist getan!!! Weitere Werke werden vom Ehrenbürger unterstützt!!!!"

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4350600
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 02.03.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.