Dreharbeiten zu "Münter & Kandinsky":Zu Besuch bei Gabriele Münter

Dreharbeiten zu "Münter & Kandinsky": Liebe, Hass und großer Respekt: Vanessa Loibl als Gabriele Münter und Vladimir Burlakov als Wassily Kandinsky.

Liebe, Hass und großer Respekt: Vanessa Loibl als Gabriele Münter und Vladimir Burlakov als Wassily Kandinsky.

(Foto: Stephanie Kulbach/CCC Cinema und Television)

Regisseur Marcus O. Rosenmüller dreht einen Kinofilm über die Beziehung der großen Malerin zu Wassily Kandinsky - erste Eindrücke vom Set am Originalschauplatz in Murnau.

Von Sabine Reithmaier, Murnau

Landrat Anton Speer identifiziert ihn sofort. "Da kommt ja Kandinsky", sagt er, als ein schicker Intellektueller mit scharfen Gesichtszügen, stechenden brillenbewehrten Augen und zierlich gespreizten Fingern den Garten des Murnauer Münter-Hauses betritt. Nur der schicke Knickerbocker-Anzug, den der Schauspieler Vladimir Burlakov trägt, passt nicht so ganz in den Garten, in dem sich der Maler einst von seiner Lebensgefährtin Gabriele Münter lederbehost und mit Spaten ablichten ließ. Münter lässt übrigens noch ein bisschen auf sich warten. Denn Schauspielerin Vanessa Loibl, die für den Dreh am Vormittag die fast 65-jährige Münter mimte, muss sich erst der Altersmaske entledigen und sich wieder in die junge, unentwegt tiefernst blickende Künstlerin verwandeln.

Eigentlich ist es erstaunlich, dass bislang noch kein Kinofilm über das außergewöhnliche Liebespaar existiert. Nicht nur weil die beiden als Mitbegründer des Blauen Reiters Kunstgeschichte geschrieben haben, sondern auch weil in ihrer ambivalenten Beziehungsgeschichte so viel Liebe, Leidenschaft, Kälte und Hass stecken, dass es locker für einen Vierstundenstreifen reichen würde. So lang soll der Film, den Regisseur Marcus O. Rosenmüller gerade dreht, aber nicht dauern. Ihn fasziniert die künstlerische Symbiose des Paars. "Die beiden haben sich künstlerisch total aufgeschaukelt, gerade in der Murnauer Zeit."

Künstlerisch fruchtbar war die Beziehung auf jeden Fall, aber spannungsfrei funktioniert hat sie nur in seltenen Momenten - am besten auf Reisen. Das Haus in Murnau kaufte Münter 1909, auch weil sich der oft depressive Kandinsky dort wohlfühlte. Drehen darf die Filmcrew nur im Garten, nicht in den Räumen - die Gefahr, irgendetwas zu beschädigen, ist zu groß.

Daher ließ Produzentin Alice Brauner in den einst von ihrem Vater Artur "Atze" Brauner gegründeten CCC Filmstudios in Berlin-Spandau die Zimmer originalgetreu nachbauen. Essecke, Herrgottswinkel, Wohnraum einschließlich Gemälde und der berühmten Figürchen - alles entspricht der historischen Wirklichkeit. "Wir versuchen an jeder Stelle so exakt wie möglich in der Geschichte zu sein", sagt Brauner. Dafür sorgt auch ihre kompetente Fachberatung: Annegret Hoberg, langjährige Kuratorin am Lenbachhaus und Spezialistin für den Blauen Reiter.

Dreharbeiten zu "Münter & Kandinsky": "Wir versuchen an jeder Stelle so exakt wie möglich in der Geschichte zu sein", sagt Produzentin und Drehbuchautorin Alice Brauner (links, hier mit Schauspielerin Marianne Sägebrecht).

"Wir versuchen an jeder Stelle so exakt wie möglich in der Geschichte zu sein", sagt Produzentin und Drehbuchautorin Alice Brauner (links, hier mit Schauspielerin Marianne Sägebrecht).

(Foto: CCC Cinema und Television)

Aber klar: "Wo es in der Geschichte Leerstellen gibt, musst du fiktionalisieren", sagt Brauner. Fiktion also gleich die erste Szene, in der Schauspieler Bruno Eyron als "Herr Jäger" von der Reichskunstkammer bei Münter anklopft, um nach "entarteter Kunst" zu suchen. Die echten Nazis hatten Münter nicht auf dem Schirm, ihr Name stand nicht in den Listen, die die Nationalsozialisten für die Zusammenstellung der Schau "Entartete Kunst" verwendeten.

Die von Münter so oft scharf kritisierte Benachteiligung gegenüber den männlichen Kollegen erwies sich erstmals als Vorteil. Denn diese Unauffälligkeit ermöglichte es ihr, das Frühwerk ihres ehemaligen Lebensgefährten und Gemälde anderer Blauer Reiter im "Millionenkeller" ihres Murnauer Hauses zu verstecken. Die amerikanischen Soldaten, die das Haus 1945 tatsächlich mehrmals durchsuchten, fanden nichts. "Sämtliche Soldatenschnüffler sind dumm an der Remisentür vorbeigegangen. Noch keiner hat sie bemerkt ...", notierte Münter. Dass sie, obwohl sie kaum Geld besaß und oft mit ihren Bildern bezahlte, nie einen Kandinsky verkaufte, macht sie schon sehr besonders, zeugt von viel Respekt.

Dreharbeiten zu "Münter & Kandinsky": Die Hauptdarsteller Vanessa Loibl und Vladimir Burlakov vor der Gartenlaube neben dem Münter-Haus in Murnau.

Die Hauptdarsteller Vanessa Loibl und Vladimir Burlakov vor der Gartenlaube neben dem Münter-Haus in Murnau.

(Foto: CCC Cinema und Television)

Brauner hat auch das Drehbuch geschrieben, stützt sich auf Briefwechsel, Tagebücher und Schriften des ungleichen Paars. Entwickelt hat sie die Idee während der Pandemie, einer Zeit, in der sie viel in der Gegend unterwegs war, Murnau und Münter besser kennenlernte. Ihrer Begeisterung stand die Gabriele Münter- und Johannes Eichner-Stiftung anfangs eher reserviert gegenüber. "Film ist da für einige noch keine Kunstgattung", sagt Brauner.

Doch es gelang ihr, die Stiftung vom Projekt zu überzeugen, auch weil die promovierte Politikwissenschaftlerin und Geschäftsführerin der CCC Filmkunst schon eine ganze Reihe außergewöhnlicher Filme vorweisen kann. "Ich habe das Drehbuch Seite für Seite mit den Experten durchdiskutiert", sagt Brauner. "Zur heroischen Heldin stilisieren wir sie nicht". Münter sei zwar emanzipiert gewesen, aber sie habe ein bürgerliches Leben und die Ehe mit Kandinsky gewollt.

Der Film soll im Frühjahr 2024 in die Kinos kommen

Die gemeinsamen Jahre beendet der Erste Weltkrieg, der den Russen Kandinsky zur Ausreise zwingt. Bei ihrem letzten Treffen in Stockholm im März 1916 verspricht er Münter, im Herbst wiederzukommen und bis dahin auch die Heiratspapiere zu beschaffen. "Für mich ist das ein Schlüsselmoment", sagt Brauner. Von da an wird die Beziehung toxisch, mündet in einen hasserfüllten Kleinkrieg, als Kandinsky 1922 über Dritte seine Bilder zurückfordert.

"Ich war in vieler Augen doch nur eine unnötige Beigabe zu Kandinsky", notierte Gabriele Münter 1926 in ihrem Tagebuch. Falls das tatsächlich noch jemand glaubt: Der Film "Münter & Kandinsky", der im Frühjahr 2024 in die Kinos kommt, dürfte den Eindruck nachhaltig korrigieren.

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