Tierschutz-Skandal in WassertrüdingenDie grausame erste Bilanz vom Hennen-Schlachthof

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Im Schlachthof der Buckl Geflügel GmbH in Wassertrüdingen wurden mutmaßlich in großer Zahl Vergehen gegen den Tierschutz begangen - Filmaufnahmen von verdeckt installierten Kameras legen das nahe.
Im Schlachthof der Buckl Geflügel GmbH in Wassertrüdingen wurden mutmaßlich in großer Zahl Vergehen gegen den Tierschutz begangen - Filmaufnahmen von verdeckt installierten Kameras legen das nahe. (Foto: Aninova e.V.)

Die Tierrechtsorganisation Aninova hat 500 Stunden Filmmaterial ausgewertet, die auf dem Geflügelschlachthof Buckl verdeckt gedreht wurden. Darauf seien 728 Vergehen gegen den Tierschutz zu sehen – eine „erschreckend hohe Zahl“, wie ein Experte sagt.

Von Christian Sebald

Der Leiter des städtischen Veterinäramts in Bayreuth, Kai Braunmiller, 65, ist seit inzwischen 34 Jahren mit der Überwachung von Schlachthöfen befasst. Außerdem ist er Sprecher der Schlachthof-Tierärzte nicht nur in Bayern, sondern in ganz Deutschland. Man darf also davon ausgehen, dass er sehr erfahren ist in allen Fragen des Tierschutzes auf Schlachthöfen. Fragt man Braunmiller dieser Tage, wie er jetzt – knapp vier Wochen nach dem Bekanntwerden – den Tierschutz-Skandal in dem Geflügelschlachthof Buckl im mittelfränkischen Wassertrüdingen und das dazu bekannt gewordene Material beurteilt, kommen klare Worte.

„Die Summe der schweren Verstöße ist erschreckend hoch“, sagt Braunmiller. „Sie zeigt auf, dass die betreffenden Personen nicht sachkundig sind und keine Empathie zu den Tieren haben.“ Die Buckl Geflügel GmbH und Co. Kg, die den Schlachthof betreibt, habe die Missstände offenkundig weder erkannt noch habe sie gegengesteuert. „Das ist der Geschäftsführung anzulasten“, sagt Braunmiller. „Für viele der in den Aufnahmen gezeigten Verstöße gibt es rechtlich keinen vernünftigen Grund, ich würde dies deshalb rechtlich als Rohheit einstufen.“ Der Tierrechtsorganisation Aninova, die die schlimmen Missstände publik gemacht hat, zollt Braunmiller großen Respekt.

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Ende April hatte Aninova-Chef Jan Peifer Filmsequenzen von zusammen einer Stunde Länge aus dem Schlachthof veröffentlicht, die dort zwischen 31. März 2025 und 14. April 2025 aufgenommen worden waren. Die Bilder sind brutal. Sie zeigen, wie Schlachthofarbeiter lebenden Hühnern immer wieder Hälse und Körper verdrehen, sie würgen und in Transportboxen einklemmen. Die Männer traktieren die Tiere mit Fäusten oder Stangen, treten sie mit Füßen, reißen ihnen ohne erkennbare Notwendigkeit Eier aus dem Unterleib. Verletzte und kranke Hennen werden nicht von ihrem Leid erlöst, sondern achtlos in einen Karren neben dem Transportband geworfen.

Parallel zur Öffentlichkeit informierte Aninova die Kontrollbehörden und übergab ihnen das Filmmaterial, das mehr als 500 Stunden umfasst und mit Hilfe von fünf verdeckt installierten Kameras aufgenommen worden ist. Die Behörden reagierten schnell und hart. Die bayerische Kontrollbehörde Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (KBLV), die für die Überwachung des Tierschutzes in großen Schlachthöfen wie Buckl zuständig ist, untersagte der Firma sofort den Schlachtbetrieb. Seither finden dort keine Schlachtungen mehr statt. Staatsanwaltschaft und Polizei ermitteln.

Kai Braunmiller ist Leiter des Veterinäramts in Bayreuth. Er zollt der Arbeit der Tierrechtsorganisation Aninova großen Respekt. 
Kai Braunmiller ist Leiter des Veterinäramts in Bayreuth. Er zollt der Arbeit der Tierrechtsorganisation Aninova großen Respekt.  (Foto: Kai Braunmiller/privat)

Dieser Tage hat Aninova die Auswertung der 500 Stunden Filmmaterial abgeschlossen und Bilanz gezogen. Danach sind nach Überzeugung von Aninova in den dokumentierten zwei Wochen in dem Schlachthof 728 Vergehen gegen den Tierschutz passiert. Aus Sicht von Aninova ist das eine immense Zahl. „Ich habe selten eine so hohe Vielzahl von Verstößen in so kurzer Zeit und an einem Ort gesehen“, sagt Aninova-Chef Peifer. Nicht nur der Veterinär Braunmiller teilt diese Einschätzung. Sondern auch andere Tierrechtsorganisationen, zum Beispiel die Soko Tierschutz, die die Tierschutzskandale um Bayerns größten Milchviehbetrieb im schwäbischen Bad Grönenbach aufgedeckt hat.

Außerdem hat Aninova eine rechtliche Bewertung der Verstöße nach ihrer Schwere unternommen. „Unsere Basis waren die Vorgaben im Tierschutzgesetz, die Tierschutzschlachtverordnung sowie die Tierschutznutztierverordnung“, sagt Aninova-Chef Peifer.  „Wir haben vor allem beurteilt, ob den Hennen bei den jeweiligen Verstößen länger anhaltende Leiden und Schmerzen zugefügt worden sind.“ Das sei zentral für die Unterscheidung zwischen leichten, mittleren und schweren Verstößen und damit für die Beurteilung, ob Straftaten vorliegen.

Folgt man Peifers Argumentation, zeigt das Filmmaterial 311 mittlere und 288 schwere Verstöße. „Somit liegen 539 Straftaten vor“, sagt Peifer. Der Experte Braunmiller, der sowohl die Filmaufnahmen kennt, als auch die Bewertung von Aninova für die Süddeutsche Zeitung eingesehen hat, hält die rechtliche Beurteilung für zutreffend, die Ausarbeitung nennt er „sehr gut“. Peifer will die Auswertung der Staatsanwaltschaft Ansbach zur Verfügung stellen, die in dem Fall ermittelt. Dort heißt es, dass man die Unterlagen der Tierrechtsorganisation sehr ernst nehmen und wie ein Beweismittel behandeln werde.

Die Vorwürfe treffen einen der größten Legehennen-Schlachthöfe Deutschlands.  Branchenkenner sagen, dass in Wassertrüdingen durchschnittlich 60 000 Legehennen pro Tag geschlachtet wurden. Aufs Jahr gesehen summiert sich das auf elf Millionen Tiere. Dazu kommen noch etwa eine Million Elterntiere.  Zum Vergleich: Die anderen ungefähr 20 regionalen und lokalen Hennen-Schlachtereien in Bayern haben eine Kapazität von jeweils maximal tausend Tieren am Tag.  Deutschlandweit gibt es nur in Niedersachsen einen weiteren Hennen-Schlachthof mit einer ähnlichen Kapazität wie der von Buckl. Buckl beschäftigt etwa 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die zuletzt im Bundesanzeiger hinterlegten Bilanzen wiesen Umsätze im niedrigen zweistelligen Millionenbereich aus.

Buckl ist ein Familienunternehmen, die geschlachteten Legehennen werden von ihm tiefgefroren unter dem Namen Luna-Suppenhühner vermarktet. Sie waren bislang in vielen Supermärkten und Discountern erhältlich. Nach Bekanntwerden der Übergriffe forderte eine Reihe von großen und wichtigen Buckl-Kunden eine schnelle Aufklärung und Maßnahmen gegen die Missstände. Außerdem kündigten sie an, Buckl-Ware aus dem Sortiment zu nehmen.

Laut Aninova waren neun Mitarbeiter der Buckl-Schlachtmannschaft an den Übergriffen aktiv beteiligt. Sie seien auf dem Filmmaterial eindeutig zu identifizieren. „Hinzu kommen mindestens vier Personen, die nicht gegen die Tierquälereien eingeschritten sind, obwohl sie dazu verpflichtet gewesen wären“, sagt Aninova-Chef Peifer. „Wir erwarten, dass die Verantwortlichen hart bestraft werden.“

Die Firma Buckl hatte nach Bekanntwerden der Vorwürfe vier Beschäftigten gekündigt. Die KBLV hatte schon bei dem von ihr angeordneten Sofortstopp des Schlachtbetriebs erklärt, dass sie einer Wiederaufnahme der Schlachtungen nur zustimmen werde, wenn das Unternehmen alle Personen auf dem Filmmaterial austauscht und nicht nur die vier schnell identifizierten Mitarbeiter. Dazu ist bisher freilich nichts bekannt geworden. Der Anwalt der Firma Buckl antwortet nicht auf eine Anfrage dazu.

Zugleich wurde bekannt, dass gegen die Buckl Geflügel GmbH und Co. KG schon in der Vergangenheit Vorwürfe wegen Tierschutz-Verstößen gab. Dabei ging es um teils erhebliche Überschreitungen der Transportzeiten für die Hennen, die dort mit Lastwagen zur Schlachtung angeliefert wurden. In den Jahren 2022 und 2023 liefen nach Informationen der SZ deshalb sogar Bußgeldverfahren gegen die Firma Buckl. Eines wurde abgeschlossen, das Unternehmen bezahlte demnach ein Bußgeld im mittleren vierstelligen Bereich, ein anderes wurde eingestellt.

Parallel dazu wollte die KBLV nach Angaben eines Behördensprechers mit Hilfe neuer Vorgaben für den Schlachthof durchsetzen, dass es künftig nicht mehr zu solchen Überschreitungen der Transportzeiten kommt. Dagegen wehre sich die Firma Buckl vor Gericht, sagt der Sprecher. Das Verfahren läuft laut KBLV noch, deshalb machte der Sprecher keine näheren Angaben dazu. Der Anwalt des Unternehmens reagiert auch nicht auf eine Anfrage zu diesem Komplex.

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