Trockenheit:Wie Millionen Kubikmeter Wasser nach Franken gepumpt werden

Gewässermanagement zwischen Nord- und Südbayern

Durch einen Kegelstrahlschieber wird das Wasser aus den Stauseen in die Flüsse Richtung Norden geleitet.

(Foto: Daniel Karmann/dpa)
  • Der Norden Bayerns ist trockener als der Süden. Damit trotzdem die Fische in den Flüssen nicht leiden und die Bauern ihre Felder gießen können, werden jährlich Millionen Kubikmeter Wasser nach Franken geleitet.
  • Die Stauseen locken Touristen an, sie bringen der Region 170 Millionen Euro Einnahmen.

Von Katja Auer, Roth/Pleinfeld

Für eine Lebensader sieht es recht unscheinbar aus, das Flüsschen Kleine Roth gleich bei Haimpfarrich. Doch das Wasser, das mit einem gleichmäßigen Rauschen aus dem Rothsee in das Bächlein läuft, fließt von dort aus über Rednitz und Regnitz in den Main. Und hält so die Pegel der Flüsse in Franken konstant und die Wasserqualität gut. Im Norden Bayerns regnet es viel weniger als im Süden, nicht nur in diesem besonders trockenen Jahr. Deswegen wird Wasser aus Donau und Altmühl nach Franken gepumpt. Gesammelt wird das Wasser im Fränkischen Seenland. Denn Rothsee, Altmühlsee und Brombachspeicher sind viel mehr als nur ein Tourismusziel in Mittelfranken.

"Mit dem Klimawandel wird das alles noch an Bedeutung gewinnen", sagt Thomas Liepold, der beim Wasserwirtschaftsamt Ansbach zuständig ist für die Überleitung Donau-Main, wie das Wasserverteilungssystem offiziell heißt. Mit dem Bau der Stauseen sollte auch das Hochwasser an der Altmühl reguliert werden. "Die haben schon vor 100 Jahren versucht, den Fluss zu kanalisieren", sagt Liepold. Habe aber alles nichts genützt. Bis der Landtag 1970 das größte Wasserbauprojekt des Freistaats beschloss. 1986 eröffnete Ministerpräsident Franz Josef Strauß den Altmühlsee als ersten der drei großen Speicher, seither wird das Hochwasser der Altmühl dort gesammelt. "Das wirkt sich auch positiv auf die Donau aus", sagt Liepold, auch wenn sich die großen Donauhochwasser dadurch freilich nicht verhindern ließen.

Auf welchen Wegen das Wasser in den Norden gelangt

Das Hochwasser speist den Altmühlsee, der wiederum mit dem Brombachsee verbunden ist, aus dem Wasser Richtung Norden geleitet werden kann. Das ist in diesem Jahr schon vorgekommen, ist aber die seltenere Variante der Wasser-Umleitung von Süd nach Nord. Sie greift nur, wenn der Pegel der Donau zu niedrig ist. "Das ist schon eine Stress-Situation", sagt Liepold. Der übliche Weg der Überleitung ist ein anderer: Über den Rhein-Main-Donau-Kanal wird Wasser aus der Donau in den Rothsee gepumpt, von wo es über jene Kleine Roth in Rednitz, Regnitz und Main fließt.

Trockenheit: SZ-Grafik

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Das Wasser läuft nicht einfach so. An der Regnitz nördlich von Nürnberg wird der Pegel gemessen - ist er zu niedrig, dreht einer von Liepolds Kollegen in der Schaltwarte in Gunzenhausen den Hahn auf. Der ist beinahe mannsgroß und sieht eher aus wie ein dickes Rohr. Solche Kegelstrahlschieber gibt es am Rothsee wie am Brombachspeicher, jeder kann pro Sekunde so viel Wasser abgeben, wie in einen Tanklastzug passt. Die Rohre führen durch den Staudamm der Seen und leiten das Wasser so auf die anderen Seite. Etwa die Hälfte des Jahres werde Wasser nach Norden geleitet, sagt Liepold.

Und auch wenn es in diesem Jahr besonders trocken war, ist ihm und seinen Kollegen das Wasser nicht ausgegangen - obwohl die Donau ein paar Tage lang nicht mehr angezapft werden durfte. Zu viel Wasser soll aus den Stauseen nicht abgelassen werden, nicht nur wegen der Touristen, die dann vor halb leeren Gewässern stünden. Deswegen werden sie immer wieder aufgefüllt. Der Rothsee aus dem Rhein-Main-Donau-Kanal, Altmühl- und Brombachsee aus der Altmühl.

Wie viel Wasser umgeleitet wird

Ein paar Warnschilder verbieten an dem Abschnitt des Rothsees das Angeln und das Baden, Bojen sperren den Einlauf ab. Durch ein kleines Kraftwerk fließt das Kanalwasser in den See, so wird nebenbei auch noch Strom erzeugt. Fünf Kraftwerke gibt es an den Seen insgesamt, zusammen können sie etwa 4000 Haushalte mit Strom versorgen.

Bis das Wasser im Kanal an der Schleuse Eckersmühlen ankommt und von dort in den Rothsee strömt, muss es einen Höhenunterschied von 68 Metern und die Europäische Wasserscheide überwinden. Die quert der Kanal bei Hilpoltstein. Südlich der Wasserscheide fließt das Wasser Richtung Schwarzes Meer, nördlich davon zur Nordsee. Der Rhein-Main-Donau-Kanal, den viele Naturschützer für eine der unsinnigsten Umweltsünden der vergangenen Jahrzehnte halten, befördert das meiste Wasser aus dem Süden, das schließlich übergeleitet wird.

Arbeitsplätze und Millionen Einnahmen für den Norden

Etwa vier Monate im Jahr werde der Einlauf geöffnet, sagt Liepold, um den Rothsee wieder aufzufüllen. 125 Millionen Kubikmeter Wasser werden durchschnittlich pro Jahr in den See und weiter nach Norden gepumpt. Weitere 25 Millionen Kubikmeter kommen aus dem Brombachsee dazu. Das entspricht etwa dem Volumen von 60 000 olympischen Schwimmbecken.

"Da geht es nicht um Trinkwasser", sagt Liepold, sondern vor allem darum, die Wasserqualität in den fränkischen Flüssen stabil zu halten. Ohne das frische Wasser aus dem Süden hätte es in diesem Jahr möglicherweise größere Fischsterben gegeben. Es profitieren aber auch die Bauern im Knoblauchsland um Nürnberg, die ihre Felder teilweise mit Regnitz-Wasser bewässern.

Im Infozentrum in der Mandlesmühle bei Pleinfeld ist noch zu sehen, wie massiv für das Seenland in die Landschaft eingegriffen wurde. Der Umbau hat die Region verändert. Zum Positiven, finden die meisten. Schließlich hat sich dieser ländliche Teil Mittelfrankens von einer strukturschwachen Region zum Urlaubsgebiet gewandelt. Auch wenn noch mehr Gäste kommen könnten.

Welchen ökonomischen Nutzen das Wasser mit sich bringt

Die Übernachtungszahlen haben die Millionengrenze noch nicht geknackt, damit liegt das Seenland den Zahlen des Tourismusverbandes Franken zufolge im hinteren Bereich der fränkischen Urlaubsregionen. Profitiert hat die Gegend dennoch. Um die 4000 Arbeitsplätze entstanden, Liepold spricht von 170 Millionen Euro Einnahmen pro Jahr durch den Tourismus. Radlfahrer sind viele unterwegs, die Uferwege bieten sich dafür an.

Im Gegensatz zu den oberbayerischen Seen, wo manche Villa auf Privatgrund am Ufer steht, sind die mittelfränkischen Seen rundum zugänglich. Außer in den Naturschutzgebieten. Wer es beschaulich möge, der mache hier Urlaub, sagt Liepold. 10 000 Touristen schauen immerhin auch im Infozentrum vorbei. Und wissen nachher, warum das Seenland nicht nur eine Urlaubsregion ist.

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