Wasserkraftwerke:Zu wenig Wasser in Bayerns Flüssen: 77 Prozent der Fischarten bedroht

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Kiesbänke und ein paar Pfützen: Der Halblech nahe der gleichnamigen Ostallgäuer Gemeinde ist praktisch ausgetrocknet. (Foto: Elisabeth Mathes/LFV)
  • Viele Flüsse und Bäche führen nicht genug Wasser, damit Fische darin überleben können.
  • Der Grund sind die vielen Wasserkraftwerke, deren Betreiber das Wasser in Kanäle ableiten und damit ihre Turbinen antreiben.
  • Das Umweltministerium will die "Mindestwassermenge" ändern, doch die Betreiber der Kraftwerke sind dagegen.

Von Christian Sebald, München

Fischer und Naturschützer prangern schon lange an, dass die Bäche und Flüsse in Bayern oft zu wenig Wasser führen und deshalb die Fische und anderen Wassertiere darin massiv leiden. Der Grund sind die vielen kleinen und mittleren Wasserkraftwerke, deren Betreiber das Wasser in Kanäle ableiten und damit ihre Turbinen antreiben. In den Flüssen und Bächen selbst ist dann oft so wenig Wasser, dass die Tiere darin nicht überleben können.

Ausreichend Mindestwasser - so viel Wasser also, wie für Fische und andere Wassertiere lebensnotwendig ist - ist eine Voraussetzung, damit Flussforellen, Äschen und andere heimische Arten eine Zukunft haben. Nach langem Tauziehen will das Umweltministerium nun mit einem neuen "Mindestwasser-Leitfaden" durchsetzen, dass Kraftwerksbetreiber künftig etwa doppelt so viel Wasser in den Bächen und Flüssen lassen müssen wie bisher. Die Branche befürchtet massive Einbußen und läuft Sturm gegen die Pläne.

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Zumindest dann, wenn sein Entwickler recht behält: Das sogenannte Schachtkraftwerk soll kein Problem für Fische sein. Trotzdem kommt Kritik von Naturschützern.

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"Die geplante Vorgabe bringt wenigstens die Hälfte der Wasserkraftwerke in Bayern in Bedrängnis", sagt Hans-Peter Lang, der Chef des Landesverbands Bayerischer Wasserkraftwerke (LVBW), "wir rechnen damit, dass sie mindestens ein Drittel weniger Strom produzieren werden." Für etliche sei die neue Vorgabe eine Existenzbedrohung. "Gerade bei kleinen Anlagen ist schnell die Grenze erreicht, ab der sie sich nicht mehr rentieren", sagt Lang. "Die müssen dann schließen."

Bei der Vereinigung Wasserkraftwerke in Bayern (VWB) sieht man die Lage nicht minder dramatisch. "Wir rechnen mit bis zu 50 Prozent Ertragseinbußen", sagt der VWB-Chef Fritz Schweiger. "Das können wir nicht akzeptieren." Zumal das Ministerium einen "Pauschalansatz" verfolge, statt auf die jeweiligen Anlagen einzeln einzugehen. LVBW und VWB, daran lassen Lang und Schweiger keinen Zweifel, sehen nicht ein, warum die bisherige Vorgabe verschärft werden soll. Insider berichten, dass beide Verbände ordentlich Druck auf das Umweltministerium machen. Auf einem Arbeitstreffen kürzlich in München soll sogar von Klagen die Rede gewesen sein.

In Bayern gibt es etwa 4200 Wasserkraftwerke. Die meisten davon sind sogenannte Ausleitungskraftwerke, Anlagen also, für die das Wasser aus Bächen und Flüssen in Kanäle oder Rohre geleitet wird. 2800 Ausleitungskraftwerke sind Klein- und Kleinstanlagen mit bis zu 500 Kilowatt Leistung und mit einem geringen Anteil an der Produktion von Wasserstrom. Zwar liefern sie insgesamt 685 Millionen Kilowattstunden Wasserstrom im Jahr. Das ist etwa so viel wie 171 000 Drei-Personen-Haushalte verbrauchen. Aber unterm Strich sind es nur 5,5 Prozent des Wasserstroms, der insgesamt in Bayern hergestellt wird. Der Löwenanteil von 94,5 Prozent oder 13 Milliarden Kilowattstunden im Jahr stammt aus Kraftwerken mit mehr 500 Kilowatt und mehr Leistung.

Freistaat muss für gute Lebensbedingungen für Fische sorgen

So gering die Rolle der kleinen und kleinsten Anlagen für die Stromversorgung ist, so immens ist der Schaden für Fauna und Flora in den Bächen und kleinen Flüssen durch sie. 77 Prozent der heimischen Fischarten sind vom Aussterben bedroht. Unter ihnen auch vormalige Allerweltsarten wie Äschen und Nasen. Würden die Fischer nicht regelmäßig Zigtausende junge Fische aus Nachzuchten in die Bäche und Flüsse einsetzen, wäre es ziemlich leer darin.

Und das, obwohl der Freistaat und die Wasserwirtschaft eigentlich dafür sorgen müssen, dass die Fische gute Lebensräume bekommen. Der Mindestwasser-Leitfaden soll jetzt wenigstens ein Baustein dafür sein. Das Papier ist überfällig, die bisherigen Vorgaben stammen von 1999 und sind komplett veraltet. Hinzukommt, dass nach Untersuchungen des Umweltministeriums die Wasserkraft-Betreiber selbst die bisher schwachen Vorgaben oft unterschreiten.

Entschieden wird frühestens im Winter

Die Fischer und die Naturschützer begrüßen die Initiative des Umweltministeriums als überfällig. "Natürlich hätten wir uns gewünscht, dass die Mindestwassermenge noch höher angesetzt wird, so wie das in anderen Bundesländern Standard ist", sagt Christine Margraf vom Bund Naturschutz. "Aber der neue Leitfaden ist ein Fortschritt. Er muss rasch in Kraft gesetzt werden." Das verlangt auch der Landesfischereiverband (LFV). "Das Ministerium hat gründlich gearbeitet, der Leitfaden ist fundiert", sagt LFV-Sprecher Thomas Funke. "Die Wasserkraft-Betreiber dürfen ihn jetzt nicht torpedieren."

Am Umweltministerium befürchtet man, dass die Wasserkraft-Lobby genau das im Landtagswahlkampf versuchen wird. Deshalb haben die Experten dort jetzt alle Verbände und Organisationen aufgefordert, ihre Kritik und Forderungen fundiert zu formulieren. Entschieden werden soll über den neuen Mindestwasser-Leitfaden dann frühestens im nächsten Winter.

© SZ vom 13.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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