Preisverleihung:Markus Wasmeier erhält Bairische Sprachwurzel

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Markus Wasmeier, ehemaliger Skirennfahrer spricht im Museum des Hauses der Bayerischen Geschichte zu seiner Ehrung mit der Bairischen Sprachwurzel. (Foto: Armin Weigel/dpa)

Die Auszeichnung geht an den einst erfolgreichen Skirennläufer, weil er sich bis heute erfolgreich weigert, sich sprachlich einnorden zu lassen.

Von Hans Kratzer, Regensburg

Es ist eine kluge Tradition, den Festakt zur Verleihung der Bairischen Sprachwurzel stets in einem Lokal ausklingen zu lassen, denn dort werden oft die herrlichsten Geschichten aufgetischt. So wurden auch am Samstag im Wirtshaus des Museums der Bayerischen Geschichte in Regensburg bei Bier und Braten haufenweise Anekdoten aus dem Leben des Preisträgers Markus Wasmeier zum Besten gegeben. Unter anderem amüsierte sich das Publikum über einen denkwürdigen Auftritt des damals 22-jährigen Skirennläufers in der ZDF-Show „Wetten dass“ anno 1986. Direkt neben ihm, so erinnerte sich Wasmeier, sei die Diva Gina Lollobrigida gesessen, was dazu führte, dass der italienische Filmstar Gefallen an dem flotten Sportler fand und heftig mit ihm zu flirten begann.

Wie den Erörterungen der Zeitzeugen zu entnehmen war, meisterte Wasmeier die Situation ebenso souverän wie seine sportlichen Prüfungen, die ihm immerhin zwei olympische Goldmedaillen und einen Weltmeistertitel einbrachten. Diese Erfolge verschafften ihm eine große Resonanz in den Medien – und manch kurioses Interview, das in die Fernsehgeschichte eingegangen ist.

Während eines Gesprächs mit Wasmeier im ZDF-Sportstudio im Februar 1985 wurde beispielsweise auf dem Bildschirm der Schriftzug „Originalton Süd“ eingeblendet, quasi analog zum „Original-Ton-Ost“-Laufband bei Einspiel-Beiträgen aus dem damaligen DDR-Fernsehen. Der Sender leistete sich damit nicht nur eine herausragende Unverschämtheit, sondern auch eine Diskriminierung Wasmeiers. Unter anderem beschwerte sich der damalige Staatskanzleichef Edmund Stoiber beim Sender wegen „dieses sprachzentralistischen Affronts“, wie der Bund Bairische Sprache, der die Sprachwurzel verleiht, den Eklat benannte.

Wasmeier pflegte unberirrt das Bild des „Lederhosentypen und Naturburschen“, wie ihn später einmal die FAZ würdigte. Auch in sprachlicher Hinsicht ließ er sich nicht verbiegen – im Gegensatz zu vielen anderen Sportlern, denen ihre Mundart von Managern und Wichtigtuern ausgetrieben wurde. Auch bei ihm habe man versucht, ihn sprachlich einzunorden, erzählte er. Weil er aber dagegen gefeit war, wurde ihm nun die Ehre zuteil, die zum 20. Mal vergebene Bairische Sprachwurzel in Empfang zu nehmen.

Sepp Obermeier, der Erfinder der Sprachwurzel, sagte, Wasmeier habe das Preiskriterium übererfüllt. Er setze sich mit seinem Bauernhofmuseum in Schliersee für das kulturelle Erbe Bayerns ein, dabei sei er selber das wohl „wertvollste Ausstellungsstück“. Die Laudatio trug wie bei jeder Verleihung ein Dialekt sprechender Professor vor, diesmal in Gestalt des Straubinger Chirurgen Robert Obermaier.

Der Laudator nannte Markus Wasmeier neben Michael Schumacher und Boris Becker das Sportleridol seiner Jugendzeit. Wenn solche Menschen mit Vorbildcharakter Dialekt sprächen, dann prägten sie das Image des regionaltypischen Sprechens positiv und leisteten einen Beitrag, dass Bairisch trotz aller Veränderungen, denen Sprachen immer unterworfen seien, in seiner Substanz überleben könne. Denn schon innerhalb einer Generation könne ein solches 1500-jähriges Kulturgut verschwinden. Ein Kulturgut, das gemeinsam mit dem Alemannischen am Beginn der deutschen Literaturgeschichte stehe, das das Wessobrunner Gebet, die Lieder Walthers von der Vogelweide und das Nibelungenlied hervorgebracht habe.

Nicht umsonst versuchen Diktaturen Sprachvielfalt zu verhindern

Sepp Obermeier und sein Sprachverein verleihen die Sprachwurzel alljährlich an Personen, die bei öffentlichen Anlässen und in den Medien das regionale Idiom verwenden. Ihr Ziel lautet, daran zu erinnern, was Sprache für die Menschen und ihre Identität überhaupt bedeutet und welchen Freiraum sie ihnen ermöglicht. Nicht umsonst versuchten Diktaturen seit jeher Sprachvielfalt zu verhindern.

Was auch den Mediziner Obermaier zu dem Hinweis veranlasste, die bairischen Sprachvarietäten seien tolerant, „sie werden sich weiterentwickeln und verändern, wenn sie verwendet werden.“ Wenn aber die Staatsregierung mit offiziellen Verboten versuche in die Sprache einzugreifen, und sei es nur in die Behördensprache, „dann ham de Großkopfadn des ungeschriebene Gesetz lem und lem lassn leider ned richtig verstanden.“

Am Ende des Wirtshausdiskurses wurde die Erfolgsgeschichte des Sepp Obermeier gewürdigt, jenes unermüdlichen Kämpfers für Diversität und sprachliche Vielfalt, dem es durch beharrliches Einwirken gelungen ist, dass mittlerweile in ganz Deutschland und Österreich über die Verleihung der Bairischen Sprachwurzel berichtet wird.

Das ist auch insofern angemessen, als das Bairische mit seinen gut 15 Millionen Sprechern das größte zusammenhängende Dialektgebiet in Europa umfasst. Es reicht vom südlichen Vogtland in Sachsen über die bayerischen Regierungsbezirke Oberbayern, Niederbayern und die Oberpfalz bis zur Ostgrenze Österreichs und hinunter nach Italien. Also bis zur Heimat der im vergangenen Jahr gestorbenen Gina Lollobrigida, die leider nicht mehr erfahren hat, dass sie einst mit einem künftigen Sprachwurzelträger geflirtet hat.

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