Waldkraiburg:Der Chancenlose

Waldkraiburg: Der doppelte Erich Utz: In Waldkraiburg ist der Kandidat der Linken plakatiert, außerdem ist er persönlich unterwegs. Ohne Aussichten auf ein Mandat allerdings, denn er steht auf Listenplatz 18.

Der doppelte Erich Utz: In Waldkraiburg ist der Kandidat der Linken plakatiert, außerdem ist er persönlich unterwegs. Ohne Aussichten auf ein Mandat allerdings, denn er steht auf Listenplatz 18.

(Foto: Mathias Köpf)

Erich Utz will für die Linke in den Bundestag, doch das wäre "das Wunder von Altötting", sagt er selbst. Dennoch macht er unverdrossen Wahlkampf in einer Gegend, in der von seiner Partei sonst wenig zu sehen ist

Von Matthias Köpf, Waldkraiburg

Am Bahnsteig ist erst einmal Orientierung gefragt. Da hinauf und dann links? Das scheint auch Erich Utz die richtige Richtung zu sein, und zwar ganz grundsätzlich, nicht nur hier am Bahnsteig in Waldkraiburg. Der Direktkandidat und seine beiden Wahlkampfhelfer sind gerade mit der Regionalbahn im Wahlkreis Altötting-Mühldorf angekommen. Aber zum ersten Mal ist Utz auch wieder nicht in Waldkraiburg, mit 23 000 Einwohnern immerhin die größte Stadt im Landkreis Mühldorf. Im Frühjahr, zu Beginn des Wahlkampfs, war Utz zum Beispiel schon mal da, und Plakate hat er auch selber geklebt. Ob es hier Genossen gibt? "Ja, einen auf jeden Fall." Aber der sei schon über Achtzig und niemand könne ihm zumuten, mit dem ganzen Material durch die Wohnblocks zu ziehen. Also kommt Utz mit zwei Genossen aus München hierher, über jeder Schulter knallrote Umhängetaschen. "Hier ist die Linke", steht darauf.

In der Taverne Korfu geht es um die Themen Rente und Altersarmut

Eigentlich ist Erich Utz hierher gekommen, weil die Linke auf dem Land in Oberbayern gerade nicht da ist. Bei der Aufstellungsversammlung, in der er als Münchner zum Direktkandidaten für Altötting-Mühldorf gemacht wurde, hat er nur achtzig Prozent der Stimmen bekommen, weil einem der fünf stimmberechtigten Genossen wohl suspekt war, dass der Kandidat auch Sprecher der "Landesarbeitsgemeinschaft Christinnen und Christen der Linken in Bayern" ist. Dabei wisse man gar nicht, wer linker sei, wenn man die Sozialenzyklika von Papst Franziskus und das Programm der Linken anschaue, sagt Utz.

Eine Mini-Version dieses Programms stecken Utz, Rudolf Edhofer und Aloysius Baltes jetzt in die vielen Briefkästen des ersten Wohnblocks, dazu ein Flugblatt zur letzten Veranstaltung vor der Wahl, einem Abend in der Taverne Korfu über Rente und Altersarmut. In der großen Kiste für die unerwünschte Post im Hausgang liegen schon Flugblätter des CSU-Kandidaten Stephan Mayer, der sie aber kaum selber ausgetragen haben wird. Mayer ist innenpolitischer Sprecher der Union im Bundestag und empfiehlt sich "mit Sicherheit" wieder fürs Parlament.

Erich Utz weiß mit Sicherheit, dass er es nicht nach Berlin schaffen wird. 2013 haben es bei bundesweit 8,6 und bayernweit 3,8 Prozent der Zweitstimmen vier Linke über die Landesliste zu einem Mandat gebracht, Klaus Ernst, Eva Bulling-Schröter, Nicole Gohlke und Harald Weinberg. Bulling-Schröter tritt nach 23 Jahren im Bundestag nicht mehr an, dafür darf sich jetzt Susanne Ferschl aus dem Ostallgäu Hoffnungen machen, die auf Listenplatz drei steht. Erich Utz steht auf Listenplatz 18, und die Linke liegt in Bayern laut Umfragen bei fünf Prozent. Sein Einzug in den Bundestag wäre "das Wunder von Altötting", sagt der christliche Linke und lacht.

Denn trotz persönlicher Chancenlosigkeit und Regenwetter in Waldkraiburg ist Erich Utz ein unverzagter, fröhlicher Wahlkämpfer. Die rote Tasche hängt über einer Trachtenjacke, auf dem Kopf hat er einen Filzhut. "Das ist keine Verkleidung", sagt er. Schließlich ist der Freiberufler nicht nur in der gewerkschaftsnahen Erwachsenenbildung tätig, sondern auch als Volkstanzlehrer und Hochzeitslader. Die Leute scheut er eigentlich nicht, aber die Frau im Friseursalon muss sich sicher um die Kundin kümmern, die Gäste in der Vinothek wollen bestimmt ihre Ruhe haben, und der ältere Herr auf der Straße wird auf den Enkel aufpassen müssen. Trotzdem spricht Aloysius Baltes eifrig Passanten an. "Grüß Gott, ich bin von der Partei die Linke, das ist unser Direktkandidat, Herr Utz, sie können ihm gerne Fragen stellen." Utz steht daneben und sagt "Grüß Gott, Utz", aber viel von ihm wissen wollen die Leute meistens nicht. Der Hausmeister gerade auch nicht, keine Zeit, aber "eure Partei, die ist super, die wähl' ich vielleicht. Die großen jedenfalls von Haus aus nicht." Solche Erfolgserlebnisse sind selten an diesem Nachmittag. Obendrein muss Aloysius Baltes in diesem Wohnblock jetzt nirgends klingeln, um an die Briefkästen zu kommen.

Utz macht das alles "für die Partei", sagt er, doch bei der Strategie liegt er nicht auf Linie: Die Partei will da kämpfen, wo sie schon ein bisschen Land sieht. Er will die weißen Flecken wenigstens ein bisschen roter machen. Deswegen habe er sich dem Kreisverband Altötting-Mühldorf zur Verfügung gestellt, nachdem er gehört hat, dass dort ein Direktkandidat gebraucht wird. 2013 brachte es die Linke hier auf 2,9 Prozent der Zweitstimmen.

Selber war Erich Utz immer schon links und 1971 als Zwölfjähriger sogar mit der DKP in einem Ferienlager in der DDR. Eine Schulfreundin in Freimann habe ihn draufgebracht, die Eltern haben den Zettel unterschrieben. "Billig war es ja auch, das war wichtig", sagt Utz, der später als Jurastudent in München die erste Studentengruppe der GEW gegründet hat, weil nur die GEW überhaupt Studenten genommen habe. Dazu musste er der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft zwar weismachen, dass er in die Erwachsenenbildung wolle, aber das ist nach ein paar Posten bei verschiedenen Gewerkschaften ja sogar so gekommen. Was nach der Bundestagswahl kommt, weiß Erich Utz: Die Landtagswahl 2018. Dann will er wieder kandidieren.

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