Waldfeste am Tegernsee:Ärger um die Cabrio-Trachtler

Die Waldfeste am Tegernsee sind weit mehr als ein Geheimtipp für partyfreudige Münchner - was die Einheimischen nicht immer freut. Immerhin sind die Großstädter meist sofort zu erkennen: an der Mode, an den Autos und an den großen Gesten.

Oliver Hollenstein

"Schreib in München ja nicht, dass das ein schönes Fest ist hier." Mecki hebt mahnend den Zeigefinger, schaut auf seinen Maßkrug und nimmt einen kräftigen Schluck. "Essen und Trinken sind hundsmiserabel." Sein dröhnendes Lachen übertönt die Blasmusik. "Im Ernst: Das hier ist doch das letzte Waldfest, wo man noch hingehen kann."

Bayerische Musikanten beim Waldfest in Rottach-Egern

Die schönste Zeit bei den Waldfesten sind die Frühschoppen mit Weißwurst, sagen die Menschen aus Rottach-Egern. Denn da ist man noch unter sich.

(Foto: Johannes Simon)

Es ist Sonntagmorgen, noch sind die meisten Bierbänke leer, die der Trachtenverein Rottach-Egern an seiner Hütte am Fuße des Wallbergs am Tegernsee aufgestellt hat. Die Kapelle spielt auf der Vogelwiese, auf der benachbarten Weide grasen Kühe vor Bergpanorama.

Die schönste Zeit des Festes sei der Frühschoppen mit Weißwurst, sagt der Rottacher Rentner Mecki. Die Zeit, "bevor die Schicki-Mickis aus München einfallen".

Seit 120 Jahren feiern die Rottacher ihr Wallberger Trachtenfest. Es ist eines von etwa einem Dutzend Waldfesten, die im Sommer um den Tegernsee gefeiert werden. Jede Woche lädt ein anderer Verein zu seiner Hütte, 3000 bis 5000 Menschen in Lederhosen und Dirndln strömen herbei, um bei Blasmusik, Hendln und Bier die Sonne zu genießen.

Waldfest als Promi-Treff

Für die Einheimischen sind die Feste der soziale und kulturelle Höhepunkt des Jahres: Man trifft alte Freunde, Kollegen, ehemalige Lehrer und vielleicht die Frau fürs Leben. Nicht kommen kommt nicht in Frage. Dass das inzwischen auch für die Münchner Schickeria gilt, ärgert viele Einheimische.

Rottach-Egern: WALLBERGER WALDFEST

Die Münchner haben die Waldfeste für sich entdeckt. Den Einheimischen gefällt das weniger.

(Foto: Johannes Simon)

Papa, wann hat man noch aufs Ostiner-Fest gehen können?" Die 29-jährige Tanja sitzt an der Kasse zum Trachtenfest. Einen Euro kostet der Eintritt, Kinder frei. "Vor zehn Jahren vielleicht." Das Waldfest des SC Ostin am kommenden Wochenende gilt als Promi-Treff.

Glaubt man Bunte und Co., ist hier in den vergangenen Jahren manches Sternchenpaar zusammengetroffen. Für die Einheimischen ist das Fest dagegen inzwischen tabu. "Da sind doch nur noch Münchner", sagt Tanja.

Gegen Mittag rollen auch die ersten SUV die Waldstraße zur Wallberger Hütte hoch. Am Eingang kramt ein Mittfünfziger mit zurückgegelten Haaren in seiner Hosentasche, zieht ein Bündel Hundert-Euro-Scheine heraus, zahlt fünf Euro. "Stimmt so." "Eindeutig Münchner", sagt Tanja. Zur hellbraunen Lederhose trägt er feine schwarze Lederschuhe - ohne Socken.

Grelle Dirndl, lange Lederhosen - muss ein Münchner sein

Rottach-Egern: WALLBERGER WALDFEST

Ein Dirndl in grellen Farben? Muss eine Besucherin aus der Landeshauptstadt sein.

(Foto: Johannes Simon)

Es ist die Mode, die den Münchner verrät. Als "Landhausmodenträger" werden sie verspottet. Die Lederhosen sind zu lang ("hier trägt man kurz"), das Hemd hat die falsche Farbe ("sonntags immer weiß"), das Dirndl ist zu grell ("rot geht gar nicht, die muss wohl unbedingt auffallen").

Thomas' Lederhosen sind zu lang, sie gehen übers Knie. Der 43-jährige Münchner ist mit seiner Freundin Kristina übers Wochenende am Tegernsee. Morgens haben sie mit ihrem silbernen Porsche-Cabrio einen Ausflug in die Berge gemacht. "Gutes Bier, tolle Stimmung", sagt Thomas. Das möge er an den Festen hier. Für die 30-jährige Kristina ist es das dritte Waldfest in diesem Jahr. "Das ist toll, man trifft wirklich total viele Leute, die man kennt."

Rund die Hälfte der Waldfestbesucher kommt inzwischen von außerhalb, sagt Quirin Berghammer, Vorsitzender des Trachtenvereins und damit oberster Wallberger. Das gelte allerdings nur für die Feste der Trachtenvereine, die traditionell sonntags sind. "Die Sportvereine feiern freitags um samstags, da sind noch mehr Münchner."

Obwohl viele Einheimische über die Gäste schimpfen, betonen die Vereine, dass sie sich über jeden Gast freuen. "Hier ist jeder willkommen, dass macht ja gerade unsere Kultur aus", sagt Franz Zehendmaier, Vorsitzender des Trachtenvereins d'Hirschbergler, der traditionell die Waldfestsaison ende Juni eröffnet. "Wenn ein Platz frei ist, dann setzt man sich dazu, egal ob Millionär oder nicht. Das ist doch schön."

Jugendliche mit Alkoholvergiftung

Rottach-Egern: WALLBERGER WALDFEST

So mancher Gast trinkt mehr als er verträgt.

(Foto: Johannes Simon)

Doch die Idylle hat in dieser Saison einen mächtigen Dämpfer bekommen. Die Polizei hat die Ordnungsämter der Gemeinden angeschrieben und plädiert für ein Ausschankverbot von zwei Uhr nachts an. Grund: Die Waldfeste eskalieren zu oft.

Anfang der Saison mussten mehrere Jugendliche unter 16 Jahren mit einer Alkoholvergiftung ins Krankenhaus gebracht werden. "Sie sind mit der Bahn aus München gekommen und haben sich schon im Zug mit Schnaps betrunken", sagt Zehendmaier. "Die bringen das Zeug in Rucksäcken mit und wir können es nicht kontrollieren."

Die Vereine wollen den Vorschlag mit der Sperrstunde daher unterstützen. "Bei uns passen alle auf, dass die Jugendlichen kein Bier bekommen", beteuern sie. Christoph, 15, ist sich allerdings sicher, dass das nur für die Außenstehenden gilt, und nimmt einen kräftigen Schluck aus seiner Maß.

Es sei doch klar, dass das auswärtige Jugendliche gewesen sein, die ins Krankenhaus gebracht werden mussten, sagt er. "Hier wächst du damit auf, dann weißt du, was du verträgst."

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