Süddeutsche Zeitung

Waldfest am Tegernsee:Trachten, Steckerlfisch und günstige Mass

Lesezeit: 4 min

Mit den Waldfesten am Tegernsee finanzieren Sportvereine und Trachtler ihre Arbeit. Die vielen Gäste aus München sind deshalb willkommen - wenn sie sich halbwegs anständig aufführen.

Von Matthias Köpf

Für Sepp Becher ist das eigentlich gar keine Frage. Freilich werde er an diesem Samstag auch wieder dabei sein und mit anpacken. An diesem Wochenende ist der Skiclub mit seinem Waldfest dran, droben am Leonhardstoana Hof, wo dann am 22. Juli auch die Leonhardstoana selber, einer der beiden Trachtenvereine in Kreuth, ihr Fest feiern werden. Sepp Becher ist bei den Hirschberglern, dem anderen Kreuther Trachtenverein. Bei deren Waldfest am vergangenen Sonntag ist er an der Bierkasse gesessen, wie immer in den vergangenen 20 Jahren. An Becher, einem freundlichen, vollbärtigen Mann von 67 Jahren, sind sie also alle vorbeigekommen. Die Nachbarn, die Kollegen, die Vereinskameraden, die Freunde und die Spezln, kurz: die Hiesigen, die sich auf ihren Waldfesten gerne treffen. Und die anderen natürlich auch, die hier am Tegernsee großräumig als "die Münchner" gelten.

Auch sie haben bei Sepp Becher ihre Biermarken bezahlt, 6,70 Euro kostete heuer die Mass bei den Hirschberglern. Sieben Euro mit Trinkgeld ist das aktuelle Preisniveau bei den Waldfesten im Tegernseer Tal, und wo kriegt man dafür heute schon noch eine Mass? Am Oktoberfest jedenfalls nicht, meint Sepp Becher. Das Oktoberfest ist längst eine Art Referenzgröße für die Waldfeste hier, sogar die Fremdenverkehrswerber vom Tegernseer Tal Tourismus, die speziell für die Waldfeste eigentlich keine Werbung mehr machen, weil sowieso schon genügend Gäste kommen, stellen auf ihrer Homepage fest, dass die Waldfeste für den Tegernsee das seien, "was für München das Oktoberfest ist". Das beste aber: "Sie dauern den ganzen Sommer."

Die Waldfestsaison hat heuer früher begonnen als sonst, mit dem Waldfest der Fußballer vom FC Real Kreuth vor vier Wochen. Früher waren immer die Hirschbergler die ersten, am ersten Julisonntag waren sie dran, und auf das erste Waldfest warten sie natürlich alle, sagt Sepp Becher. Die Fußballer folgten dann erst Anfang August, aber im August fängt ja auch die Fußballsaison wieder an, und für so ein Waldfest muss ein Verein seine Kräfte schon bündeln, anders geht es nicht. Denn die Mitglieder machen praktisch alles selber, nicht nur an der Bierkasse. Sie grillen die Steckerlfische, die Hendl und das Fleisch, sie schenken den Kaffee ein und geben den Kuchen aus, und später kredenzen sie an der Bar auch die härteren Getränke. Der Nachwuchs führt Volkstänze vor, die Buben platteln, die Goaßlschnalzer lassen die Geißeln schnalzen. Und davor haben sie natürlich alles selber aufgebaut, was sie am Tag nach dem Fest wieder abbauen müssen. Beim Abbauen seien es meistens am wenigsten Helfer, sagt Sepp Becher, aber insgesamt sind bei den Hirschberglern ungefähr 130 Leute am arbeiten. Wer die alle zahlen müsste, der käme auf keinen grünen Zweig, weshalb die paar Wirte, die es mal kommerziell mit ähnlichen Festen versucht haben, das auch bald wieder bleiben ließen.

Münchner seien willkommen, wenn sie sich anständig aufführen

Reine Vereinsfeiern sind die Waldfeste am Tegernsee aber natürlich nicht, es soll schon Geld in die Kasse, nur halt in die des Vereins. Wie viel da zusammen kommt, darüber wird nicht allzu gern laut geredet, aber so viel ist es immerhin, dass die Hirschbergler zum Beispiel mit einem Jahresbeitrag von fünf Euro für die Erwachsenen auskommen, und der Kreuther Skiclub kann sich schon auch gut mal ein Gletschertraining für den Nachwuchs leisten, wenn daheim der Schnee nicht reicht.

Das Geld kommt von den Gästen, also mindestens zur Hälfte eben von den Münchnern. Die seien immer willkommen, wenn sie sich anständig aufführen, sagt zum Beispiel Sepp Becher, und obwohl er ein alter Trachtler ist, so ist er deswegen noch lange keiner von denen, die immer nur schimpfen über die Münchner. Weil die Lederhose bei denen zu lang ist oder zu hell, weil sie Sneakers und keine Trachtenstrümpfe anhaben, weil die Lederne bei denen nicht zur Tracht gehört, sondern zu Partyausstattung fürs Oktoberfest und schon lange eben auch für den Tegernsee. Das mit den Münchnern werde immer schlimmer, heißt es ziemlich oft im Tegernseer Tal, aber dass alles immer schlimmer wird, das war auch immer schon so.

Sepp Becher dagegen findet, dass es zuletzt eigentlich wieder besser geworden ist. Dass die Dirndl der Mädchen wieder ein bisschen dezenter geworden sind und die Manieren der Münchner manchmal auch. Ganz schlimm sei es in den Neunzigern gewesen, als halb München das Waldfest der Hirschbergler gestürmt habe. Manche hätten das alles offenbar überhaupt für Kostümfeste gehalten, sagt der 67-Jährige, der sich mit Schaudern daran erinnert, dass einmal sogar welche in Nikolausverkleidung aufgetaucht sind. Aber zuletzt sei es doch wieder "viel griabiger" geworden, sagt der pensionierte Postbeamte. Auch mehr Einheimische blieben wieder länger, die es zwischenzeitlich vorgezogen hätten, beim Frühschoppen unter sich zu bleiben und dann das Feld zu räumen.

Zum Teil rollen die Städter in Partybussen an

Das hat natürlich auch damit zu tun, dass die Hirschbergler nur am Sonntag feiern und am Montag kaum einer Gelegenheit hat, einen ordentlichen Rausch auszuschlafen. Bei den Waldfesten am Freitag und Samstag wie beim Skiclub oder den Fußballern ist schon noch mal mehr "Halligalli", wie Sepp Becher das nennt - nicht nur in Kreuth natürlich, sondern auch in Rottach-Egern, wo die Waldfeste hinten in Enterrottach stattfinden, oder in Bad Wiesee und in Tegernsee. Zum Teil rollen die Städter dann auch in Partybussen an, in denen die Leute nicht nur besoffen heimfahren können, sondern oft genug schon angetrunken ankommen. Aber einen Sicherheitsdienst gibt es seit einiger Zeit auch überall, außerdem strengere Sperrstunden und oft normale Shuttlebusse zu den Bahnhöfen der Oberlandbahn.

Trotz all der Gemeinsamkeiten hat von den zwölf Waldfesten im Tal durchaus noch jedes seinen eigenen Charakter, weil zu den Gebirgsschützen gerne andere Gebirgsschützen kommen und zu den Trachtlern andere Trachtler. Ein Spezialfall ist das Waldfest des SC Ostin am Oedberglift bei Gmund vom 9. bis 11. August. Es ist nicht nur das nördlichste, mit drei Tagen das längste, das letzte im Jahr, und das einzige, das sich nicht von der lokalen Tegernseer Brauerei beliefern lässt. Vor allem gilt es als die Mega-Party für die Münchner im weiteren Sinn. Nach getaner Arbeit in Kreuth freut sich Sepp Becher schon auf die eine oder andere Mass auf den anderen Waldfesten. In Ostin aber, "da war ich schon lang nicht mehr".

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4041689
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 06.07.2018
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.