Waldbrandgefahr in Bayern:Fliegender Rauchmelder

Waldbrandgefahr in Bayern: Alles unter Kontrolle: Forstminister Helmut Brunner beim Rundflug über den Bayerischen Wald.

Alles unter Kontrolle: Forstminister Helmut Brunner beim Rundflug über den Bayerischen Wald.

(Foto: Korbinian Eisenberger)

An heißen Tagen patrouillieren die Piloten der Luftrettungsstelle Straubing mit ihren Flugzeugen über dem Bayerischen Wald - auf der Suche nach Bränden. Denn bereits eine glühende Zigarette kann in wenigen Stunden mehr vernichten als der Borkenkäfer in vielen Jahrzehnten. Auf Kontrollflug mit dem Forstminister.

Von Korbinian Eisenberger

Das Inventar erinnert an einen alten Mercedes. Vier Ledersessel, silberne Griffe, braune Armaturen. Der Motor dröhnt, es ruckelt unaufhörlich, die Luft ist stickig. Auf einem der Sessel sitzt ein Mann mit Lackschuhen, Stoffhose und weißem Hemd, durch die Fensterscheibe strahlt die Sonne seine rechte Gesichtshälfte an. Der bayerische Forstminister Helmut Brunner ist auf Dienstreise mit einem Propellerflugzeug. Ein Pilot der Straubinger Luftrettungsstaffel lenkt den CSU-Politiker in 300 Metern Höhe über den Bayerischen Wald. Es ist kurz vor elf Uhr, das Thermometer zeigt eine Außentemperatur von 26 Grad an.

An heißen Sommertagen wie in den vergangenen Wochen fliegen die Piloten der Straubinger Luftrettungsstelle in verschiedenen Routen über den Bayerischen Wald. Aus der Luft erspähen sie Stellen, an denen sich Rauch gebildet hat und ein Feuer auszubrechen droht. Durch die andauernde Hitze in Niederbayern ist die Waldbrandgefahr derzeit besonders groß. Brunner verschafft sich deshalb selbst einen Eindruck von der Lage. "Man spürt den Klimawandel", sagt er und macht seinen oberen Hemdknopf auf.

"Wir sind Turbulenzen gewohnt"

Die Maschine fliegt eine Kehre über dem Trinkwasserspeicher Frauenau, der weite Gebiete im Bayerischen Wald und Donauraum versorgt. Auf Brunners Stirn haben sich Schweißperlen gebildet. Mit angewinkelten Beinen sitzt er eingekeilt zwischen der Filmkamera eines Fernsehreporters und einem Fußpaar. Über seinen Kopf ist eine Mixtur aus Ohrenschützern und Headset gestülpt. Plötzlich rauscht die Stimme des Piloten durch den Kopfhörer. "Alles in Ordnung mit Ihnen, Herr Staatsminister?"

Brunner schlägt sich wacker, obwohl die waghalsigen Flugmanöver den Mageninhalt ordentlich durchrütteln. Es sei schließlich nicht das erste Mal, dass er an Bord eines Überwachungsflugzeugs sitze. Brunner zeigt auf graue Stellen, die zwischen den Wäldern klaffen. Er erzählt, dass der Borkenkäfer ganze Waldstriche vernichte. Jetzt neigt sich das Flugzeug um 45 Grad zur Seite. Brunner kneift die Augen zusammen. Der Pilot gluckst. "Wir gehören alle einer Spezies an, wo wir Turbulenzen gewohnt sind", spricht Brunner in die Runde und lacht. Für einige Sekunden offenbaren die Fensterscheiben einen 360-Grad-Blick auf das schier unendliche Grün des Bayerischen Waldes.

Waldbrandgefahr: Brunner informiert sich aus der Luft

Das Propellerflugzeug als Kontrollflugzeug über dem Bayerischen Wald. 

(Foto: Armin Weigel)

Die Maschine nähert sich der tschechischen Grenze, die grauen Löcher zwischen den bewaldeten Flächen werden größer. Wie umgeknickte Streichhölzer säumen die zerfressenen Holzhüllen hier zu Tausenden den Waldboden. Von oben sehen die toten Baumreste aus, als läge eine dicke Staubschicht darüber.

Auf ihrem Kontrollflug düst die Maschine jetzt über den Ort Regen. Einen Brandherd haben Brunner und sein Pilot bisher nicht entdeckt. Bereits eine glühende Zigarette könne jedoch in wenigen Stunden mehr vernichten als der Borkenkäfer in vielen Jahrzehnten. In der Nähe seien am Vortag 3000 Quadratmeter abgebrannt, sagt Brunner. Im zehn Kilometer entfernten Zwiesel rückten am Freitag 150 Feuerwehrmänner aus, weil eine Dampflok ein Feuer entfacht hatte. Bei einem Brand am Thumsee im Chiemgau wurden 25 Hektar Wald in Mitleidenschaft gezogen. "Der heiße Katalysator von einem Auto reicht aus, um den Boden zum Brennen zu bringen", sagt Brunner und macht seinen zweiten Hemdknopf auf.

150 Mann im Einsatz - weil eine Dampflok ein Feuer entfacht hat

Das Kontrollflugzeug ist seit einer Stunde in der Luft und nähert sich dem Hochwassergebiet in Passau, wo sich Donau und Inn treffen. Die kaffeebraune Brühe der Donau und der klare Inn fließen fast surreal nebeneinander her. Das Flugzeug überfliegt einen Donaudampfer und erreicht dann Deggendorf, jene Stadt, der das Hochwasser in Bayern am schlimmsten zugesetzt hat.

Brunner erinnert sich, wie die Dachspitzen aus dem Wasser ragten. Von oben ist das Autobahnkreuz bei Fischerdorf erkennbar, das auf einem Hubschrauber-Foto vor einigen Wochen nur mehr zu erahnen war. Jetzt schieben sich die Fahrzeuge wieder wie Spielzeugautos über das Asphalt-Mandala. "Die Mittel für die Flutopfer stehen bereit", sagt Brunner.

Dunkle Rauchschwaden hinter einem Wald - keine Gefahr

Plötzlich steigen hinter einem Wald dunkle Rauchschwaden auf. Über Funk kann der Pilot in Sekundenschnelle die Feuerwehr informieren und einen Einsatz befehligen. Er drückt auf seinem Schalthebel."Das da vorne ist ein Steinabbau, keine Gefahr", schallt es durch den Hörer.

Die Maschine wechselt den Kurs in Richtung Straubing. Das grüne Dickicht weicht einem gelb-braunen Fleckerlteppich, Mähdrescher schleppen sich über die Felder. Die Bauern müssten in diesem Jahr viel früher ernten als üblich, erklärt Brunner, der vor etwa 30 Jahren den Bauernhof seiner Eltern übernahm. Der Ertrag sei dabei deutlich geringer. Die Hitze würde das frühreife Getreide sonst unbrauchbar machen. In weiße Schutzfolien eingewickelt liegen Hunderte Siloballen über die Felder verstreut. Von oben glänzen sie wie Golfbälle.

Die Sonne brennt jetzt gnadenlos durch die Fensterscheiben. Brunner schaut im Minutentakt auf seine Armbanduhr. Um zwölf will er wieder landen, weil er noch auf eine Wahlkampfveranstaltung mit dem Chef muss. "Landeanflug", rauscht es durch die Kopfhörer. Brunner nestelt an seinen Hemdknöpfen herum und späht ein letztes Mal aus dem Fenster. Es ist nicht mehr weit bis zum Flugplatz, wo sein schwarzer BMW mit Klimaanlage auf ihn wartet.

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