Wahlkampfstudien:"Die CSU macht sich den Staat zur Beute"

Lesezeit: 2 min

Scharfe Kritik von der Landtags-SPD: Die Bayerische Staatskanzlei hat Steuergeld für Studien ausgegeben, die Handlungsanweisungen für die CSU im Wahlkampf enthalten.

Katja Auer

Die Staatsregierung hat Steuergeld für Umfragen ausgegeben, die vor allem der CSU im Wahlkampf nützten. "Verdeckte Parteienfinanzierung" und somit die unerlaubte Vermengung von Regierungs- und Parteiarbeit vermutet SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher. Er will die CSU deswegen bei Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) anzeigen. Der ist für Verstöße gegen das Parteiengesetz zuständig. 108.000 Euro kosteten drei sogenannte Resonanzstudien aus den Jahren 2006 bis 2008, die Rinderspacher am Mittwoch in München vorlegte.

Was denken Bayerns Bürger über die Politik der CSU, welche Themen sind für die Menschen im Freistaat von Wichtigkeit? Das waren Fragen, die das Meinungsforschungsinstitut im Auftrag der Staatskanzlei erkundete. (Foto: dpa)

Besonders die zwei jüngsten Expertisen des Hamburger Meinungsforschungsinstituts GMS geben der CSU deutliche Handlungsanweisungen. 50 plus x seien für die CSU "allenfalls mittelfristig erreichbar", heißt es etwa in der Untersuchung aus dem Jahr 2008. Die Empfehlung folgt sogleich: "Daher sollten bei den anstehenden Wahlen Diskussionen um konkrete Zahlen vermieden werden." CSU-Chef Horst Seehofer hat sich dran gehalten. Das Gerede von der absoluten Mehrheit ist seitdem weniger geworden.

Die Demoskopen raten der CSU zu gezielten Angriffen: "Die Fokussierung in der politischen Auseinandersetzung sollte auf SPD und Grüne, eventuell auch die FDP erfolgen, um die Freien Wähler nicht aufzuwerten." Zur Erinnerung: Es handelte sich um eine Studie der Staatsregierung, der die Liberalen zu diesem Zeitpunkt bereits angehörten. Die FDP reagierte gestern verärgert, will aber keinen neuen Koalitionskrach anzetteln. "Etwas irritierend" nannte Fraktionsvize Karsten Klein den Vorgang.

Weitere Tipps gibt es für die CSU zum Verhalten gegenüber der Bundespolitik. "Begrenzte Abkoppelungs- und Konfliktstrategien mit der Bundesebene sind weiterhin sinnvoll", heißt es. Zu diesem Zeitpunkt regierte in Berlin die große Koalition, an der die CSU beteiligt war.

Die Studie aus dem Dezember 2007, also ein dreiviertel Jahr vor der Landtagswahl, fragt ebenfalls dezidiert die Stimmung im Lande ab. Auch die Wahlabsichten. 54,4 Prozent hatten demnach vor, die CSU zu wählen. Es waren dann bekanntlich nur 43,4. Die FDP hätte der Umfrage nach den Sprung ins Parlament verpasst, die Freien Wähler ebenso. Recht positiv beurteilt wurde der damalige Ministerpräsident Günther Beckstein, dessen Beliebtheit ebenfalls abgefragt wurden. Dagegen wurde aus der Studie deutlich, dass die Mehrheit der Bayern den Transrapid ablehnte, der damals in der Planung war. Wenige Wochen später kippte Beckstein das Projekt. Zum Bedauern der Opposition, der ein wichtiges Wahlkampfthema verloren ging.

Meinungsbild zu Gurken und Obatzdn - und zur Politik

Für die SPD ist das alles ein klarer Fall von verdeckter Parteienfinanzierung. "Offensichtlich macht sich die CSU den Staat zur Beute", sagte Rinderspacher. Mit Anwalt Michael Bihler beruft sich die SPD auf das Bundesverfassungsgericht, das den Staatsorganen parteipolitische Neutralität vorschreibt. Thomas Oppermann, der parlamentarische Geschäftsführer der SPD im Bundestag will das Thema in den Ältestenrat bringen.

Vor mehr als einem Jahr schon stellte Rinderspacher die erste Anfrage an die Staatsregierung, um Einblick in die Studien zu erhalten. Die lehnte ab und wollte Rinderspacher mit ein paar Untersuchungen zufriedenstellen, die die Akzeptanz von bayerischen Gurken und Obatzdn in der Bevölkerung beleuchtet hatten. Rinderspacher reichte schließlich Verfassungsklage ein. Diese läuft auch nach der Herausgabe weiter. Außerdem fordert Rinderspacher nun auch die Offenlegung von früheren Studien.

Die Staatskanzlei weist die Behauptung, Regierungs- und Parteiarbeit seien unerlaubt vermengt worden, energisch zurück. "In einer von den Parteien geprägten parlamentarischen Demokratie ist es das Recht einer Regierung, auch mit Hilfe demoskopischer Mittel zu untersuchen, wie ihre Politik und ihre Problemlösungskompetenz in der Bevölkerung - auch im Vergleich mit den Oppositions-Parteien - wahrgenommen werden und wie sich das Meinungsbild der Bevölkerung zu wichtigen politischen Themen darstellt", heißt es.

© SZ vom 05.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: