Wahlkampf:So stilisiert sich die AfD als angeblich bessere CSU

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Die AfD war in diesem Jahr zum ersten Mal auf dem Gillamoos in Abensberg vertreten. Allerdings etwas abseits von den anderen Parteien. (Foto: Matthias Balk/dpa)

Die AfD in Bayern gebärdet sich als zutiefst bürgerliche Partei. So will sie Wähler erreichen, die von Seehofer, Merkel und Co. enttäuscht sind. Doch tatsächlich werden moderate Mitglieder ausgebuht.

Von Johann Osel, München/Abensberg

Die niederbayerische AfD genießt einen Ruf als Scharfmacher, hatte sie doch vergangenes Jahr zum Bundesparteitag einen Vorschlag aufgeboten, der sogar eigene Leute in Staunen versetzte: Bau und Betrieb von Moscheen sollten generell verboten werden. Neulich am Gillamoos in Abensberg, gibt es ein Heimspiel für die Niederbayern-Fraktion. Erstmals beteiligt sich die AfD am traditionellen Schlagabtausch der Politiker, dafür sind Bundeschef Jörg Meuthen und die Europa-Abgeordnete Beatrix von Storch angereist. Der Bezirksvorsitzende Stephan Protschka schimpft kurz auf andere Parteien, die Linke etwa, die sei "brunzferkelblöd". Sein Hauptziel aber ist die CSU, die "versagt" habe, im Freistaat und im Bund, die "nicht mehr ist, was sie mal war".

Die scharfen Töne kommen gut an bei den etwa 300 Besuchern. Bei "denen", also der CSU, "passt halt hinten und vorne nix mehr zusammen", sagt ein besonders laut johlender Mann. Was genau? "Die Flüchtlinge". Was genau? "Das, was die Merkel macht." Ohnehin sitzen im Publikum viele, die sagen, immer die CSU gewählt zu haben, wirklich immer. Aber diesmal soll's anders sein. Es klingt bei manchen fast wie eine Entschuldigung.

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Der Plan der Bayern-AfD scheint dort aufzugehen: sich als CSU-Ersatz zu vermarkten. Man merkt es, wenn man zuhört bei Kundgebungen; wenn man liest, was Parteivertreter auf Facebook posten und damit Digitalpöbel anziehen, AfD-Anhänger, die Flüchtlinge meist "Invasoren" nennen. Oder gleich "Dreckspack". Man sieht es auf Plakaten, eines zeigte eine Umarmung von Horst Seehofer und der Kanzlerin, daneben steht: "Wer CSU wählt, bekommt Merkel." Ein anderes zielt aufs Heiligste der Christsozialen: "Franz Josef Strauß würde AfD wählen".

Auf Provokation versteht sich die AfD, erst am späten Sonntagabend wurde unerlaubt das Parteilogo samt Werbeslogan auf die Außenhaut der Münchner Allianz Arena projiziert. Die Polizei beendete die Aktion und ermittelt wegen Hausfriedensbruch. "Unser Land, unsere Regeln", war auf dem Fußballstadion zu lesen.

Nun könnten all die Aktionen einer Kleinpartei die CSU nicht weiter tangieren: Im Bayerntrend des BR-Politikmagazins "Kontrovers" kommt sie auf 47 Prozent der Stimmen, die AfD auf acht. Während aber 90 Prozent der AfD-Anhänger in der Entscheidung unumstößlich sind, sagen das bei den CSU-Wählern nur 79 Prozent, im Fall der SPD noch weniger. 21 Prozent nicht-gefestigte CSU-Wähler - in absoluten Zahlen ist das ein riesiges Potenzial. Hinzu kommt: Der Bundestrend der AfD ging zuletzt nach oben, auf zwölf Prozent. Mit Blick auf Flüchtlinge sind die Bayern zudem gespalten. 37 Prozent betrachten die aufgenommenen Migranten als Bereicherung, genauso viele als Belastung. Dass die CSU die AfD, verglichen mit der Union insgesamt, klein halten kann, ist erwartbar - wie klein, das scheint für die CSU-Spitze längst nicht fix zu sein. Von einer "gewissen Ratlosigkeit über die Strategie gegen die AfD" war im Parteivorstand zu hören. Seehofer sagte, man solle nicht auf alle "Provokationen hereinfallen".

Provokationen wie die des AfD-Landeschefs Petr Bystron gegen Innenminister und CSU-Spitzenkandidat Joachim Herrmann. Seit Bystron die "Identitäre Bewegung", die der Verfassungsschutz als rechtsextrem einstuft, als mögliche "Vorfeldorganisation" der AfD gelobt hatte, wird er selbst vom Geheimdienst beobachtet. Seitdem wettert er noch schärfer gegen den Minister, listet in sozialen Netzwerken dessen angebliche "Versagen" auf, ein Dutzend bereits. Recherche ist oft zweitrangig. Als nahe München ein Mann im Getümmel einer Polizistin die Waffe abnahm und auf sie schoss, schrieb Bystron: Hermanns Versagen, wegen "ungeeigneter Einsatzausrüstung". Dass dies keine Rolle spielte, wie Experten versicherten - egal. Dass die Beamtin im Wachkoma lag, Kollegen unter Schock waren - egal. Hauptsache Attacke.

Am Gillamoos spricht auch Kathrin Ebner-Steiner, Deggendorfer Kandidatin und Mitglied im Landesvorstand. Es geht um "naive CSU-Politiker", die sich schuldig machten an der "Islamisierung". Bayern brauche "nicht Minarette, sondern Kirchtürme"; "Miniröcke, Dirndl und Lederhosen, nicht Burkas". Sie redet nicht. Sie schreit. Als Bayerin sei sie nicht eine von mehreren Ehefrauen, sondern die einzige - und "ich sag ihm auch mal, wo's langgeht". Beatrix von Storch klopft begeistert auf den Biertisch.

Die Bayern-AfD hat Höcke mehrfach eingeladen

Bei den Gesprächen im Anschluss geht es um: Flüchtlinge, Flüchtlinge, Flüchtlinge. Da wird Bundeschef Meuthen von einem Erstwähler gefragt, ob die AfD Nazis sind. "Nein, lassen Sie sich das nicht einreden", meint Meuthen, "alles gelogen." Äußerst gereizt reagiert man in der Bayern-AfD auf das Thema, passt es doch nicht zum Anspruch, die neue CSU zu sein, eine angeblich zutiefst bürgerliche Partei. Offene Kontakte zur rechtsextremen Szene gibt es tatsächlich selten; doch haben selbst Führungsleute kein Problem damit, mit Rechtsextremisten zu demonstrieren, sich eine Bühne zu teilen.

Zwar finden sich im Freistaat wenige Rechtspopulisten, die unverblümt mit Geschichtsklitterung daherkommen - wie es der Thüringer AfD-Mann Björn Höcke tut. Abgrenzung von Höcke und dessen "Flügel" ist in Bayerns AfD dennoch nicht angesagt, im Gegenteil: mehrmals wurde Höcke als Redner eingeladen. Auch bei der Listenaufstellung setzten sich viele Flügel-Freunde durch. Ein Ex-Schatzmeister trat damals aus der AfD aus. Ein "Sammelsurium aus völkisch denkenden Ewiggestrigen", so die Begründung, "übernimmt das Regiment".

Freilich, es gibt Grenzen-Zieher. Als "Gegengewicht zum rechtskonservativen Lager" gründete sich innerhalb der Partei eine "Alternative Mitte". Treibende Kraft ist Dirk Driesang, der auch im Bundesvorstand sitzt. Man verstehe sich als Netzwerk für alle, die einen "moderaten und realpolitischen Kurs stärken wollen". Das hatte Driesang, Opernchorsänger aus München, auf dem Parteitag konkret formuliert, als er sich um Listenplatz fünf bewarb. "Wo ist nach rechts außen Schluss?", fragte er die Basis. Er bekam Buhrufe und ein "Hau ab", wie man es von Störern kennt, die zurzeit Merkel-Auftritte beschreien. Auf der Liste fiel er durch; nun tritt er in Nürnberg-Süd an. Dort zog die Kandidatin zurück, als publik wurde, dass sie Hitler-Bilder online stellte. "Adolf bitte melde Dich!"

Hitler ist freilich am Gillamoos weit weg, es wird geplaudert vor der Plakatgalerie an der Bühne. Eine Dame aus Penzberg kommt zu einem Organisator, sie hätte gerne ein Plakat für ihren Vorgarten, da sei es sicher vor Vandalen, da passe sie schon auf. Sie könne sich eines aussuchen, heißt es. Da auch schon andere Gäste Interesse anmelden, sprintet die Frau los - zielstrebig auf ihr Wunschplakat mit dem Slogan: "Die AfD hält das, was die CSU verspricht."

© SZ vom 20.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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