Wahlkampf und soziale Medien:Wie sich Politiker im Netz blamieren

Auf Facebook und Twitter sammeln bayerische Politiker Unterstützer und Fans. Doch dabei lauern Gefahren. Das musste jetzt Peter Gauweiler erfahren, der mit dem Vize-NPD-Chef auf Facebook befreundet war. Und auch bei anderen Wahlkämpfern sorgte der Auftritt im Netz schon für erhebliche Turbulenzen.

Von Frank Müller

Horst Seehofer Throws Facebook-Fan Party

Da war Facebook richtig in: Ministerpräsident Horst Seehofer im P1.

(Foto: Nadine Rupp/Getty Images)

Mit Freunden ist es so eine Sache und mit dem Begriff "Gefällt mir" auch. In allen Parteien sammeln die Parteien in sozialen Netzwerken wie Facebook oder Twitter ihre Freunde, Unterstützer und Fans. Denn mit kaum einem Medium kann man so leicht und schnell vergleichbar viele Menschen ansprechen.

Doch dabei lauern Gefahren. Das musste jetzt Peter Gauweiler erfahren, der für die CSU im Münchner Süden wieder in den Bundestag will. Gauweiler sammelte auf Facebook eifrig fast 5000 Freunde, nun fiel auf, dass darunter auch der Vize-NPD-Chef Karl Richter ist. Der sitzt zugleich als rechtsextremer Einzelkämpfer im Münchner Stadtrat und schaffte es, sich mit Gauweiler anzufreunden.

Dazu ist bei Facebook eine beiderseitige Bestätigung erforderlich, in Gauweilers Team ist der Neonazi also unerkannt durchgerutscht. Denn dass es auch nur den Hauch einer Nähe zu Richter gäbe, das wird dort entschieden verneint. Als Gauweilers Wahlkampfmanager Curt Niklas durch die SZ von dem falschen Freund erfuhr, dauerte es keine fünf Minuten, bis dieser aus der Liste entfernt war. Nun gelten verstärkte Sicherheitsvorkehrungen: Niemand werde mehr als Freund aufgenommen, ohne dass er selbst den Namen gegoogelt habe, sagt Niklas.

Auch bei anderen Wahlkämpfern sorgte der vermeintlich so unkomplizierte Facebook-Auftritt schon für erhebliche Turbulenzen. CSU-Chef Horst Seehofer, der sonst bei jeder Gelegenheit von seinen Mitstreitern Fehlervermeidung einfordert, schlug selbst über die Stränge, als er seinen damaligen SPD-Gegenkandidaten Mahmoud Al-Khatib verächtlich machte und einen veritablen Shitstorm auslöste, wie man im Netz eine Flut empörter Reaktionen nennt.

Auch Sozialministerin Christine Haderthauer setzte sich auf Facebook in die Nesseln, als sie einen missglückten Auftritt in einer Würzburger Flüchtlingsunterkunft mit zahlreichen Postings noch verschlimmerte - und einige Zeit brauchte, bis sie sich von rechtslastigen Kommentaren auf ihrer Seite distanzierte. Unsterblich auf Twitter machte sich Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger, der durch von Mitarbeitern gepostete Blondinenwitze zum Gespött wurde - solange, bis Aiwanger am Ende aus Twitter entnervt ausstieg.

"Authentisch sein"

Inzwischen legen vom Spitzenkandidaten bis zum kleinen Stimmkreisbewerber zwar fast alle Wahlkämpfer Wert auf professionell wirkende Präsenz in sozialen Netzwerken. Doch das Qualitätsspektrum ist noch immer breit. Bayerische Social-Media-Größen wie Grünen-Chef Dieter Janecek, CSU-Vizegeneralsekretärin Dorothee Bär oder Piraten-Chef Stefan Körner geben weiter den Ton an, weil sie vor allem auf Twitter direkt, schnell und mit eigenem Tonfall politisch kommunizieren. Viele andere dagegen stellen einfach nur ihre ohnehin schon langweiligen Presseerklärung in den Kanal, und das war's dann.

"Authentisch sein" sei das Wichtigste, sagt Janecek, der aber Twitter und Facebook noch immer für ein Nischenmedium hält. "Eine Wahl gewinnt man nicht, wenn man viel twittert." Die Grünen setzen in diesem Wahlkampf sogar stark auf das glatte Gegenteil: auf ganz altmodische Hausbesuche. Da stimmen auch die Piraten ein. "Kommunikation im Netz ersetzt den herkömmlichen Wahlkampf mit Plakaten und Veranstaltungen nicht", twittert Körner an die SZ. "Da ist die Welt noch nicht weit genug." CSU-Twitterin Bär meint: "Der Höhepunkt ist noch nicht erreicht." Sie wartet darauf, welche Politiker auch nach den Wahlen am Ball bleiben. "Dann trennt sich die Spreu vom Weizen."

Zuletzt ist auch Seehofer deutlich zurückhaltender geworden auf seinem Facebook-Kanal. Zwar lässt er regelmäßig Statements einstellen, ins Anarchische geht er aber seltener als früher. Vor einem Jahr machte er mit seiner Facebook-Party im Münchner P1 Schlagzeilen. Aus dem Schwung angekündigter weiterer Veranstaltungen dieser Art wurde aber nichts. Dafür liegt Seehofer mit knapp 20.000 "Likes" (Anhängern) klar an der Spitze in Bayern. Christian Ude ist mit mehr als 11.000 näher an ihm dran als im echten Leben die SPD an der CSU, an Umfragezahlen gemessen. Ude unternimmt auf Facebook auch deutlich mehr, postet fast täglich und gewährt direktere Einblicke.

Über Facebook lud auch Gauweiler seine Freunde jüngst zu einer Veranstaltung mit CDU-Ministerin Ursula von der Leyen ein. Als einer der ersten hatte freudig zugesagt: NPD-Mann Richter - weil Gauweiler das Herz am rechten Fleck habe, nur leider in der falschen Partei sei, so sein provozierender Kommentar. Alle Spuren hat Gauweilers Team gelöscht. Und Richter hat einen "Freund" weniger.

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