Wahlkampf der "Humanisten":Was motiviert eine Partei, die ohnehin keine Chance hat?

Partei der Humanisten im Landtagswahlkampf: Mirco Kramer ist Vorsitzender des Landesverbands Bayern

Plakat der Partei der Humanisten, München 2018, Landtagswahl Bayern

(Foto: PR/OH)

18 Parteien treten zur bayerischen Landtagswahl an, die meisten von ihnen werden an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. Aber Mirco Kramer, Landeschef der "Humanisten", denkt sowieso schon weiter.

Interview von Markus C. Schulte von Drach

Es gibt eine ganze Reihe von Kleinparteien, die bei den Wahlen meist nur Stimmen im einstelligen Prozentbereich bekommen - wenn überhaupt. Trotzdem gründen engagierte Menschen immer wieder neue Parteien. Etwa die V-Partei3, die Bergpartei, das Bündnis Grundeinkommen. Seit 2014 gibt es die Partei der Humanisten, Mirco Kramer ist der Vorsitzende des Landesverbandes Bayern, der erst seit Februar 2017 existiert.

SZ: Ganz ehrlich, Herr Kramer, die Aussichten für die Humanisten bei der Wahl sind doch nicht besonders gut. Was motiviert Sie, sich in einer so kleinen Partei zu engagieren?

Mirco Kramer: Ich habe früher immer allen Leuten, die sich über die Politik beschwert haben, gesagt: Mach halt selbst was. In einer Demokratie kann sich jeder beteiligen. Im vergangenen Jahr war ich dann so unzufrieden mit der Parteienlandschaft in Deutschland, dass ich mir das selbst sagen musste. Dann bin ich über die Partei der Humanisten gestolpert und in denen habe ich mich stark wiedererkannt. Also mache ich da mit.

Wie gehen Sie damit um, dass Ihr Stimmenanteil wahrscheinlich eher im Promillebereich liegen wird als im Prozentbereich?

Natürlich hat man als kleine Partei wenige Chancen, ins Parlament zu kommen. Aber wir wachsen - mäßig, aber stetig. Das macht Hoffnung. Dass wir bei der Bundestagswahl und bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen angetreten sind, hat uns schon einige Publicity verschafft. Vor allem über den Wahl-O-Mat haben viele Menschen festgestellt, dass wir "ihre" Partei sind. Das wird sich dieses Jahr in Bayern und Hessen wiederholen. Und für die Europawahl rechnen wir uns reelle Chancen auf ein Mandat aus.

Weil es da keine Sperrklausel gibt.

Richtig. Die Familien-Partei etwa hat auch nicht mehr Mitglieder als wir und die hat es 2014 mit einem Abgeordneten ins Europäische Parlament geschafft.

Wie viele Mitglieder haben die Humanisten denn?

Etwa 700 sind es bundesweit. Etwas mehr als 90 davon in Bayern.

Im Gegensatz zu den größeren Parteien ist die Zahl der Helfer, die zum Beispiel Plakate aufhängen, demnach klein. Wie stemmen Sie den Wahlkampf?

Wir machen alles, was mit wenig Personal möglich ist. Es gibt einen Fernseh- und einen Radiospot. Wir waren auch kürzlich auf dem Corso Leopold dabei. (Ein großes Straßenfest auf der Leopoldstraße in München; Anm. d. Red.). Und natürlich werden wir auch Wahlkampfstände etwa in der Fußgängerzone in München aufstellen.

Als relativ junge Partei sind wir auch eher für jüngere Leute interessant. Die erreichen wir über die sozialen Medien, da sind wir sehr aktiv, vor allem auf Twitter, Facebook und Instagram. Und natürlich hängen wir auch Plakate auf. Leider nur in Oberbayern.

Warum nur dort?

Wir treten nur dort an.

Wieso denn das?

Das hängt mit einer Gemeinheit des bayerischen Wahlgesetzes zusammen. Für ganz Bayern sind mehr als 8000 Unterstützer notwendig, damit eine Partei zur Wahl antreten kann. Das ist für uns derzeit illusorisch. Für Oberbayern mussten wir allein 2000 Unterschriften sammeln, in Mittelfranken bräuchten wir 1350 Unterstützer. Hätten wir in beiden Bezirken antreten wollen, wäre das sehr knapp geworden. Deshalb haben sich unsere Helfer auf den Bezirk konzentriert, der mehr Aufmerksamkeit verspricht - den Regierungsbezirk Oberbayern. Da hat es dann auch gereicht.

Wenn Sie sich engagieren wollen, hätten Sie doch auch in eine andere, größere Partei eintreten können und sich dort für die Themen starkmachen, die Ihnen wichtig sind.

Ich bin aber tatsächlich überzeugt, dass ein großer Teil der Bevölkerung Deutschlands uns wählen würde, wenn mehr wüssten, dass es uns gibt. Die meisten Menschen in Deutschland werden sich durch unsere Politik angesprochen fühlen. Wir machen uns alle Sorgen um die Umwelt, um die Zukunft, um unseren Wohlstand. Wie vertrauen aber nicht mehr auf die alten Überzeugungen, die alten Systeme oder die alten religiösen Glaubensvorstellungen, die die Politik bislang prägen.

Was wollen Sie denn anders machen?

Wir wollen schauen, was schon funktioniert hat, aber auch Neues ausprobieren. Und zwar auf wissenschaftlich fundierter Basis. Nehmen Sie das Beispiel Flüchtlinge. Die meisten Deutschen sind doch nicht fremdenfeindlich, aber viele fragen sich eben, wie die Migration in vernünftigen Bahnen verlaufen kann. Wir sind zuversichtlich, dass das gelingt, wenn eine Lösung angestrebt wird, ohne auf Ängste zu bauen, aber auch ohne die realen Probleme zu ignorieren.

Wir sind zum Beispiel für eine Quotenregelung in der EU. Aber einzelne Staaten, die wie Polen keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, könnten andere Länder dafür bezahlen, dass diese mehr Menschen aufnehmen als die Quote vorsieht. Eine Obergrenze kann es aber nicht geben, die festlegt, dass nur eine bestimmte Zahl nach Europa kommen darf, und alle anderen müssen kläglich verrecken. Die meisten Menschen wollen ja gar nicht weg von daheim. Deshalb ist es so wichtig, die Fluchtursachen zu bekämpfen.

Eine Tierschutzpartei oder eine fürs Grundeinkommen kann sich auf ein Thema konzentrieren, das viele Menschen stark bewegt. Wenn es aber um das große Ganze geht, treten Sie auch gegen die großen Parteien an. Wäre es nicht leichter, sich in einem bestimmten Bereich zu profilieren?

Wir wollen aber Politik machen für alle Menschen, in allen Bereichen. Nicht nur in Bayern oder in Deutschland, sondern in Europa. Eines unserer wichtigsten Ziele ist ja eine Bundesrepublik Europa.

Es ist uns deshalb wichtig, dass wir uns unterscheiden von Parteien wie zum Beispiel der für Gesundheitsforschung oder dem Bündnis Grundeinkommen. Wir finden es gut, dass die diese Themen voranbringen, aber in der Parteienlandschaft hilft das nicht weiter.

Setzen Sie zumindest im Wahlkampf auf bestimmte politische Schwerpunkte?

Unser Wahlslogan ist: "Wir wollen Politik machen für das 21. Jahrhundert." Das heißt für uns, auf Vernunft zu setzen, auf einen rationalen Politikansatz, und nicht auf das Bauchgefühl. Wir haben deshalb zum Beispiel eine andere Haltung zu Atomenergie und Gentechnik als die Grünen. Atomenergie ist bei allen Nachteilen nicht nur eine Risikotechnologie, sondern auch eine Möglichkeit, die Zeit, bis zum vollständigen Ausstieg aus der fossilen Energieerzeugung mit weniger Kohlendioxidausstoß zu überbrücken.

Eine Haltung, mit der Sie bei vielen Umweltschützern nicht punkten werden.

Das gilt sicher auch für unsere Haltung zu Glyphosat und überhaupt Gentechnik in der Landwirtschaft. Wenn wir bis 2050 zehn Milliarden Menschen auf der Erde haben, müssen wir schon überlegen, wie die alle ernährt werden sollen. Wir müssen vernünftig mit diesen Themen umgehen.

Mit anderen Umweltschützern sind wir uns aber zum Beispiel einig, dass es in Bayern einen dritten Nationalpark geben sollte. Wir sind auch eindeutig gegen die Rodung des Hambacher Forstes.

Die Natur muss geschützt und erhalten werden. Aber - und das ist uns wichtig - nicht einfach aus Prinzip. Wenn wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen würden, dass ein dritter Nationalpark wenig Nutzen brächte, aber Wohnanlagen oder Industrie von Vorteil wären, wären wir gegen den Nationalpark.

Das klingt allerdings ein wenig gefühllos.

Dann darf ich vielleicht noch darauf hinweisen, dass wir zum Beispiel auch für eine empathische Sozialpolitik sind und für ein selbstbestimmtes Leben ohne staatliche Bevormundung. Ehe und Adoption müssen allen Menschen möglich sein, unabhängig von der geschlechtlichen Orientierung. Jeder muss über sein Lebensende selbst entscheiden dürfen. Wir sind für ein liberales Abtreibungsrecht und die Abschaffung des Werbeverbotes. Für moderne Bildung und Lehre, Digitalisierung der Schulen und Universitäten, bezahlbaren Wohnraum. Gegen die Privatisierung im Gesundheitswesen und Fake-News-Filter ...

Ein Thema, das Ihrer Partei sehr wichtig ist, ist die Trennung von Staat und Religion. Sie treten sehr religionskritisch auf. Damit dürften Sie es in Bayern eher schwer haben.

Ich denke, dass Kreuze in Ämtern und in Schulen auch in Bayern eine Menge Leute stören. Und dass manche Muslime einen politischen Islam vertreten, erfüllt bekanntlich viele Menschen mit Sorge. Religion muss unserer Überzeugung nach eine reine Privatsache sein. Die darf keinen Einfluss auf die Politik und die Gesetzgebung haben.

Das Grundgesetz gewährleistet außerdem das Recht auf Selbstbestimmung und körperliche Unversehrtheit. Das ist wichtiger als die Religionsfreiheit. Wir sind deshalb auch gegen die Beschneidung von Mädchen und Jungen aus religiösen Gründen und gegen Kopftücher für Mädchen unter 14 Jahren.

Das wird Ihnen den Vorwurf einbringen, Sie hätten eine antisemitische Einstellung und seien islamfeindlich.

Jeder Mensch darf glauben, was er will. Das heißt aber auch, dass jeder für sich selbst entscheiden können muss, sich beschneiden zu lassen oder Kopftuch zu tragen. Diese Entscheidungsmöglichkeit besteht bei Kindern nicht. Aber wer sich selbst dafür entschieden hat, darf selbstverständlich nicht diskriminiert werden.

Nach wie vielen verlorenen Wahlen werden Sie aufgeben?

Wir erwarten nicht, die Bayernwahl zu gewinnen. Aber ich bin optimistisch, dass wir an Popularität zulegen werden, bei der Europawahl ein Mandat erreichen und dann wird es aufwärts gehen.

Mirco Kramer (49) ist Vorsitzender des Landesverbandes der Partei der Humanisten in Bayern. Er ist in Kassel geboren, im südlichen Afrika aufgewachsen und lebt seit 1994 in Bayern. Er arbeitet als Projektleiter einer Druckerei.

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